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Monika Kiegler-Griensteidl - Patrick Poch: Des Kaisers schönste Tiere#

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Monika Kiegler-Griensteidl - Patrick Poch: Des Kaisers schönste Tiere. Bilder aus den habsburgischen Sammungen. Österreichische Nationalbibliothek, Verlag Kremayr & Scheriau Wien .256 S., ill., € 29,90

Die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) zeigt von März bis Juni 2022 im Prunksaal einen eher unbekannten Schatz: Tierbilder des Kaiserhauses aus fünf Jahrhunderten. Das Begleitbuch stellt 190 Highlights in großformatigen Farbtafeln vor. Das Themenspektrum der 13 Essays bezieht sich nicht nur auf diese faszinierenden Bilder, und zoologische Sammlungen in Wien. Es umfasst auch Überlegungen über Die Tiere der Mächtigen, Die Funktionen von Tierbildern für ihre Auftraggeber, die Elefanten des Kaiserhauses, Wandermenagerien und Tiere in der Satire.

Die meisten "Modelle" der Tiermaler stammten aus dem kaiserlichen Naturalienkabinett, dem Vorläufer des Naturhistorischen Museums oder dem Schönbrunner Zoo, heute der älteste bestehende Tiergarten der Welt. Als Maria Theresia (1717-1780) und ihr Gemahl Franz Stephan von Lothringen (1708-1765) in Wien einen botanischen Garten und eine Menagerie planten, sandten sie zwischen 1754 und 1788 drei Expeditionen nach Amerika und in die Karibik. Die erste stand unter der wissenschaftlichen Leitung des Botanikers Nikolaus Joseph Jacquin (1727-1817). Er erwies sich als Organisationstalent. Nach fünf Jahren kamen farbenprächtige tropische Vögel, aber auch Säugetiere wie Fuchs, Opossum und Puma in Schönbrunn an.

Von besonderer Bedeutung war eine spätere Forschungsreise, die untrennbar mit dem Namen des Zoologen Johann Natterer (1787 -1843) verbunden ist. Er war der Sohn des letzten kaiserlichen Falkners in Laxenburg, Joseph Natterer sen. (1755-1823) und Bruder des Kustos im Naturalienkabinett, Joseph Natterer jun. Den Anstoß zur Expedition nach Brasilien bot 1817 die Heirat der Erzherzogin Maria Leopoldine (1797-1826) mit dem portugiesischen Thronfolger Dom Pedro. Nach dem Willen des Brautvaters, Kaiser Franz II/I, (1768-1835) sollten sie Naturforscher und Maler auf der Fregatte Augusta begleiten, um Exponate für das Naturalienkabinett zu beschaffen. Das Unternehmen begann mit großem Enthusiasmus, aber auch Schwierigkeiten. Bei einem Unwetter verlor die "Augusta" ihre Masten. Unter den Teilnehmern kam es zu Unstimmigkeiten, bald traten einie und der Expedidionsleiter die Rückreise an. Nur Natterer blieb - bis 1836 - in Brasilien. Er sandte und brachte unter anderem mehr als 12.000 Vögel und 24.000 Insekten nach Wien. Seine mehr als 2000 Objekte aus 70 Ethnien gehören heute zu den wichtigsten Sammlungen des Weltmuseums und zählen weltweit zu den bedeutendsten ihrer Art. Es waren viel zu viele Exponate für das Naturalienkabinett, sodass im Palais Harrach in der Johannesgasse provisorisch ein eigenes Museum eingerichtet wurde. Das Brasilianum bestand nur 15 Jahre. Nach dem Tod Kaiser Franz II/I., der die Expedition initiiert hatte, wurde es aufgelöst. Im folgenden Jahr kehrte Johann Natterer nach Wien zurück. Mit ihm kamen seine brasilianische Ehefrau Maria do Rego (1807 - 1837). und ihre drei Kinder. Doch erlagen sie und die beiden jüngeren Kinder dem ungewohnten Klima. Die älteste Tochter Gertrud Natterer (1832 - 1895) überlebte ihre Eltern. Schon als Zehnjährige Vollwaise, ehelichte sie 1851 den Conchyliologen und Ministerialsekretär Julius Freiherr Schröckinger von Neudenberg (1814 - 1882).

Das kaiserlich-königliche Naturalienkabinett befand sich vorerst in neun Räumen im Augustinertrakt der Hofburg auf dem Josephsplatz und wurde in der Revolution 1848 in Brand geschossen. Im Begleitbuch zur Ausstellung widmet ihm die Historikerin Gabriele Mauthe einen aufschlussreichen Artikel, der mit einem Plan und interessanten Illustrationen versehen ist. Wie beim Schönbrunner Tiergarten legte Kaiser Franz Stephan den Grundstein für diese Institution der Naturwissenschaften. Er investierte viel in seine Privatsammlung. Maria Theresia machte sie einmal wöchentlich öffentlich zugänglich. Franz II/I. kaufte von Joseph Natterer sen. dessen Sammlung von Säugetieren und Vögeln und stellte ihn im Naturalienkabinett an. Das erste zoologische Museum Wiens dürfte einen "wildromantischen Anblick" geboten haben. 1806 übernahm der Arzt Carl von Schreibers (1775-1852) die Leitung des "Vereinigten Naturalien-, physikalischen und astronomischen Kabinetts“, das sich unter seiner Leitung zu einer der bedeutendsten wissenschaftlichen Institutionen entwickelte. "Schreiber vollzog nun mit Vater und Sohn Natterer Joseph Natterer sen. und Joseph Natterer jun. eine Neuaufstellung nach streng wissenschaftlichen Prinzipien" und errichtete einen Zubau für die öffentlich zugängliche Sammlung. 1842 war die Neuaufstellung des Museums abgeschlossen, das jährlich 20.000 Besucher verzeichnete. Der "Blumenkaiser" Franz II/I. engagierte sch nicht nur für das Naturalienkabinett und die Gartenkunst. Er hatte auch bis zu seinem Ableben nächst seiner Wohn- und Arbeitsräume einen kleinen Tiergarten im Burggarten. Etliche Papageien, Affen und andere Tiere stammten von der Brasilienexpedition. Einer der 15 Affen soll in ein Zimmer der Kaiserin eingedrungen sein und es verwüstet haben. Nachdem das Tier einen Diener in die Hand gebissen hatte, war dieser monatelang arbeitsunfähig. Als sein Leibarzt dem Kaiser danach vorschlug, die Menagerie aufzulassen, erfuhr er schroffe Ablehnung.

So wie die Ausstellung im Prunksaal er ÖNB der Öffentlichkeit bisher großteils unbekannte Schätze zeigt, bringt das Begleitbuch neueste Forschungen. Erst vor einigen Jahren entdeckte und inventarisierte man 124 Holzkassetten mit 10.000 höchst qualitätvollen Aquarellen aus dem Besitz Kaiser Ferdinand I. (1793-1875). Sie entstanden nach Tierpräparaten des Naturalienkabinetts. Dessen Direktor, Carl von Schreibers, betrieb mit dem Monarchen naturwissenschaftlichen Studien und brachte ihm die Bilder mit. Manche Maler blieben unbekannt, doch finden sich auch Meister wie Eduard Gurk (1801-1841) oder Bernhard von Schrötter (1772-1842) unter den Künstlern. Gurk schuf u. a. Aquarelle für Ferdinands berühmte Serie von Guckkastenbildern. Schrötter war ein in der Wiener Gesellschaft gefragter Portraitmaler und Lithograph.

Monika Kiegler-Griensteidl und Patrick Poch machen als Herausgeber des faszinierenden Buches neugierig auf Lektüre und Ausstellungsbesuch: Man begegnet treuherzigen Schoßhündchen auf goldbestickten Kissen, stolzen Leibreitpferden, edlen Papageien auf goldenen Sitzstangen, exotischen Wildtieren der kaiserlichen Menagerien … Anhand von zeitgenössischen Beschriftungen und Quellen lassen sich viele der Tierschicksale historisch nachvollziehen. Und einige der Tiere kann man sogar noch heute im Naturhistorischen Museum besuchen.

hmw