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Wo der Gleisbach in die Raab mündet
Wo der Gleisbach in die Raab mündet

Die Matrix der Gewässer#

(Einige Anmerkungen über Flüsse III)#

Von Martin Krusche#

So hatte ich das bisher noch nicht gesehen: „Die Flußknotenlage von Gleisdorf...“ (Helmut Riedl). Ich habe aktuell zwei Projekte in Arbeit, die mich dazu brachten, genauer hinzusehen, was Bäche, Flüsse, Teiche und Tümpel für unser Leben bedeuten. Bei „Die Natur Mensch. Eine Annäherung.“ liegt da im Augenblick der Fokus auf Elektrizität, die bis heute eng mit dem Thema Wasserkraft verbunden ist. Das betrifft die Feistritz, für den Gleisdorfer Energieversorger namensgebend: Feistritzwerke.

Außerdem liegt Gleisdorf direkt an der Raab, wohin unter anderem der Gleisbach mündet. Bei „Der milder Leviathan“ geht es um die „Mutter der Industrie“, also um das Thema Textilfabriken; hier konkret im oststeirischen Neudau, nahe des alten Grenzflusses Lafnitz.

Nun, einige Gespräche später, bin ich einerseits rausgegangen, ins Kraut gestiegen, hab mir ein paar markante Stellen angesehen. Andrerseits hab ich mit einer Literaturrecherche begonnen, denn was ich ich zu verstehen meine, wirft dauernd nächste Fragen auf.

So verdichten sich manchmal Themen geradezu in Sprüngen. Am 30. November 2022 hatte ich meine Session mit Künstlerin Monika Lafer im Verwaltungsgebäude der Feistritzwerke. Neue Eindrücke, denn in so einer Situation sieht alles anders aus als in den Tagen davor, als man mit dem Werden der Ausstellung befaßt war. Und schließlich nächste Gespräche.

Am 1. Dezember 2022 saß ich im Büro von Fotograf Richard Mayr und wir kamen überein, daß wir uns ins kommende Jahr hinein die Raab gründlicher vornehmen wollen. Eine Erkundung. Zugleich wurde mir klar, daß ich eigentlich beim Gleisbach beginnen könnte, diese Dinge näher zu betrachten. Er liegt ja gewissermaßen vor meiner Haustür.

Der Gleisdorfer Kirchriegel, amtlich: Terassensporn
Der Gleisdorfer Kirchriegel, amtlich: Terassensporn

Der Gleisbach entspringt in Gamling, nahe dem Bergwirt, den ich gerne besuche. Er mündet bei der Anlage des Abwasserverbandes in die Raab; etwas oberhalb der Stelle, wo ich mir jüngst die neue Fußgängerbrücke nach Urscha genauer angesehen hab. Es ist ein Gebiet südlich der Glieder-Wehr, deren Kleinkraftwerk eben erneuert wurde.

Begriffe und Zusammenhänge#

In wissenschaftlichen Diskurse taucht die Annahme auf, daß Gleisdorf einst nicht aufgrund von „Verkehsrgunst“ gegründet wurde, sondern weil sich diese Lage gut verteidigen ließ. Das meint, es seien vermutlich nicht bewährte Handelswege der Grund gewesen, den Ort zu beleben, sondern die strategisch vorteilhafte Position. Dabei spielt der Gleisbach eine wichtige Rolle.

Was wir heute Kirchriegel nennen, heißt beim Fachmann Terassensporn. Das betrifft eine „bis zu 20 m über der Raab liegenden Terrassenflur“ (Helmut Riedl), auf der eben der Kirchriegel herausragt. Ich lerne da neue Begriff kennen: „ Die staublehmbedeckte Schotterterrasse wird nordöstlich des Friedhofes durch das Einlenken der Gleisbachmulde in die große Raabfurche spornartig zugeschnitten und in der Höhe erniedrigt. Wird dieser Terrassensporn einerseits von den Muldentalhängen des Gleisbaches begrenzt, so hebt sich gegen Westen in Richtung zum Raabtalboden die Terrassenstirn von einer bis zu 300 m breiten, vernäßten Muldenzone des Haupttalbodens ab,...“ Diese eingangs erwähnte Flußknotenlage von Gleisdorf zeigt eine weitere Besonderheit dieses Raumes. Riedl: „Die Straßen folgten größtenteils nicht den Tälern. Die Riesstraße nützte nicht das Rabnitztal, die Rittscheinstraße mußte notgedrungen die Raabüberquerung in Kauf nehmen und läßt sich in ihrem geraden Verlauf kaum beirren. Das Raabtal bildete kaum eine Leitlinie des römerzeitlichen Verkehrs nördlich des Knies.“ Das unterstreicht die Bedeutung von Brücken und Stegen.

Fotograf Richard Mayr mit einem alten Nachschlagwerk
Fotograf Richard Mayr mit einem alten Nachschlagwerk

Um die Topographie Gleisdorfs und den vielfältigen Nutzen von Wasser besser zu verstehen, mag diese Schilderung helfen: „Wenn auch die Gleisdorfer Ausgrabungen bis jetzt noch keine Wehranlage aufgedeckt haben, so darf die morphologische Lage der vorrömisch-römischen Siedlung in ihrer Schutzhaften Wertigkeit nicht unterschätzt werden. Die Begrenzung der Siedlung im Westen durch den Hang der ca. 15 m hohen steilen Terrassenstirn zum Raabtalboden, der gerade in diesem Abschnitt eine ca. 1,5 km lange und bis zu 300 m breite muldenartige Vernässungszone ausgezeichnet wird, die noch 400 m weit vom offenen Gerinne der Raab legen ist, schafft zusammen mit der östlichen Abgliederung der Terrassenfläche durch die venäßte Gleisbachmulde den Charakter der Schutzhaftigkeit.“ (Dazu muß man wissen, daß es im Falle eines anrückenden Aggressors strategische Vorteile ergibt, wenn man ein Vorfeld hat, das man fluten oder wenigstens durchnässen kann, um so den Feind zu bremsen oder sogar aufzuhalten).

Komplexität#

Was dann die Kirchengründung angeht, welche spezielle Bedeutung hat, vor allem auch gegenüber dem nahen St. Ruprecht, werde ich später noch auf die „Die ecclesia Rabe“ (Hans Pirchegger) zurückkommen. Vorerst lerne ich noch, etwas besser zu verstehen, was genau die Matrix der Gewässer ist und bedeutet, der ich aktuell auf der Spur bin.

Was freilich schon jetzt deutlich hervortritt: wir haben Zusammenhänge zu verstehen, die Siedlungswesen und Energie betreffen, Transportwesen und Mobilität, Kommunikation und Wissenstransfer, wobei all das mit einer Natur vereinbar bleiben muß, mit der wir bekanntermaßen nicht verhandeln können. Und das im langsamen Begreifen, daß die Dampfmaschinenmoderne geendet hat, daß wir uns mitten in der Vierten Industriellen Revolution befinden, von der viele Menschen noch nicht einmal sagen könnten, was dieser Begriff bezeichnet.