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Verdis "La Traviata"#


Von

Georg Halper

(September 2019)


Mit seiner “La Traviata” vollendet Verdi seine “Trilogia popolare”, die Trias – also “Rigoletto”, “Il Trovatore” und “La Traviata”, alle uraufgeführt zwischen 1851 und 1853.

Bereits vor der Uraufführung seines Troubadour im Jänner 1853 hatte Verdi mit den Arbeiten an seiner nächsten Oper, “La Traviata”, begonnen. Ursprünglich wollte Verdi dieser seiner 19. Oper (es ist seine 17, wenn man “I Lombardi alla prima Crociata” und “Jerusalem” und auch “Stiffelio” und “Aroldo” nicht als jeweils zwei verschiedene Opern zählt, da es sich bei den zweitgenannten Titeln um umfangreiche “Umarbeitungen” handelt) den Titel “Amore e morte” (Liebe und Tod) geben, doch die Zensur hatte wieder einmal “zugeschlagen” und dies verhindert. So wurde daraus dann der Titel “La Traviata” (Die vom Weg Abgekommene), unter dem wir alle heute diese Oper kennen. In Italien wurde sie allerdings zeitweise auch unter dem Titel “Violetta” gebracht.

Verdi hatte sich bereits im Jahr 1852 intensiv mit diesem Stoff auseinandergesetzt und mit seinem Librettisten Francesco Maria Pivae – insgesamt bei elf Verdi-Opern war dieser der Librettist – das erste szenische Gerüst erstellt und an den ersten Versen gearbeitet. Davor hatte sich Verdi mit dem Stoff von “Marion Delorme” – einem Stoff von Victor Hugo (auch schon bei seinem “Ernani” war Hugo der Ideengeber) - intensiver für seine nächste Komposition beschäftigt. “Marion Delorme” hat dann Amilcare Ponchielli, ein Lehrer Puccinis, komponiert – die Uraufführung fand 1885 in Mailand statt, da hatte Verdi nur mehr zwei Opern – beide basieren auf Shakespeare-Vorlagen - vor sich: “Otello” und “Falstaff”! Keine äußeren Gewalten des Bösen wirken hier ein – nein, nur das traurige Schicksal allein ist Stoff der Handlung. Das Stück ist in der Gegenwart der Entstehungszeit angesiedelt, also im Jahr 1850! Es handelt sich somit eine sogenannte “Zeitoper”. Sie spielt in einem “Halbwelt-Milieu” (demi-monde). Man hat den Eindruck, dass hier das Leid eines Menschen verklärt werden soll. Und Giuseppina Strepponi, Verdis Lebensgefährtin, galt ja auch als “Gefallene”. Sie war eine Sängerin mit unehelichen Kindern – aber sie war auch die erste Abigaille in seinem “Nabucco”.

Und just zu dieser Zeit kamen sich Verdi und sein ehemaliger Schwiegervater, Antonio Barezzi, wieder näher. Barezzi, der eine sehr strenge Moralauffassung gehabt hatte, war Witwer geworden und hatte nun bei einer seiner Verkäuferinnen Trost gefunden, sehr erfolgreich, – und so hatte er plötzlich Verständnis für das Verhalten seines ehemaligen Schwiegersohnes, den er immer für sein Verhalten getadelt hatte. Allerdings hatte Giuseppina Strepponi damals große Sorgen und war sehr niedergeschlagen, da eine Zeitschrift berichtete, dass Verdi eine Beziehung zu einer Sängerin hätte. Den 1. Akt hatte Verdi bereits nach seinem Aufenthalt in Genua skizziert – und binnen 40 Tagen war die Komposition beendet.

Als es dann zur Uraufführung kommen sollte, musste das Stück aus der “Jetztzeit” ins 17. Jahrhundert verlegt werden. Die Brokatkostüme mit Spitzkragen wurden der Zeit Ludwig XIV. nachempfunden, gelockte Perücken rundeten das Bild ab. Am 6. März 1853 ging die Uraufführung im venezianischen Teatro La Fenice über die Bühne. Und es war ein “Durchfall” sondergleichen! Stimmlich war die Sängerin der Violetta, Fanny Salvini-Donatelli zwar sehr gut, aber sie war nicht mehr jung – und zu füllig, um eine Schwindsüchtige glaubhaft zu verkörpern. Ludovico Graziani als Alfredo und Felice Varesi als Giorgio waren eine Katastrophe. Varesi, der Macbeth und Rigoletto großartig verkörpert hatte, hatte offenbar einen unüberwindlichen Widerwillen gegen diese Rolle. Die weiteren wichtigeren Sänger damals waren Speranza Giuseppini als Flora, Carlotta Berini als Annina, Angelo Zuliani als Gaston und Andrea Bellini als Doktor Grenvil.

Verdi hat sich von Erfolgen nie sonderlich beeindrucken lassen, er war aber auch von Mißerfolgen nicht enttäuscht. Und doch zieht er sich auf sein Landgut in Sant´ Agata zurück – er gestaltet seinen Park, legt Beete an und setzt Bäume, für die Traviata eine Trauerweide. Und er denkt wieder über den “Re Lear” nach, den er nie komponieren wird. Ein anderer Komponist hat sich viele Jahre mit dem “Re Lear” beschäftigt: Antonio Cagnoni (1828 – 1896). In seiner besten Zeit hatte er diese Oper komponiert, aber sie zu seinen Lebzeiten in keinem Opernhaus “untergebracht”. Sie blieb in einer Lade nach Cagnonis Tod liegen und wurde erst 2009 (in Martina Franca beim “Festival della Valle D´Itria” )uraufgeführt. Verdi überarbeitete die Oper, vor allem den 2. Akt und Teile des 3. Aktes – und am 6. Mai 1854 erlebte die Oper im Teatro San Benedetto, ebenfalls in Venedig, die zweite “Uraufführung” – diesmal ein triumphaler Erfolg. Von da an hat die Oper ihren Siegeszug über die Bühnen der ganzen Welt angetreten. Heute ist sie die meist gespielte Verdi-Oper auf der ganzen Welt!

Bereits im Mai 1855 wurde “La Traviata” in Wien am Kärtnertortheater erstmals im deutschen Sprachraum, allerdings noch auf italienisch gebracht, im November 1857 erlebte sie ihre deutschsprachige Erstaufführung in Hamburg. Und wieder beruht der Stoff auf tatsächlichen geschichtlichen Begebenheiten. Alphonsine (genannt Marie) Duplessis, später “La Comtesse de Perregaux”, wurde 1824 geboren und starb in den Karnevalstagen des Jahres 1847. Sie lebte ab 1839 in Paris und war zuerst Wäscherin und Putzmacherin Heute: Modistin). Dann wurde sie von verschiedenen Männern ausgehalten, darunter auch in den Jahren 1844 - 1845 von Alexander Dumas d. J. Bei ihm im Roman (La Dame aux Camélias) heißt sie allerdings Margaruite Gautier. 1852 entstand eine dramatisierte Fassung – die Grundlage für das Libretto. Aber auch anderen Männern gefiel sie außerordentlich gut, darunter Franz Liszt.

Beschrieben wird Marie Duplessis als sehr schlank, ja sogar dünn, sie hatte schwarze, sanfte, melancholische Augen, einen strahlend weißen Teint und prachtvolles Haar. Begraben liegt sie am Pére Lachaise in Paris.

Personen der Handlung:#

Violetta Valery – Sopran
Annina, ihre Dienerin – Mezzosopran
Alfredo Germont – Tenor
Giorgio Germont, sein Vater – Bariton
Flora Bervoix – Mezzosopran
Gaston, Vicomte de Letorieres – Tenor
Baron Duphol – Bariton
Marquis d´Obigny – Bass
Dr. Grenvil – Bass
Ein Bote – Bass
Diener bei Violetta und Flora – Bass, Tenor

Ort der Handlung: #

Paris und Umgebung, ca. 1850 (wegen der Zensur wurde die Zeit der Handlung bei der Uraufführung in die Zeit um 1700 verlegt) – 3 Akte (der 1. Akt spielt im Oktober, der 2. im Jänner, der 3. im Februar).

Inhalt: #

Erster Akt: Im Pariser Haus Violettas feiert man ein Fest. Gaston hat Alfredo, der eben aus der Provence nach Paris gekommen ist, mitgebracht; Alfredo bewundert Violetta schon länger - sie aber nimmt keine Notiz von ihm. Baron Duphol, der momentane Verehrer Violettas, kann keinen Trinkspruch ausbringen. Alfredo singt feurig – Violetta antwortet leidenschaftlich. Violetta, an Tuberkulose erkrankt, erleidet einen Schwächeanfall und zieht sich zurück. Alfredo nähert sich ihr und gesteht ihr seine Liebe. Durch das Geständnis überrascht, übergibt sie ihm eine Kamelie – wenn sie verblüht ist, darf er sie wieder besuchen. Nachdem alle Gäste gegangen sind, denkt sie über ihr sinnloses Leben nach – es erwacht ihre Liebe zu Alfredo.

Zweiter Akt, erstes Bild: Alfredo und Violetta leben auf einem Landgut nahe Paris, um ein unbeschwertes Leben zu führen. Als Alfredo von Annina erfährt, dass Violettas Vermögen aufgebraucht ist, fährt er nach Paris, um Geld zu holen. Alfredos Vater, Giorgio, erscheint überraschend und verlangt von Violetta, auf Alfredo zu verzichten, da sonst Alfredos Schwester von deren Bräutigam verlassen würde – die ganze Familie würde durch diese Liaison kompromittiert. Violetta nimmt von Alfredo Abschied und kehrt nach Paris zurück; durch einen Boten wird bestellt, dass sie wieder ihr früheres Leben aufnehmen wird. Alfredo ist eifersüchtig und vermutet, dass sie zu ihrem früheren Verehrer zurückgekehrt ist – nicht einmal sein Vater kann ihn beruhigen. Alfredo folgt seiner Geliebten nach Paris.

Zweiter Akt, zweites Bild: Violetta ist in Flora Bervoixs Salon – dort trifft Alfredo sie am Arm des Barons wieder. Alfredo hat beim Glücksspiel gewonnen und beleidigt den Baron; Violetta will ihn überreden, das Fest zu verlassen. Sie dürfe auf Grund eines Versprechens nichts sagen. Als ihr Alfredo nicht glaubt, gibt sie vor, dass sie dem Baron Treue geschworen habe. Alfredo rastet aus, ruft die Gesellschaft zusammen und wirft ihr die im Spiel gewonnenen Geldscheine für geleistete Dienste vor die Füße. Alle sind entsetzt, auch dessen Vater Giorgio, der ihn zurechtweist. Der Baron fordert Alfredo zum Duell – Violetta sinkt bewußtlos zu Boden.

Dritter Akt: Durch die Vorkommnisse hat sich die Krankheit Violettas verschlechtert. Todkrank nimmt sie Abschied vom Leben- obwohl ihr der Arzt baldige Genesung verheißt. Da erhält Violetta einen Brief von Giorgio Germont; darin steht, dass Alfredo im Duell nicht getötet wurde, sondern lebt und zu ihr kommen wird, um sich bei ihr zu entschuldigen. Alfredo kommt – und findet eine Sterbende. Ein letzes Aufbäumen – Violetta geht es anscheinend besser. Sie träumen von einer schönen Zukunft – sie wollen Paris verlassen und am Land leben. Auch Alfredos Vater kommt, um Violetta zu umarmen. Violetta stirbt in den Armen Alfredos.

Gleich im 1. Akt gibt es schon die erste sehr bekannte Stelle: Brindisi – “Libiamo ne´lieti calici”. Auch Alfredos Liebsgeständnis “Un di felice, eterea” (An einem glücklichen Tag) kennen viele. Und Violettas Nachdenken über ihr sinnloses Leben mit “È strano! È strano” (Es ist seltsam) und die Weiterführung in der Cabaletta mit “Sempre libera degg´io” (Immer frei muss ich sein), kennen wir.

Im zweiten Akt finden sich etliche bekannte Stellen. Alfredo singt sein ”De´ miei bollenti spiriti” (Dies jugendliche Feuer) oder “Oh mio rimoroso! Oh infamia” (O mein Gewissen! O Schmach und Schande). Giorgios “Pura siccome un angelo” (Gotte schenkte eine Tochter mir) und das Duett zwischen Giorgio und Violetta “Ah! Dite alle giovane” (Sagt der Jungfrau – in der alten Übersetzung: Sagt der Tochter). Eine der markantesten und bekanntesten Stelle ist auch Giorgio Germonts “Di Provenza il mar, il suol” (Hat dein heimatliches Land).

Auf dem Maskenfest bei Flora ist wohl das Ausrasten Alfredos markant, aber auch die Zurechtweisung des Vaters Germont mit “Di sprezzo degno se stesso rende” (Verachtung trifft den, der sich vergisst) kennen die meisten. Berührend ist Violettas Abschied mit “Addio del passato” (Lebt wohl, glückliche Träume). Violetta und Alfredo träumen von einer schönen Zukunft mit “Parigi, o cara” (Paris, o Geliebte) - und das letzte Aufbäumen Violettas “Ah! Gran dio! Morrir si giovine” (Oh, mein Gott! Sterben so jung)

Das berühmte “Brindisi” kennen wir alle – und summen es fast mit. Heute wird es natürlich überall auf Italienisch gesungen:

Libiamo ne´ lieti calici,
Che la belezza infiora,
E la fuggevol ora
S´inebrii a voluttà.
Libiam ne´ dolci fremiti
Che scuscita l´amore,
Poichè quell´occhio al core
Onnipotente va.
Libiamo, amore, amor fra i calici
Piu caldi baci avrà.

Heute erscheint bei der Laufschrift-Übersetzung dazu folgender Text – wörtlich übersetzt:#

Lasst uns aus dem Kelch der Freude trinken
Den Schönheit schmückt;
Lasst die flüchtige Stunde
Sich am Vergnügen berauschen
Trinken wir auf die
Süßen Schauer der Liebe,
Denn dieser Blick
Dringt unwiderstehlich ins Herz
Trinkt auf die Liebe, die Liebe beim Wein
Lässt Küsse feuriger werden.

Die älteren Opernbesucher kennen natürlich den damals deutsch gesungenen Text, der doch auch sehr schön war:#

Auf, schlürfet in durstigen Zügen
Den Kelch, von Schönheit kredenzt,
Die flüchtigen Stunden entfliegen.
Drum fröhlich die Stirne bekränzt
Empfindet das himmlische Leben
Denn Liebe ist höheres Leben.
Ist himmlische, selige Lust!
den Kelch, den die Schönheit kredenzt.
Der Liebe erschalle ein Hoch!
Die Liebe, sie lebe hoch!

CD-Empfehlungen:#

  • Licia Albanese (Violetta), Jan Peerce (Alfredo), Robert Merrill (Giorgio), NBC Symphony Orchestra; Arturo Toscanini [1946]
  • Maria Callas (Violetta), Francesco Albanese (Alfredo), Udo Savarese (Giuorgio), Cetra-Chor, Orchestra Sinfonico RAI Torino; Gabriele Santini [1953]
  • Maria Callas (Violetta), Giuseppe di Stefano (Alfredo), Ettore Bastianini, Chor und Orchester der Mailänder Scala; Carlo Maria Giulini [1955]
  • Maria Callas (Violetta), Alfredo Kraus (Alfredo), Mario Sereni (Girogio), Chor und Orchester des Teatro San Carlos Lissabon; Franco Ghione [1958]
  • Anna Moffo (Violetta), Richard Tucker (Alfredo), Robert Merrill (Giorgio), Chor und Orchester der Römischen Oper, Franco Previtali [1960]
  • Romana Righetti (Violetta), Veriano Luchetti (Alfredo), Attilio D´Orazi (Giorgio), Coro e Orchestra Teatro dell´ Opera Napoli; Edoardo Brizio [1966]
  • Maria Chiara (Violetta), Gianni Raimondi (Alfredo), Mario Zanasi (Giorgio), Chor und Orchester des Teatro La Fenice; Nello Santi [1975]
  • Ileana Cotrubas (Violetta), Placido Domingo (Alfredo), Sherrill Milnes (Giorgio), Bayerischer Staatsopernchor, Bayerisches Staatsorchester; Carlos Kleiber [1977]
  • Joan Suntherland (Violetta), Luciano Pavarotti (Alfredo), Giorgio Manuguerra (Giorgio), London Opera Chor, Nat. Philharm. Orchestra; Richard Bonynge [1981]
  • Angela Gheroghiu (Violetta), Frank Lopardo (Alfredo), Leon Nucci (Giorgio), Chor und Orchester d. Royal Opera House Covent Garden; Sir Georg Solti [1995]
  • Anna Netrebko (Violetta), Rolando Villazon (Alfredo), Thomas Hampson (Giorgio), Konzertvereinigung der Wiener Staatsoper, Orchester der Wiener Staatsoper, Carlo Rizzi [2005]
Als Kuriosum möchte ich hier noch die folgende Aufnahme nennen:
Liebe Nachbarn, die auf einem Augenärztekongress in Sidney waren, haben sie mir mitgebracht. Die Aufnahme ist deshalb so besonders, da es hier im 2. Akt ein Intermezzo zwischen den beiden Bildern gibt. Als ich die 2. CD auflegte, hatte ich im ersten Augenblick gedacht, dass hier statt der fortführenden CD eine falsche CD beigepackt war. Denn das Intermezzo ist eine Jazzversion, Dauer 2:09. Dann geht es wieder ganz normal weiter.
  • Emma Matthews (Violetta), Gianluca Terranova (Alfredo), Jonathan Summers (Giorgio), Chor und Orchester der Australischen Oper (Sidney); Brian Castles-Onion [2012]