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Marie-Theres Arnbom: Die Villen von Baden #

Bild 'Arnbom-Baden'

Marie-Theres Arnbom: Die Villen von Baden. Wenn Häuser Geschichten erzählen. Amalthea-Verlag Wien. 216 S., ill., € 27,-

Seit Anfang 2022 leitet Marie-Theres Arnbom das Österreichische Theatermuseum. Zuvor hat die Kulturmanagerin zahlreiche Bücher und Beiträge zu zeithistorischen Themen publiziert. In der Reihe "Wenn Häuser Geschichten erzählen" erschienen u. a. Die Villen vom Attersee (2018) und "Die Villen von Pötzleinsdorf (2020). Im jüngsten Band geht es um die Villen von Baden bei Wien.Baden weist einen ganz besonderen Charakter auf: Auf den ersten Blick wirkt es wie eine idyllische Biedermeier-Stadt, mit den wunderbaren niedrigen Häusern, die das Bild prägen. Kein Wunder, kann Baden ja als Vorgänger Bad Ischls angesehen werden, nicht nur als Kur- sondern auch als Residenzstadt des Kaisers … Doch auch abseits des Biedermeier entstehen in Baden beeindruckende Villen, erbaut von bedeutenden Architekten. Der Historismus hinterlässt ebenso Spuren wie der Historismus und die beginnende Moderne. Bauherren und Besitzer waren häufig jüdische Großbürger. 1938 wurden die Villen der jüdischen Bevölkerung enteignet. Menschen, die die Sommerfrische Baden mitgeprägt haben, vertrieben, entrechtet, ermordet, schreibt Marie-Theres Arnbom. Die Autorin hat 22 Objekte ausgewählt, in bewährter Weise als Ziele von Spaziergängen aneinander gereiht und mit historischen Fotos illustriert. Ein Stadtplan erleichtert die Orientierung.

Der erste Weg führt vom Erzherzog-Wilhelm-Ring zum Kaiser-Franz-Ring, zwischen evangelischer Pfarrkirche und Theaterplatz. In der Wiener Straße 41 befand sich die Villa Mercedes. Nach einem Brand im Jahr 1945 blieb nur die Garage erhalten, eine symbolische Erinnerung an den automobilbegeisterten Emil Jellinek. Er hatte das weltberühmte Auto erfunden, das er nach seiner Tochter Mercedes benannte. Deren älterer Bruder, Raoul Fernand Raymond Maria des las Mercedes Jellinek kam 1883 in Algier zur Welt. Er widmete sein Leben der Kunst und Wissenschaft und legte eine wertvolle Musikaliensammlung an - eine ganz einzig vollständige Partituren-Sammung aller Klassiker und Romantiker, alles Wertvolle mit dem erlesenen Geschmack eines Bibliophilen gebunden. Betreut von seiner Gattin lebte er als einer der Stillen im Lande. 1939 beging der Schriftsteller nach der Amtshandlung eines Vollstreckungsbeamten Suizid. Die Witwe sollte die 1000 Bände umfassende Sammlung verkaufen. So kam diese an die städtische Musikbücherei in Essen und 2022 in das Historische Archiv der Wiener Philharmoniker. Raoul Fernand Raymond Maria des las Mercedes Jellinek vermachte seinen Grundbesitz der Stadtgemeinde Baden, gegen eine Leibrente für seine Frau Leopoldine, geb. Weiss. Sie blieb in der Badener Villa, bis diese 1945 ein Raub der Flammen wurde.

Der zweite Weg umfasst nur drei Gebäude, doch auch diese mit bemerkenswerter Geschichte. Von der Haushaltsauflösung des renommierten Badener Juweliers Alexander Pollak existiert ein Versteigerungskatalog aus dem Jahr 1930. Er umfasst 310 Posten, darunter Barockmöbel, Teppiche, Waffen und Gemälde. Die Villa mit der Adresse Kaiser-Franz-Josephs-Ring 40 besteht noch, ebenso wie jene in der Christalniggasse 7. Die Bankiersfamilie Benbassat erwarb 1930 das außergewöhnliche Objekt, zu dessen Vorbesitzern der Gründer der Hirtenberger Patronenfabrk, Anton Keller, Helene Mautner von Markhof und Horace Ritter von Landau (Hotel Bristol) zählten. Auch Albert Benbassat ließ, 1937 seine "hochherrschaftliche Villeneinrichtung" freiwillig versteigern. Die Fotos im Katalog zeigen exquisite Salons und wertvolle Einzelstücke, wie einen zweitürigen intarsierten Schrank um 1700 oder eine Sitzgarnitur mit vergoldeten Schnitzarbeiten und Seidenbezug. Die Villa mit 6000 m² Grund wurde auch angeboten, doch kam es zu keinem Verkauf.

Der dritte Weg führt in die Radetzkystraße, Weilburgstraße, Schlossgasse und Marchetstraße. Auf Nr. 76 befand sich das Anwesen der Familie Heller. Gustav Heller - seit 1899 Produzent der "Wiener Zuckerl" - und seine Frau Mathilde erwarben die Villa mit der charakteristischen Veranda 1916. 1870 für Adolph Ignaz Mautner Markhof erbaut, gelangte das Haus später an den Komponisten Heinrich Strecker. Immer wieder streut die Autorin persönliche Erlebnisse vom "Making-of" des Buches ein. Sie erzählt von gemeinsamen Recherchen mit ihrem Ehemann Georg Gaugusch, der umfangreiche und detaillierte Studien zum jüdischen Großbürgertum herausgegeben hat ("Wer einmal war"). Sie berichtet, wie es ihr, erst im Sommer 2022, scheinbar durch Zufall gelang, Kontakt mit Eve Heller, der Urenkelin des Firmengründers Gustav, aufzunehmen.

Der vierte Ausflug führt ins Helenental. Hier schließt sich der Kreis zur Musik. Gleichzeitig mit dem Buch kuratierte die Autorin im Kaiserhaus die Ausstellung Sehnsucht nach Baden Jüdische Häuser erzählen Geschichte(n). Dabei erfuhr sie von einem "Bösendorfer", den Wilhelm von Gutmann anno 1879 seiner Frau Ida zum Geburtstag schenkte. Es handelt sich um einen hoch historistischen Flügel mit Schwänen als Verzierung der Beine und Sphinxen neben der Tastatur. Wieder ergaben sich persönliche Parallelen. Marie-Theres Arnbom ist nicht nur mit den Kohle- und Stahlbaronen Gutmann verwandt, sie schrieb auch eines ihrer ersten Bücher über die Millionärsfamilie und lernte im Zuge der Recherchen ihren Ehemann kennen. 1882 beauftragten Wilhelm und Ida Gutmann den Stararchitekten Alexander Wielemans mit dem Bau einer Gründerzeitvilla in der Helenenstraße 72, umgeben von einem großen Park mit Kegelbahn, Salettl, Glashaus und Wirtschaftsgebäuden. Die Gutmanns besaßen mehrere Villen im Helenental. Was bleibt?, fragt die Autorin und antwortet: Die Villa Ida. Und das Klavier. Die jetzige Besitzerin stellte ihr das Instrument gerne als Leihgabe für die Ausstellung zur Verfügung.

hmw