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Guido Fuchs: Kleine Geschichte des schlechten Benehmens in der Kirche#

Bild 'Fuchs Kirche'

Guido Fuchs: Kleine Geschichte des schlechten Benehmens in der Kirche. Verlag Friedrich Pustet Regensburg. 184 S., ill. € 19,95

Seit Jahrhunderten hat die (katholische) Kirche definiert, was "gut" und was "schlecht" sei. Regeln und Konventionen für das Benehmen im Gotteshaus zählten von Anfang an dazu. Schon anno 55 tadelte Paulus das Verhalten der Gemeinde in Korinth beim Herrenmahl. In der Frühzeit des Christentums war die Eucharistiefeier mit einem Sättigungsmahl verbunden. Wenn ihr euch versammelt, ist das kein Essen des Herrenmahls … dann hungert der eine, während der andere betrunken ist. (1. Kor 11)

Seither sind die Klagen über schlechtes Benehmen in der Kirche nicht abgerissen. In seinem launig-informativen Streifzug durch fast 2000 Jahre nennt Guido Fuchs die häufigsten Verstöße: lautes Schwätzen, Schlafen während der Predigt, Tragen freizügiger Kleidung, Rauchen, Tabak kauen und ausspucken, Essen und Trinken, das Mitbringen von Tieren … Bekanntlich sind Verbote die beste Quelle für das Bestehen von (Miss-)bräuchen. Das "Volk" hätte wissen müssen, was unpassend, ungebührlich, ungehörig erscheint. Heute ist das weit weniger klar, die Verantwortlichen versuchen, mit Piktogrammen, so genannten Kirchen-Knigges oder via Internet zu informieren. Was früher verpönt war, wird oft als normal empfunden. Neue Störungen - Stichwort: Handy - sind dazu gekommen.

"Schlechtes Benehmen im Gottesdienst " gehört zu den Themen aus dem Grenzbereich zwischen Liturgie und Alltag, mit denen ich mich an der Universität Würzburg in den letzten Jahren verschiedentlich befasst habe., schreibt Professor Guido Fuchs. Das Thema ist nicht so witzig wie bei seinen jüngsten Büchern über Bahnhofsgaststätten (2019) oder Spitznamen (2022). Trotzdem hat das leicht lesbare Sachbuch seine unterhaltsamen Aspekte. Der Autor greift auch wieder zum bewährten Mittel der Belletristik-Zitate. Eines der ersten, in dem es um das Betreten des Gotteshauses geht, stammt (nicht ganz ernst gemeint) vom österreichischen Schriftsteller Alois Brandstetter: Ich würde, wäre ich Rektor einer wertvollen Kirche, von den Besuchern weniger Eintrittsgeld verlangen, als vielmehr eine Aufnahme- oder Einlassprüfung … ganz ohne Anstrengung sollte man ein Gotteshaus nicht betreten dürfen.

Zuspätkommen oder die Liturgie vor deren Ende verlassen, war weit verbreitet. Aus einer syrischen Kirchenordnung des 5. Jahrhunderts erfährt man, dass unpünktliche Besucher keinen Einlass fanden. Der dafür verantwortliche Diakon sprach außerdem eine öffentliche Fürbitte zur Besserung dieser "Sünder", um sie bloß zu stellen. Bis in die Barockzeit gab es kaum Kirchenbänke. Man verfolgte die heilige Handlung stehend, auch Herumlaufen während dieser war üblich. Das Stehen sollte die Freiheit des Christenmenschen ausdrücken, Knien schien bei Bußriten und Anbetung angemessen. Beim Kommunionempfang war größte Ehrfurcht gefordert - was bei Generationen von Kindern schwere Gewissensbisse verursachte.

Kleidung und Kopfbedeckung fallen als erstes ins Auge. Versuchte man Anfang des 20. Jahrhunderts "schamlose" (Frauen-)Kleidung mit ausgehängten Kleiderordnungen den Kampf anzusagen, werden heute, beispielsweise in Taizé, Tücher zur "Verhüllung" verliehen. In alten Beichtspiegeln finden sich Hinweise auf unerwünschtes Verhalten, wie Hast du gelacht, geschwätzt oder andere verstöret? Sogar Beifall für eine gute Predigt war unerwünscht. Häufiger war aber der Kirchenschlaf, während der Homilie. Davon berichtet schon die Apostelgeschichte: Paulus predigte so lange, dass ein Zuhörer, der auf dem Fenster saß, einschlief und aus dem 3. Stock stürzte. Paulus erweckte ihn zum Leben - und setzte seinen Gottesdienst fort. (Apg. 20)

Essen und Trinken in der Kirche wird vor allem dort zum Problem, wo sich Marktstände in unmittelbarer Umgebung befinden. Cola: sollte genau so wie Eistüten, Pommes und Kaugummi draußen bleiben. Speisen und Getränke gibt es in der Kirche nur nach dem Gottesdienst, belehrt ein Kirchen-Knigge. Früher waren Genussmittel wie Kakao, Schnaps oder Tabak im Kirchenraum unerwünscht, aber üblich. Der steirische Dichter Peter Rosegger berichtet vom Schnupfen und Kauen des Tabaks. Der Vorarlberger Schriftsteller Michael Köhlmeier beschreibt eine fiktive Begebenheit: Zöglinge mussten in der Internatskapelle eine Nachtwache halten und vertrieben sich die Zeit mit Zigarettenrauchen. Um den Geruch zu neutralisieren, verbrannten sie Unmengen von Weihrauch.

Die Liste ungebührlichen Verhaltens lässt sich lange fortsetzen. Dazu zählen absichtliches Verunreinigen, Betteln und Handeln oder Scherze von Kindern und Jugendlichen. Um den Missständen Herr zu werden, gab es eigene Ordnungsdienste, wie Kirchenschweizer, Hundepeitscher oder Kirchenrüger. Unter Kaiser Joseph II. waren Polizeibeamte im Einsatz. Auch das Benehmen im Gottesdienst unterlag landesfürstlicher Polizeiordnung. Der Empfang der Sakramente wurde urgiert, die Beichtväter hatten Säumige aufzuzeichnen und dem Hof zu berichten, wie Paul Michael Zulehner schrieb. Franz I. ordnete an, dass die Beamten an Sonn- und Feiertagen den Gottesdiensten der Hauptpfarre an einem für sie bestimmten Platz "mit Andacht und Erbauung beiwohnen sollten", um dem Volk ein Vorbild zu sein. Allerdings war oft das Gegenteil der Fall. Ein Dechant beschwerte sich, dass es wegen deren Schwätzen und Lachen besser sei, sie würden dem Gottesdienst fernbleiben. Die Ordinariate wiederum hatten die Aufgabe, streng zu überwachen, ob die Beamten ihrer Pflicht-Andacht auch nachkommen …, schreibt Guido Fuchs, der seine unkonventionelle Kirchengeschichte mit zahlreichen Details historischer Gemälde belegt und illustriert.

hmw