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Marlies Dornig, Hans Petschar: Bild Macht Politik. Yoichi Okamoto #

Bild 'Dornig'

Marlies DORNIG, Hans PETSCHAR: Bild Macht Politik. Yoichi Okamoto Ikone der Nachkriegsfotografie. Residenz Verlag Salzburg. 256 S., ill., € 34,90

Yoichi Okamoto (1915–1985), kam im Frühjahr 1945 als Militärfotograf nach Europa und betreute bis 1954 in Österreich die Fotoabteilung des amerikanischen Informationsdienstes. Er dokumentierte das Leben nach dem Zweiten Weltkrieg, die Hoffnung der Menschen, den Wiederaufbau, Kunst und Kultur. Seine Schwarz-Weiß-Bilder prägten eine ganze Generation von FotografInnen. 2019 erwarb die Österreichische Nationalbibliothek den Nachlass, der mehr als 22. 000 Negative und 900 Originalprints umfasst. 2023/24 widmete ihm die ÖNB eine Sonderausstellung im Prunksaal. Sie wurde von Marlies Dornig und Hans Petschar kuratiert, die auch das vorliegende Buch herausgegeben haben.

Yoichi Okamoto, als Sohn japanischer Einwanderer in New York geboren, diente in der US-Armee. Seit 1948 leitete er die Bildabteilung des amerikanischen Informationsdienstes in Österreich (USIS). 1963 ernannte ihn Lyndon B. Johnson zum offiziellen Präsidentschaftsfotografen im Weißen Haus, der er bis 1969 blieb. Seine Jahre in Wien waren die entscheidenden der Vier-Mächte-Besatzung Österreichs. Darüber schreibt der amerikanische Historiker Günter Bischof: "Die amerikanische Besatzung wurde rasch zum führenden westlichen Besatzungselement. Die US-Armee schaffte Lebensmittel ins Land und garantierte damit das Überleben der hungernden Bevölkerung. … Die amerikanische Populärkultur erfreute sich vor allem bei der Jugend größter Beliebtheit. Jeans, Jazz und Coca Cola verbreiteten sich rasch unter den jungen Leuten. … Die 'Amerikanisierung' schritt in der Besatzungszeit rasch voran. Auch dieses Phänomen wurde von Okamoto und der Pictorial Section der United States Information Service (USIS) breitflächig dokumentiert." Zwischen 1945 und 1955 errichteten die Amerikaner zwölf Informationszentren in Österreichischen Städten. Schaufenster und 300 Zeitschriften machten den American Way of Life erstrebenswert. Allein 1950 besuchten 1,9 Millionen ÖsterreicherInnen die US Information Centers.

Auch amerikanische Hochkultur kam ins Land. Der Bildredakteur dokumentierte diese. 1952 bildete Wien die erste Station einer Europatournee, die das Ensemble der Oper "Porgy and Bess" weiter nach Berlin, London und Paris führte. Das Film- und Fotografenteam der USIS begleitete die KünstlerInnen, der Radiosender "Rot-Weiß-Rot" und der "Wiener Kurier" berichteten laufend. Die seit August 1945 erscheinende Zeitung war die meist gelesene des Landes, mit einer täglichen Auflage bis zu 300.000 Exemplaren. Seit 1948 enthielt sie eine wöchentliche Bildbeilage im Kupfertiefdruckverfahren. Die Fotos kamen von Okamotos USIS, die auch andere Medien unentgeltlich mit Material versorgte. Zu den "Ikonen" zählen Bilder wie "Wiener Sängerknaben beim Spiel im Schnee", "Tänzerinnen des Wiener Staatsopernballetts" oder "Nonnen mit Lichtern in der Hand beim Katholikentag 1952"

Die Kunsthistorikerinnen Marion Krammer und Margarethe Szeless erforschten den Einfluss des Besatzungsbeamten auf die österreichische Pressebildkultur: "Er setzte explizit auf die Ausbildung eines österreichischen Fotografenteams und leitete damit für die österreichische Pressefotografie einen Modernisierungsschub ein. Nicht zuletzt verstand Okamoto, es als loyaler, wenn auch durchaus eigenständiger Interpret der amerikanischen Kulturmission in Österreich, Pressefotografie als unverzichtbares Werkzeug der amerikanischen Bildpropaganda im Kalten Krieg einzusetzen." Eine von ihm inszenierte Aufnahme zeigt, wie im Atelier Seidengasse ein halbes Dutzend junger Fotografen ihre Objektive und Scheinwerfer auf ein unscheinbares Motiv richten. Es ist ein in Art des Smily bemaltes Ei. Er rekrutierte Berufseinsteiger und bildete sie aus. Die Pictorial Section stellte im Lauf der Jahre 19 von ihnen ein. Okamoto machte seine Mitarbeiter mit der modernen Life-Reportage vertraut und propagierte Human-Interest-Stories, die Einzelschicksale in den Fokus rückten. "Wir haben das Beste an moderner amerikanischer Fotoausrüstung zur Verfügung und beliefern den Wiener Kurier mit Bildern, die freie Fotografen erst gar nicht versuchen, z.B. Blitzlichtaufnahmen und Speed-Graphic-Kameras". Die Autorinnen bezeichnen den Lichtbildner als faszinierenden Lehrer, geschickten Netzwerker und umtriebiges Mitglied der Wiener Kunstszene. Die Galerie Würthle ehrte ihn 1954, kurz vor seinem Abschied aus Wien, mit einer Präsentation. Fotografie als Kunstform war damals international erst im Entstehen.

1963 bis 1969 fungierte Yoichi Okamoto als Fotograf des US-Präsidenten Lyndon B. Johnson ("LBJ"). "Indem er freie Hand hatte, Johnson sowohl in ungestellten Momenten als auch bei choreographierten Fototerminen zu fotografieren, vermochte er den amerikanischen Präsidenten so aufzunehmen, wie es noch kein Fotograf im Weißen Haus getan hatte. Die Bilder von LBJ sind durchdrungen von Emotion und Tiefe", schreibt Mark Atwood Lawrence, Historiker und Direktor der LBJ- Präsidential Library. Deren Kuratorin Beatrice Smith erinnert daran, wie der damalige Vizepräsident Berlin besuchte. Okamoto war einer von vielen, die das Ereignis festhielten. Bald nach der Rückkehr überreichte er dem Politiker ein Album von der Reise. Es dürfte LBJ beeindruckt haben, denn als er Präsident wurde, engagierte er Okamoto als offiziellen Fotografen für das Weiße Haus. Keine leichte Aufgabe, denn Johnson war eitel und erließ Vorschriften für Fotografen. Okamoto wusste selbst, wie er dem Präsidenten helfen konnte, zu den gewünschten Fotos zu kommen. Er war stets auf der Suche nach "dem wahrhaften Bild im entscheidenden Augenblick". LBJ durfte zufrieden sein. Dennoch entließ er 1964 seinen "Vollzeit-Privatfotografen" wegen der Kosten für das großzügig verwendete Filmmaterial (45 Rollen pro Woche, in einem Jahr 11.000 Bilder). Die First Lady war ein großer Fan Okamotos. Es ergaben sich immer mehr Anlässe, bei denen er für sie arbeiten sollte. LBJ bedauerte seinen Entschluss, zum 30. Hochzeitstag war Okamoto wieder im Weißen Haus aktiv. Es gibt die Anekdote, dass der Präsident seine Mitarbeiter gefragt hätte: "Wo ist Oke?" und sie antworteten "Sir, Sie haben ihn gefeuert." LBJ darauf: "Nun gut, dann holt ihn zurück."

Okamoto blieb Wien verbunden. 1982 kam er mit seiner Frau Paula, die er hier kennengelernt hatte, wieder, um eine Hommage an die Stadt zu schaffen. Es sollte "kein hübsches Buch sein, nicht in Farbe, sondern in Schwarz und Weiß. Ich möchte einen Bildband machen, der sich von den Touristenbüchern unterscheidet. … Ich versuche, die Seele und das Gesicht Wiens zu zeigen." Dafür holte er Künstler wie Arnulf Rainer, Hermann Nitsch oder Ernst Fuchs vor die Kamera. Die Veröffentlichung des Buches erlebte er nicht mehr. Seine Witwe brachte "Okamoto sieht Wien" 1987 posthum heraus. "Das Cover der Publikation zeigt eine Wien-Ansicht mit den Türmen des Stephansdoms, vom österreichischen Parlament aus aufgenommen. … Pallas Athene, die griechische Göttin der Weisheit, streckt der Stadt mit ihrer Rechten die Siegesgöttin Nike entgegen", schreibt Marlies Dornig. Es ist eines der vielschichtigen und faszinierendsten Bilder, die sie für die Ausstellung und das Buch ausgewählt hat. Mehr als 200 sind in der sehenswerten Publikation zu bewundern.

hmw