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Wolfgang PENSOLD: Die Geschichte des Kinos in Österreich#

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Wolfgang PENSOLD: Die Geschichte des Kinos in Österreich. Ein Spiel mit Licht und Schatten. Böhlau-Verlag Wien. 370 S., ill., € 45,-

Die Geschichte des Kinos reicht von bescheidenen Anfängen als Jahrmarktskuriosum bis zum führenden Massenmedium einer Epoche. Sie ist auch eine Geschichte des Publikums, der Unterhaltung und der Manipulation. "Die Geschichte von Kino und Film besteht in Wahrheit aus tausend Geschichten", weiß Wolfgang Pensold. Der Medienhistoriker ist als Kustos für historische Massenmedien im Technischen Museum Wien tätig.

Es war um die vorletzte Jahrhundertwende, "als die Bilder laufen lernten." Thomas Alva Edison, der berühmte amerikanische Erfinder des Phonographen, präsentierte den ersten "Kinetographen". Er produzierte die Filme selbst und baute Automaten, wo man sie gegen Münzeinwurf ansehen konnte. Die Projektion vor Publikum geht auf die nicht minder prominente französische Firma Lumière zurück. Erste Vorführungen ihres "Cinématographe" in Wien fanden 1896 statt. Rasch entdeckten fahrende Schausteller das neue Medium und brachten die Geräte mittels Pferdewagen zu ihrem Publikum. Auch im Wiener Prater gab es solche Schaubuden. Die "Seßhaftwerdung des Kinos" und das "bürgerliche Kinotheater" folgten in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts. Bald etablierte sich der Verband österreichischer Kinematographenbetreiber. Die Interessensvertretung der Kinobesitzer wollte sich auch um die kulturelle Entwicklung des Kinos kümmern, um dessen Image zu verbessern.

1909 spielten gut fünf Dutzend ständige Kinos in Wien, besonders in der City. Meist fassten sie 100 bis 200 Personen. Für den Ton zu den Stummfilme sorgten Grammophone, Musikautomaten, Pianisten oder Orchester. Die Produktion der Filme über Österreich waren anfangs in der Hand französischer Firmen, doch reüssierte bald die 1910 gegründete "Erste Österreichische Kinofilms-Industrie", aus der sich die Rosenhügel-Studios entwickelten. (Diesem Unternehmen, das im vorliegenden Buch zu kurz zu kommen scheint, widmete Uli Jürgens schon 2019 eine Publikation mit ähnlichem Titel, "Louise, Licht und Schatten" ). Die Eltern von Louise Veltee-Kolm-Fleck waren Inhaber des "Stadtpanoptikum" auf dem Kohlmarkt und betrieben dort eines der ersten Wiener Kinos. Die Firma von Anton und Louise Kolm, der zweiten Regisseurin weltweit, wollte im Sinne der französischen Filmkunstbewegung dem Kino gesellschaftliche Anerkennung verschaffen. "Man nimmt sich der volkstümlichen Literatur an, übernimmt mehr und mehr Inszenierungselemente vom Theater und engagiert professionelles Bühnenpersonal", schreibt Wolfgang Pensold.

Im Ersten Weltkrieg entstanden vorwiegend Filme von der Front, Kriegsdramen und Propagandafilme. Für die Soldaten errichtete man eigene Feldkinos. Nach Kriegsende sah sich die Branche "zwischen Niedergang und Neuanfang". Die gut gemeinte Idee, Kinolizenzen an Invalide zu vergeben, führte zu schwierigen Konkurrenzsituationen. Außerdem wirkte sich ab 1918 die neue Lustbarkeitssteuer negativ auf die Kinos aus.

Das zweite Drittel des Buches steht unter dem Motto "Die 1920er Jahre - die hohe Zeit des Kinos". Wien präsentierte sich als Filmstadt. Auf dem Laaer Berg wurden Monumentalfilme wie "Die Sklavenkönigin" gedreht. Filmzeitschriften entstanden, in denen sachliche Kritik Platz fand. In Amerika wurde der Film in erster Linie als Ware betrachtet. "Das bedeutet jedoch nicht, dass in den amerikanischen Studios keine ansprechenden Filme entstehen würden. Wie Leuchttürme ragen jene des britischen Schauspielers Charles Spencer Chaplin heraus, der in der Figur des Charlie Chaplin eine Ikone des Kinos erschafft." In der Sowjetunion postulierte Trotzki das proletarische Kino mit ideologisch adäquaten Inhalten. "Panzerkreuzer Potemkin" des jungen russischen Regisseurs Sergei M. Eisenstein wurde deshalb 1926 in Deutschland verboten.

Eine große Zäsur zeichnete sich in der Zwischenkriegszeit ab: "Von der Filmmusik zum Tonfilm". Nicht nur schöne Gesichter, sondern auch gute Stimmen waren gefragt. Bisherige Ausdrucksformen wurden in Frage gestellt. Die neue Technik erforderte hohe Investitionen. Das Schwedenkino zeigte als ersten echten Tonfilm das synchronisierte Südsee-Epos "Weiße Schatten" von Metro-Goldwyn-Mayer.

Der nächste Abschnitt, "Aufrüstung im Kino" behandelt "Kriegsrealismus gegen Kriegsmythos", "Wiener Film von Deutschlands Gnaden", "Österreich in Bild und Ton" und "Der gute Film" in den 1930er Jahren. In "Kino und Krieg" geht es dann um "Das Epos vom Dritten Reich" und "Krieg auf der Leinwand". "Im nationalsozialistischen Deutschland bemüht sich das Regime, … das Bild einer befriedeten Gesellschaft in Szene zu setzen." Über den ersten Parteitagsfilm von Leni Riefenstahl (1902-2003) schrieb der Reichspropagadaleiter Joseph Goebbels, er vermittle "den vielen Millionen deutscher Volksgenossen Ton und Bild dieses großen Ereignisses". Die Dreharbeiten gemahnten eher an einen Spielfilm als an eine Dokumentation. "Riefenstahl kann auf Brücken, Türme und Bahnen zurückgreifen, um besondere filmische Wirkungen zu erzielen. Vieles davon wird dank der Unterstützung der Stadt Nürnberg eigens für die Filmaufnahmen gebaut." Wikipedia nennt die Regisseurin und Produzentin "eine der umstrittensten Persönlichkeiten der Filmgeschichte". Bilder im Buch zeigen sie an Kameras mit riesigen Objektiven, die bedrohlich an Kanonen erinnern. Während dessen wurden Kinos "arisiert", viele Filmschaffende verloren ihre Existenzgrundlage.

Nach diesem, wohl düstersten, Kapitel der Filmgeschichte wendete sich das Blatt. Nach "Neuanfängen aus Ruinen" entstand der "Zweite Wiener Filmfrühling". Stichworte aus der Nachkriegszeit: "Heiliges Österreich", "Zwischen den Zonen", "Amtliche Filmkultur, "Schatten der Vergangenheit", "Der deutsche Markt", "Austria Wochenschau". Wieder erlebte die Medienwelt einen folgenschweren Einschnitt: "Das Heimkino kommt". Die erste österreichische Fernsehsendung fand trotz Verbotes der Alliierten am 29. Februar 1952 statt und dauerte nur wenige Minuten. Noch gab es 1100 Kinos in Österreich, die von den Zuschauern durchschnittlich 13 Mal im Jahr besucht wurden. Aus Amerika kamen technische Innovationen wie der Farbfilm oder das breitformatige Cinemascope-Verfahren. Nostalgische Produktionen wie "Deutschmeister", mit Musik von Robert Stolz, und die Erfolgsserie "Sissi" von Ernst Marischka trafen den Publikumsgeschmack. Doch schon bald übernahm das Fernsehen die Funktion, die breite Bevölkerung an der elitären Kultur, aber auch Sport- und anderen Großereignissen teilhaben zu lassen". Apparate in Café- und Gasthäusern lockten Gäste an. Die Filmproduktion war stark rückläufig. "Ende 1970 haben von den mehr als 1200 ehemals in Österreich spielenden Kinos bereits 500 geschlossen. Zehn Jahre später sind keine 500 mehr in Betrieb. Das Kino ist tot! Es lebe das Kino! Ein völlig anderes Kino allerdings. … Eine neue Zeit bricht an." So beendet Wolfgang Pensold seine Geschichte des Kinos in Österreich.

Das Schlusswort überlässt er Klaus Vögl. Der Historiker und auf Veranstaltungsrecht spezialisierte Jurist war mehr als vier Jahrzehnte in der Wirtschaftskammer Wien tätig. Als Geschäftsführer der Fachgruppe Freizeit- und Sportbetriebe gehörten Lichtspieltheater und Audiovisionsbetriebe zu seinem Verantwortungsbereich. Der Experte beschreibt "Kino im Umfeld der Neuen Medien 1970 bis 2023". Als Etappen der Entwicklung bis in die Gegenwart nennt er "Das Kinosterben geht weiter", "Kinocenter - Kinorenaissance", "Programm- und Spezialkinos", "Digitalisierung", "Überlebensstrategien" und "Das neue Medienumfeld". Klaus Vögl schließt seinen Epilog: "Das Kino ist nicht tot. … Das Kino bleibt, auch wenn das Umfeld zunehmend schwieriger wird."

hmw