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Kurt Kotrschal: Der Wolf und wir#

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Kurt Kotrschal: Der Wolf und wir. Wie aus ihm unser erstes Haustier wurde - und warum seine Rückkehr Chancen bietet. Brandstätter Verlag Wien. 240 S., ill., € 25 --

Seit Jahrzehnten beschäftigt sich der Biologe em. Univ. Prof. Kurt Kotrschal mit Wölfen. Zuerst als Nachfolger von Konrad Lorenz im Institut Grünau im Almtal, seit 2010 als Leiter des Wolf Science Center in Ernstbrunn (Niederösterreich). Im dortigen 40.000 m² großen Wildpark stehen elf Wölfen in vier Rudeln 16.000 m² und zwölf Hunden 4.000 m² Freigelände zur Verfügung. Das Wolfsforschungszentrum erkundet Gemeinsamkeiten und Unterschiede der kognitiven und kooperativen Fähigkeiten dieser Tiere und ihre Jahrtausende alte Beziehung zu den Menschen. 2013 erschien Kotrschals - als Wissnschaftsbuch des Jahres ausgezeichnetes - Werk Wolf - Hund - Mensch. Seit damals hat sich viel geändert. Es war Zeit für ein neues Buch. Der Wolf und wir ist ebenso fesselnd, wie wissenschaftlich und leidenschaftlich geschrieben. Man lernt viel, ohne belehrt zu werden. Die zahlreichen Karten sind informativ und Fotos zeigen den diskreditierten "bösen Wolf" als sympathisches Geschöpf.

Der Autor zählt zu den weltweit renommiertesten Verhaltensforschern. Er schreibt: Meine Beziehung zu Wölfen entsprang der wissenschaftlichen Neugierde, wurde aber rasch persönlich, was selbst in der Wissenschaft nicht ‚falsch‘ sein muss. … Differenziertes Wissen zum Wesen der Wölfe erwirbt man im sozialen Umgang, nicht aber indem man sie aus der Ferne beobachtet oder gar auf sie schießt. In jüngster Zeit ist die Rückkehr der Wildtiere mit Konflikten und hitzigen Debatten über Gefahr und Abschuss verbunden. Kurt Kotrschal weiß hingegen: Der Schutz der Wölfe ist auch eine Chance, um die Biodiversitäts- und die Klimakrise zu überwinden.

Der Bestsellerautor gliedert das Buch in vier große Blöcke, zuerst Wölfe, Hunde und Menschen - eine lange Beziehungsgeschichte . Bereits vor 35.000 Jahren lebten die nomadischen Jäger und Sammler mit dem Wolf. Gemeinsam eroberten sie ihre Lebensräume. Mit der Sesshaftwerdung begann die Entfremdung. In der Antike und im Mittelalter blieb das Verhältnis ambivalent. Im christlichen Abendland wurde der mythenumwobene Beutegreifer zur Verkörperung des Bösen und des alten Heidentums. Als die Jagdwaffen präziser wurden, erreichte die Verfolgung im 19. Jahrhundert einen Höhepunkt.

Die Rückkehr der Wölfe: Chancen und Herausforderungen zeigt: In Europa ist die Entscheidung pro Wolf längst gefallen. Wir müssen daher nicht mehr darüber diskutieren, ob wir mit Wölfen leben wollen, sehr wohl aber darüber, wie das nachhaltig und konfliktarm gelingen kann. Interessant wäre zu wissen, wie viele dieser Tiere es in Europa gibt. Doch sie lassen sich nicht einfach zählen. Kurt Kotrschal schätzt zwischen 15.000 und 30.000 Wölfe, realistisch etwa 20.000. Die Anti-Wolf-Lobby - Bauern, Jäger, Landespolitiker - nennt höhere Zahlen. Wölfe überwinden in wenigen Tagen Entfernungen von mehreren hundert Kilometern. Bis zu 50 kommen im Jahr nach Österreich. Anders als hierzulande breitet sich die Population in Deutschland am schnellsten aus. Ein Großexperiment brachte einige wichtige Ergebnisse: Erstens zeigte sich, dass Wölfe wohl nicht so gefährlich sein können, wie manche annehmen. Sie sind von sich aus menschenscheu. Sie leben in der Regel nicht von Nutztieren, sondern von Schalenwild, und auch dieses rotten sie nicht aus. Herdenschutz mit Elektrozäunen wirkt effektiv.

Das dritte Kapitel beschreibt, Wie Wölfe zu Hunden wurden. Studien am Wolfsforschungszentrum in Ernstbrunn sprechen gegen eine einfache, allzu geradlinige Hundwerdung. Erst 2016 wurde das Rätsel mithilfe von DNA-Anaysen gelöst. Es bestätigte sich, dass Hunde mehrmals, sowohl im westlichen Eurasien, etwas später aber in einem großen Domestikationsereignis auch in Ostasien entstanden. … Daraus entstanden schließlich die Jagd- und Wachhundetypen von der Antike über das Mittelalter bis in die Neuzeit und durch das System der gezielten Zucht nach Rassestandards seit etwa 170 Jahren fast alle Hunderassen.

Der vierte Teil Zur Zukunft von Wölfen, Hunden und Menschen ist ein abschließender flammender Appell: Immer mehr Leute erkennen die Notwendigkeit der ökologischen Wende. Dazu gehört nicht zuletzt ein neues Verhältnis zu Wolf und Natur. Während die Wölfe eine respektvolle Naturbeziehung einmahnen, begleiten und unterstützen uns die Hunde in diesem allzu interessanten Zeitenwandel, beendet der Verhaltensbiologe und führende Wolfsforscher Kurt Kotrschal sein jüngstes Buch. Man sollte es unbedingt lesen.

hmw