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J. Bärsch, C. Köhle-Hezinger, K. Raschzok (Hg.): Heilige Spiele#

Bild 'Bärsch'

Jürgen Bärsch, Christel Köhle-Hezinger, Klaus Raschzok (Hg.): Heilige Spiele Formen und Gestalten des spielerischen Umgangs mit dem Sakralen Verlag Friedrich Pustet Regensburg. 368 S., ill., € 39,95

Ein Kupferstich aus dem Jahr 1784 zeigt eine Inszenierung zum Fest Christi Himmelfahrt aus Franz A. Obermayrs "Bildergalerie katholischer Misbräuche". In einer Kirche voller Gläubiger, jubeln sie einer Figur des Auffahrtchristus zu. Während dieser im Gewölbe verschwindet, ergießt sich Wasser aus dem "Himmelloch". Obermayr war - wie Eipeldauer oder Pater Hilarion - ein Pseudonym des produktiven Wiener Schriftstellers Joseph Richter (1749-1813). Als überzeugter Aufklärer war Richter ein strenger Kritiker der populären Religiosität, die kirchlicherseits forciert wurde. An "heiligen Spielen" wie sie diese karikierende Illustration darstellt, ließ er kein gutes Haar.

Die szenische Liturgie des Auffahrtchristus ist seit dem 13./14. Jahrhundert in Österreich, der Schweiz und Deutschland bekannt. Besondere Bedeutung und festliche Ausgestaltung fand sie im konfessionellen Klima der Barockzeit. Nach dem Hochamt versammelten sich die Gläubigen zu Mittag wieder in der Kirche. In Prozession, begleitet von festlicher Chormusik, zog man … in die Mitte des Kirchenschiffs, wo das Bildwerk des auffahrenden Herrn stand. Nach Verehrung durch Kniebeuge und Weihrauchinzens nahm der Offiziant die Figur in beide Hände, erhob sie und sang in dreimal steigender Tonhöhe die Antiphon … Beim dritten Gesang wurde die Figur unter mächtiger Triumphmusik und festlichem Glockengeläut langsam in die Höhe gezogen. … Manchmal schwebten zwei "Engel "mit brennenden Kerzen aus dem Gewölbe herab, um dann den Christus bei seiner Auffahrt zu begleiten. Andernorts versammelten sich elf Knaben als Apostel um ihn. Zudem umgaben typisch barockzeitliche Ausstattungen die Feier wie die Aussetzung des Allerheiligsten …, schreibt Jürgen Bärsch über die spielerische Liturgie in der barockzeitlichen Osterfeier. Als andere Bräuche dieser Kirchenjahrszeit beleuchtet er Palmesel, Heiliges Grab und die szenische Pfingstfeier mit der Heiliggeisttaube.

Prof. Jürgen Bärsch, Liturgiewissenschaftler an der katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, ist einer der drei Herausgeber des Bandes Heilige Spiele Formen und Gestalten des spielerischen Umgangs mit dem Sakralen. Die in dem Band gesammelten Studien verdanken sich dem Gespräch zwischen der Volkskunde als Empirische Kulturwissenschaft, der katholischen Liturgiewissenschaft und der evangelischen Praktischen Theologie. In dem interdisziplinären, internationalen und interkonfessionellen Werk wird Österreich durch die Religionswissenschaftlerin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz vertreten. Sie ist Vorstand des Instituts für Europäische Philosophie und Religion an der Phil.-Theol. Hochschule Heiligenkreuz bei Wien. In ihrem Beitrag Zur Anthropologie der Liturgie beschäftigt sie sich mit dem ersten Werk des Theologen und Religionsphilosophen Romano Guardini (1885-1968), "Vom Geist der Liturgie". Als dieses 1918 erschien, "trieb die Zeit auf eine Erneuerung zu". Die Autorin schreibt: In der Atmosphäre einer aufgewühlten Moderne und ihrem Gegengewicht einer Rückkehr zu den Quellen entstand der revolutionäre Gedanke der Liturgie als Spiel. Das klingt auch nach einem Jahrhundert aktuell.

Das Themenspektrum des Buches ist breit und gliedert 20 Beiträge in vier große Kapitel - Einstimmung, Einführung, Grundlagen, Formationen. Die Herausgeberin Christel Köhle-Hezinger (Empirische Kulturwissenschaft Universität Jena) beschreibt die Geschichte der früher so genannten Religionsvolkskunde als historisch-kulturwissenschaftliches Forschungsfeld. Ihren persönlichen Zugang dazu schildert die evangelische Forscherin in einem weiteren Beitrag: Religion - (k)ein Kinderspiel?. Bei einer volkskundlichen Tagung wurde sie auf das katholische Pfarrer- oder Priesterspiel aufmerksam. Das Rollenspiel mit Spielzeugaltar und Geräten sollte Buben zum geistlichen Beruf motivieren. Spielzeugaltäre werden im Handel nicht mehr angeboten. Dafür gibt es, von den USA ausgehend, Playmobil-Devotionalien und Puppen als Heiligenfiguren. Zurück nach Wien: Meine Kinder sind alle aus der Kirche ausgetreten - Mit dieser Begründung kam der kleine Spielzeugaltar eines Mannes Jahrgang 1930 im Jahre 2010 ins Österreichische Museum für Volkskunde. Die erste Schenkung zog eine zweite nach sich - mit 40 Teilen kam nun auch noch das Zubehör: Altargerät, Kaseln und Stola. Alles war selbstgemacht, gesammelt, gekauft, bespielt.

Der dritte Herausgeber, Paul Raschzok, bringt eine Einführung aus der Perspektive seines Faches Praktische Theologie. Diese entdeckte im Zuge des "ästhetic turn" in den 1990er Jahren den Zugang zum Phänomen Spiel als Annäherung an das Sakrale. Damit einher geht eine zunehmende Alltagsorientierung mit … Interesse an der "Religion der kleinen Leute" , eine Wertschätzung der sogenannten Laien- und Betroffenenperspektive. Dies gilt auch für die Wiederentdeckung von Texten aus dem 19. Jahrhundert, wie über mechanische Weihnachtskrippen und das protestantische Laienspiel. In einem zweiten Beitrag gibt der Autor einen liturgiehistorischen Durchblick aus protestantischer Perspektive. Ausgehend von einem Roman des österreichischen Schriftstellers Peter Handke entfaltet er rückblickend die Stationen von Theater und Christentum. Martin Luther stand dem geistlichen Spiel des Mittelalters ablehnend gegenüber, hielt jedoch einzelne Elemente in der Kinderkatechese für zulässig. Im 16. und 17. Jahrhundert verbreitete das lutherische Schultheater reformatorische Inhalte. Die Stoffe waren der Bibel entnommen, während das Jesuitentheater durch Verwendung antiker wie aktueller Stoffe über ein reicheres Repertoire verfügte.

Mit speziell katholischen Bräuchen der Weihnachtszeit beschäftigt sich die ehem. Leiterin der Volkskunde- und Krippenabteilung des Bayerischen Nationalmuseums München, Nina Gockerell. Die bekannte Expertin erläutert die Geschichte der geistlichen Weihnachtsspiele, mittelalterliche Frauenmystik, Jesuskindfiguren und das Kindelwiegen als Kirchen- und Familienbrauch. Schade, dass bei der umfassenden Darstellung die österreichische Revitalisierung - 2012 in St. Gertrud in Klosterneuburg, einer kleinen, romanischen Kirche der Stiftspfarre - keine Erwähnung findet. Hingegen geht der wissenschaftliche Referent für Volkskunde, Alois Döring, auf die jüngsten Entwicklungen des Puppenspiels als Vermittlungsmedium ein. Darunter sind zwei Beispiele aus Oberösterreich: Die Aufführung "Franziskus und Klara" bei den Franziskanerinnen von Vöcklabruck und das Puppenspiel "Franziskus begegnet den Aussätzigen" in der theaterspielfreudigen Kirchengemeinde Schönering bei Wilhering. Der Horizont der in dem lesenswerten Band dargestellten "Heiligen Spiele" reicht von den mittelalterliche Dreikönigseinzügen und Passionsspielen bis zur modernen Performance.

hmw