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Lateinerbrücke#

(Ein hochrangiges Mahnmal)#

Von Martin Krusche#

Etwa 1565 soll die damalige Holzbrücke durch eine Steinbrücke ersetzt worden sein. Ich hab bisher keine andere Brücke je so neugierig und bewegt betreten. Ich denke, keine andere Brücke steht so sehr für Österreichs Umbrüche im 20. Jahrhundert. Sie befindet sich allerdings ein Stück südlicher von unseren Gefielden.

Die Lateinerbrücke spannt sich über die Miljacka, wo dieser Fluß - keine 40 Kilometer lang – von der Obala Kulina Bana begleitet wird. Die Uferstraße ist Ban Kulin gewidmet, der als Gründer des bosnischen Staates gilt. (Es gibt eine Redensart: „Od Kulina bana i dobrijeh dana“. Das bedeutet etwa: „Ab Ban Kulin zu besseren Tagen.“) Den Namen hat die Brücke, weil sie einst ein von Katholiken bewohntes Viertel mit einer Kirche verband.

Damit sollte nun klar sein, die Rede ist von Sarajevo und von seinem Zentrum. Wenn „Die Schüsse von Sarajevo“ zur Sprache kommen, dann ist örtlich die Lateinerbrücke gemeint, in deren Nähe Gavro Princip auf Franz Ferdinand und seine Frau Sophie von Chotek geschossen hat. Das war nur durch Zufall möglich geworden, weil der überaus ehrgeizige Statthalter Oskar Potiorek, damals Landes-Chef der Provinzen Bosnien und Herzegowina, in seiner brüllenden Inkompetenz einen Fehler nach dem anderen begangen hatte.

So war der Fahrer im Gräf und Stift des Grafen Harrach nicht über den geänderten Routenplan informiert worden und lieferte seine hochrangigen Fahrgäste versehentlich dem Attentäter aus. Als er merkte, daß etwas falsch lief, und mit dem Wagen zurücksetzte, nutzte Princip die Gelegenheit, nachdem er eigentlich seine Chance auf einen Anschlag schon aufgegeben hatte.

Das war dann für Österreichs Stabs-Chef Conrad von Hötzendorf ein willkommener Anlaß, seinen ersehnten Schlag gegen Serbien in Gang zu bringen. Der sollte ursprünglich ein zeitlich und regional begrenzter Krieg werden, um Österreichs koloniale Interessen auf dem Balken voranzubringen. Aber die famosen Aristokraten hatten völlig falsch eingeschätzt, was die Interessen anderer Staaten bezüglich dieser Region anging.

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Dazu kam der generelle Umbruch, in dem etliche Dynastien die politische Bühne Europas verlassen mußten oder wenigstens an ihren Rand gedrängt. Außerdem waren österreichische Militärs dem Kräftespiel, das die Politik entfacht hatte, in keiner Weise gewachsen. Die Latinska ćuprija, aber auch Principov most (Princip-Brücke), ist also ein Monument des umfassenden Versagens österreichischer Eliten in einem drastischen Veränderungsprozeß Europas. (Mit Ćuprija und Most wird von den südslawischen Leuten gleichermaßen Brücke gesagt.) Sie ist gewissermaßen auch ein Mahnmal bezüglich der Schönfärberei, die sich etliche unserer Leute bis heute gönnen, um Österreichs Rolle in diese „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts etwas zurechtzubiegen.

Faktum ist, daß Serbien damals das gestellte Ultimatum Österreichs umfassen erfüllt hat, jene Punkte ausgenommen, die kein souveräner Staat Europas hätte akzeptieren können. Das war für Österreich bloß ein Vorwand, sein Territorium auf die vormals „Europäische Türkei“ auszudehnen.



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