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Episode XIII: Mai acht, Srebrenica#

(Ich hab keine Ratschläge vorrätig)#

Von Martin Krusche#

Es entfaltet sich wie erwartet: komplex. Zu diesem Thema muß ich das Episoden-Konzept, wie es seit einem Jahr besteht, aufbrechen. Ich habe eben erst notiert: „Dieses Nachdenken über den 8. Mai 1945, es schien mir absehbar, daß es komplex werden würde. (Die russische Aggression gegen die Ukraine ist dabei nur ein Aspekt davon.)“ Außerdem: „Ich hatte zuerst zwei Fotos von meiner Fahrt nach Srebrenica ins Auge gefaßt. Es schien mir dann aber für diese Position doch zu unpassend. Schließlich habe ich eine Collage von Graphic Novelist aus dem Archiv gezogen…“ Die Quelle: Auslage in Arbeit (Das Banzai Baby eingeparkt…)

Nun eine andere Erzählung, ein kleiner Rückblick, und darin der Satz: „Uns geht es mit den Spuren aus der osmanischen Kultur nicht anders. Wie gerne wird angenommen, was wir sind, seien wir ganz aus Eigenem; so als wäre es überhaupt denkbar, daß einem ohne die Vorleistungen anderer Leute auch nur irgendetwas gelingt. (Selbstverständlich denke ich in diesen Tagen Sarajevo und Mariupol zusammen!)“ Ein Zitat aus: „Marrakesch“ (Szenen von einem Erinnerungsort)

Ich habe aus meinem Archiv drei Fotos von jener Balkan-Reise herausgenommen. Mein Atmen verändert sich schlagartig, wenn ich in diese Themen hineingehe. Diese Routen. Am Wegesrand das Mahnmal von Jasenovac, eine wuchtige Betonskulptur auf freiem Feld, schon aus großer Distanz sichtbar. Die Erinnerung an eine Konzentrationslager des Zweiten Weltkrieges, von kroatischen Ustaschen eingerichtet und betrieben. Dort sind sehr viele serbische Leute umgebracht wurden.

Der beschädigte Wasserturm von Vukovar, wo in den 1990ern serbische Einheiten ein Massaker an kroatischen Leuten begangen haben. Schließlich die schmale Straße nach Srebrenica, auf der tausende bosnische Männer von einer serbischen Soldateska in den Tod verschleppt wurden. Dazu natürlich die Gedanken an Sarajevo, an die brennende Vijećnica, die Nationalbibliothek Bosniens. Ethnische Säuberungen zielen nie bloß auf Menschen, sondern stets auch auf das geistige Leben einer Ethnie, auf ihre Archive des Wissens.

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Wie könnte ich also nun nicht an Mariupol denken? Dugin, Putin und Konsorten haben keinen Zweifel daran gelassen, daß sie die ukrainischen Leute als Ethnie löschen wollen, denn das seien alles ohnehin bloß eine Art abtrünnige Russen.

Wir sorgen nun gerade um steigende Energiekosten, dürfen annehmen, daß dank der russischen Aggression auch andere Güter teurer werden. Ich höre und lese allerhand kühne Empfehlungen für die ukrainischen Leute, etwas jene, sie mögen ihre Waffen niederlegen, die Okkupation und die ethnische Säuberung hinnehmen, wie auch anderen Nationen empfohlen wird, keine Waffen mehr zu liefern, der Rüstungsindustrie keine Umsatzsteigerungen zu ermöglichen.

Ich hab dagegen keinen Rat für die ukrainischen Leute, mag mir so eine Anmaßung nicht erlauben. Ich sehe mich völlig ausgelastet und gut beschäftigt, diese Aspekte zusammenzudenken, um zu klären, was das für uns bedeutet, für unser Gemeinwesen, für unser politisches Engagement, für unseren Dialog mit Politik und Verwaltung. Welche Aspekte? Jene: Verdun, Auschwitz, Srebrenica, Mariupol, der Faschismus steht wieder in Waffen.

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Das meint und betrifft ja Europa, jenes winzige Gärtlein am Rande des eurasischen Riesen, in dem Österreich ein Zwergenstaat ist. Wir haben zu tun; und zwar nach meiner Ansicht etwas anderes, als den ukrainischen Leuten Ratschläge zu erteilen.