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Ingrid Holzschuh, Sabine Plakolm-Forsthuber (Hg.): Wiener Wall Street#

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Ingrid Holzschuh, Sabine Plakolm-Forsthuber (Hg.): Wiener Wall Street. Ein Architekturführer durch das historische Bankenviertel. StudienVerlag Innsbruck. 178 S., ill., 24,90 €

Der plakative Buchtitel Wiener Wall Street verspricht nicht zu viel. Im 19. und 20. Jahrhundert entstanden in der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt eine Reihe repräsentativer Bank- und Börsebauten. Besonders um die Jahrhundertwende transformierten sie die City zu einem Finanzzentrum und prägen bis heute, wenn auch umgenutzt, das Stadtbild. Der informative Architekturführer ist der erste seiner Art. Er bietet eine topografische und architekturhistorische Gesamtdokumentation der Bank- und Börsebauten der Inneren Stadt Wiens und vermittelt. die einzigartige Baugeschichte des Wiener Finanzviertels in einem größeren Zusammenhang. Pläne, historische und aktuelle Fotos ergänzen die kompetenten Texte. Das Buch ist das Ergebnis zweier Seminare, am Institut für Kunstgeschichte an der Technischen Universität Wien und am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien. Dabei standen den Studierenden die originalen Baupläne zur Verfügung.

Das ehemalige Wiener Finanzzentrum entstand ab 1821 und erlangte bis zum Ende der Habsburgermonarchie internationale Bedeutung. Ausgehend vom Neubau der Privilegierten Oesterreichischen National-Bank in der Herrengasse / Ecke Bankgasse galt die Zone um die Freyung bis zum Platz Am Hof als favorisierter Bankenstandort, schreibt die Kunsthistorikerin Univ. Prof. Sabine Plakolm-Forsthuber. In der architekturhistorischen Einleitung stellt sie fest, dass Bankenbauten eine relativ junge Bautypologie darstellen - der erste entstand 1694 für die Bank of England. Die Wiener Bankpaläste zeichnen sich durch charakteristische Elemente aus, wie markante Portale. Bei Eckbauten platzierten die Architekten Portale gerne an dieser exponierten Stelle, so etwa an der k. k. Priv. Allgemeinen Verkehrsbank oder der allgemeinen Depositenbank. Die Ecke wurde eigens betont, entweder durch einen Eckturm oder durch einen Skulpturenschmuck am Dach. Herzstück des Bankgebäudes war die Kassenhalle - mit Glasdach oder Glaskuppel - für die Kundenschalter. Das Highlight unter den Wiener Kassensälen ist jener in der Postsparkasse Otto Wagners. … Eine korbbogenartige Glastonne überspannt das Mittelschiff, abgeschrägte Dächer die Seitenschiffe. … Mit dem "Zitat einer Maschinenhalle" hat Wagner dem ebenso mysteriösen wie nüchternen Geldgeschäft raumkünstlerisch Ausdruck verliehen. Auch von der "Sakralität" des dreischiffigen Kassensaals war die Rede. Die in der Beletage gelegenen Direktionsräume, die über eigene Treppen, Zugänge oder Aufzüge verfügten, waren aufwändig ausgestattet. Mit edlem Holz, Onyx, Alabaster oder Marmor verkleidete boten sie einen adäquaten Rahmen für Besprechungen und Bankgeschäfte. Souterraingeschoße und Keller entsprachen damaligen Hochsicherheitsanlagen. Auch bei der Bautechnik legte man auf die Erfüllung höchster Ansprüche Wert. Das Kapital war vorhanden.

Es verwundert nicht, dass sich prominente Architekten auf die neue Bauaufgabe spezialisierten, wie Ludwig Förster und sein Sohn Emil Förster. Zu dessen Werke zählen neben zahlreichen Wohn- und öffentlichen Bauten drei Wiener Banken, der Wiener Giro- und Kassenverein (Rockhgasse 4), die k. k. priv. Allgemeine Österreichische Boden-Credit-Anstalt (Teinfaltstraße 8-10) und die Allgemeine Depositenbank (Schottengase 1). Der renommierte Theophil Hansen konnte den Wettbewerb zur Börse (Schottenring 16) Afür sich entscheiden. Nach Heinrich von Ferstel wurde später das "Palais" benannt, das er an der markanten Ecke Freyung / Herrengasse für die Privilegierte Oesterreichische National-Bank plante. 1859 fertig gestellt, enthielt das Gebäude neben der Bank Räumlichkeiten für die Börse, ein Café und einen Bazar. Ferstels Assistent Carl König, ein Hauptvertreter des Neobarock, gewann den Wettbewerb für die Landwirtschaftliche Produktenbörse (2, Taborstraße 10). Otto Wagner verdankt Wien zwei Hauptwerke des Bankenbaus, die Postsparkasse (Georg-Coch-Platz) und die k. k. priv. Österreichische Länderbank (Hohenstaufengasse 3). Zu seinen Schülern und Ateliermitarbeitern zählten Emil Hoppe, Otto Schönthal und Marcel Kammerer, deren Ateliergemeinschaft die Centralbank der deutschen Sparkassen (Am Hof 3-4) errichtete, sowie Franz Krásny. Ein Wagner-Schüler war auch Leopold Bauer, der vom Kaiserhaus den Auftrag für die Oesterreichisch- ungarische Bank (Otto-Wagner-Platz 3) erhielt. Die Nationalbank ist, nach dem Ende der Monarchie, nur als Teil seines in traditionellen Formen geplanten Großprojekts realisiert worden. Ein erfolgreiches Architektenduos waren die international tätigen Ernst Gotthilf und Alexander Neumann. Ihr erster gemeinsamer Bankenbau war der Wiener Bank-Verein (Schottengasse 6-8). Gerade dieses Gebäude stand in letzter Zeit im Zentrum des Interesses. Erst seit 2018 teilweise denkmalgeschützt, wurde es zu einem Musterbeispiel für eine "sensible Umnutzung". Qualitätvoll restauriert, beherbergt die Kassenhalle seit kurzem einen Lebensmittelmarkt.

Es zeichnet das Buch aus, dass neben Informationen über die Gebäude in ihrem historischen Kontext, Architekten, Details usw. auch die aktuelle Verwendung beschrieben wird. Darunter befinden sich Büros, Luxushotels, Veranstaltungslocations, Geschäftslokale, Wohnungen, Ämter und universitäre Nutzungen. Mit dem handlichen Architekturführer ist es den Herausgeberinnen und den Studierenden, von denen die 20 Beiträge stammen, gelungen, Glanzstücke aus vergangener Zeit ins Gedächtnis zu rufen. Die aktuellen Fotos von Wolfgang Thaler und Helmut Lackner rücken sie ins rechte Licht. Am besten, man wandert, mit dem Buch in der Hand durch die Wiener Wall Street. Pläne erleichtern die Orientierung und überraschende Einblicke sind garantiert.

hmw