!!!DER PEN-CLUB PRÄSIDENT



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Siegmund Salzmann der sich 1911 den Namen Felix Salten zulegte war von 1927 bis 1933 Präsident des Österreichischen PEN-Clubs.

1933:  Eine Anzahl von mehr  oder weniger hervorragenden Schriftstellern hatte vor kurzem die einzigartige Gelegenheit, für Zweck und Sinn ihrer Lebensarbeit zu demonstrieren.

In Ragusa versammelten sich die nationalen Sektionen des PEN- Clubs zu einer Tagung. Der PEN-Club  ist eine freie Vereinigung von Schriftstellern, bedeutende Persönlichkeiten der Literatur aller Sprachen gehören ihm an, wenn auch von seinen Mitgliedern viele, die  wahrhaft das Schrifttum ihres Landes repräsentieren....

Im Mai 1933 tagte nun in Ragusa  der internationale  PEN-Club Kongress, der auch von dem gleichgeschalteten Deutschland beschickt wurde. Die deutschen Schriftsteller hatten den Vorzug, in weitesten Kreisen der Literaten  und Schriftsteller völlig unbekannt zu sein. Dieses Versäumnis an dem sie selbst Schuld hatten, versuchten sie hier gutzumachen. Nicht dadurch, dass sie  so von heute auf morgen wertvolle Romane schreiben, sondern indem sie  die Präpotenz ihrer Auftraggeber übernehmen und dem Kongress präsentieren.

Die Herren hatten nämlich  die Courage, einem Kongress, der mit Standes- und Berufsfragen der Literaten und Schriftsteller befasst wird, zu erklären, dass sie Auftrag hätten, den Kongress sofort zu verlassen, wenn „über die inneren Verhältnisse Deutschlands gesprochen“ würde. Womit sie natürlich meinten, dass nicht gesprochen werden darf über die wirtschaftliche Ermordung deutscher Schriftsteller, wobei das Urteil darüber, wer ein deutscher Schriftsteller ist,  Analphabeten und Antoignoranten zugebilligt wurde.

Diesen gleichgeschalteten Dichtern ist man  die Antwort nicht schuldig geblieben. Seltsam bloß,  dass sich auch  der Vertreter des österreichischen PEN Clubs, Herr Felix Salten, auf den Standpunkt seiner gleichgeschalteten Kollegen stellte. Darüber ob Herr Salten ein Recht dazu  erteilt hat, wird noch zu sprechen sein, wenn die Delegation des österreichischen Schrifttums aus Ragusa in die Heimat zurückgekehrt sein werden.

In der heutigen Sitzung am 26.  Mai des PEN Clubkongresses kam es  zu einer stürmischen Aussprache über die Zustände in Deutschland. In der Vormittagssitzung stellte der  englische Delegierte Old den Antrag, den Völkerbund zu ersuchen, einen internationalen Schriftsteller Preis zu schaffen.

Die bulgarische Delegierte, Frau Gabe, plädierte für die Aufhebung der Vorzensur und für die Freiheit der Meinungsäußerung. Deutschland kam erst zur Diskussion, als über die Grundsätze und Ziele des PEN-Clubs gesprochen wurde.

Die amerikanische Delegation suchte von  vornherein zu vermitteln, indem sie  erklärte, politische  Gesichtspunkte müssten aus dem Spiel bleiben. Man könnte auch über die Verfehlung der deutschen Literatur sprechen,  ohne politisch zu werden.

Der deutsche Delegierte Schmidt-Pauli betonte,  die deutsche Delegation habe den Auftrag, eine Einmengung in innerdeutsche Angelegenheiten nicht zu  dulden. Seine Rede wurde durch stürmische Zwischenrufe unterbrochen. Namentlich  die französischen, belgischen und polnische Delegierten nahmen gegen die deutsche Erklärung Stellung.

Der belgische  Delegierte Thomas protestierte gegen die Maßnahmen der deutschen Regierung, die  die Freiheit des Schriftstellers unterbinden.

Der Schweizer Delegierte Schickelberger schloss sich der  deutschen Auffassung an und erklärte es für unzulässig, dass  sich die anders nationalen PEN Clubs in die deutschen Angelegenheiten einmengen. Dieser Auffassung schloss sich auch  der österreichische  Delegierte Felix Salten an. Er erklärte, dass er den  Standpunkt der deutschen Delegation voll teile.
 
Der italienische Delegierte Marinetti nahm gegen die Judenverfolgung in Deutschland Stellung und erklärte, dass in Italien Toleranz  gegenüber  allen Konfessionen strengst gehandhabt werde.

Der französische Delegierte Cremieux erklärte, dass der PEN-Club das einzige Ziel habe,  die Freiheit des literarischen Schaffens zu sichern. Es widerstrebt der Struktur des geistigen Menschen, wenn anderswo die physische und geistige Freiheit unterdrückt werde. Die Äußerungen des französischen Delegierten fanden  stürmischen Beifall.

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Der deutsche Delegierte Busch erhob sich  darauf und erklärte, die deutsche Delegation werde den Sitzungssaal  demonstrativ verlassen, wenn die Diskussion der deutschen Verhältnisse fortgesetzt werde.

Schließlich brachte der  italienische Delegierte Marinetti den Vermittlungsvorschlag ein, die Debatte über Deutschland auf den nächsten Kongress zu vertagen.

Über Ragusa lag  am 28. Mai  schwüle Luft, die sich in vielen Gewittern entlud. Genau so erging es den  Arbeitssitzungen des PEN-Clubs.Von allem Anfang spürte man „dicke Luft“. Alles drängte gleich am ersten Tag einer Entladung zu.  Zwei Anträge lagen  der Versammlung vor. Einer, von  Amerika gestellt, verurteilt im Namen des  Nationalismus, des Rassevorurteils und der politischen Unduldsamkeit begangenen Verfolgungen der letzten  Zeit und schlägt Gegenmaßnahmen vor. Ein  anderer Antrag von 17  Staaten unterschrieben, wandte sich  ganz besonders gegen die deutschen  Vorgänge und brandmarkte sie als Wahnsinnstat des Nationalismus.

Die deutschen Delegierten, besonders Herr Schmidt-Pauli bemühten sich auffallend um die Gunst des Auslandes und gaben sich fast  bis zur Verleugnung der Prinzipien des  Nationalsozialismus friedfertig. Sie anerkannten durchaus  die internationalen Verpflichtungen der Literaten an, kurz sie verhandelten  über die  Abrüstung der geistigen Waffen mit den  friedliebendsten Worten, , denen  allerdings keine Taten gegenüberstehen. Sogar so etwas wie eine deutsch-französische Allianz zeigte sich.  Die Deutschen setzten sich mit  den Franzosen, Italienern und Belgiern zusammen.  Um den von 17  Staaten  eingebrachten Antrag so zu modifizieren, dass ihm auch Deutschland seine prinzipielle Zustimmung, wenn auch bei Stimmenthaltung geben könne.

Die Formel für die Illusion einer Völkerversöhnung schien gefunden, da trat  H. G.  Wells der neue Besitzer, in Funktion. Hatte es zuerst geschienen, dass er mit  den Deutschen sympathisiere, so wandte er sich jetzt,  wo sie sich scheinbar  zur Internationale bekannten, schroff gegen sie. Es kam  in der an  dramatischen Zwischenfälle reichen Sitzung zum Höhepunkt.

Der  englische Delegierte Ould verlangte das Wort,  um  vor der Abstimmung zwei Fragen an den deutschen PEN-Club zu richten.

Was hat der deutsche PEN-Club gegen  die Verfolgung der Schriftsteller in  Deutschland getan?

Und  was gedenkt  der deutsche PEN-Club in  Zukunft gegen diese Verfolgungen zu tun?

Die deutschen Delegierten erklärten,  dass diese Anfragen gegen die Geschäftsordnung seien,  worauf Wells antwortete,  dass er die Fragen  vor der Abstimmung zulasse und auch  vor der Abstimmung noch dem vom  englischen PEN-Club  eingeladenen deutschen Schriftsteller Ernst Toller das Wort erteilen werde.

Die deutschen Delegierten  wiederholten: Wenn die mit  ihrer Zustimmung verfasste Resolution jetzt nicht zur Abstimmung käme und  dagegen die von Wells angeregte Diskussion über Deutschland nicht  auf den nächsten Tag verlegt würde, sie gezwungen wären,  den Saal  sofort zu verlassen, wofür den Präsidenten allein die Verantwortung treffe.

Wells erklärte mit unerschütterlicher Ruhe und einem kleinen boshaften Lächeln um die schmalen Lippen. Diese Verantwortung übernehme er.

Daraufhin verließen die Deutschen den Saal. Ostentativ und unmittelbar hinter ihnen ging die österreichische  Delegiert Greta von Urbanitzky. Die holländische Delegierte Jo van Amers-Kühler sprang auf das Podium und schrie

„Wenn Galsworthy lebte, wäre so etwas nicht geschehen?“

Und dann folgte sie den Deutschen. Schweigend folgte ihnen auch der Schweizer Delegierte Dr.  Stickelberger.

Der zweite österreichische Delegierte aber, Felix Salten, sprang nun auch auf das Podium und rief: „Ich bin Jude, ich habe jahrzehntelang in Deutschland gelebt, ohne je  danach  gefragt zu werden.  Das ist der Tod des PEN-Clubs“

Dann zog er sich  von seinem Sitz in der ersten Reihe auf einen Platz in der fünften Reihe zurück. Salten stimmte dann auch im Namen der österreichischen  Delegation für die  Resolution.

Sehr bezeichnenderweise blieben die Italiener, deren Führer  Marinetti schon vorher scharf  die Rassentheorie und den Antisemitismus als Kultur widrig abgelehnt und  die  Freiheit der Kunst betont hatte, im Saal. Die Franzosen und die mit ihnen verbündeten Nationen waren über das Ausscheiden der Deutschen sichtlich betroffen.

In dieser Völkerbundluft der  wohlwollenden Verwahrungen und  Entschließungen war die einzige menschliche Stimme; Ernst Toller, den die Engländer eingeladen hatten. Mit disziplinierter Wucht sprach er im Namen der emigrierten  deutschen Schriftsteller.

Am nächsten Tag erhob  Schalom  Asch Anklage gegen die Verfolgung der Juden in Deutschland. Er wolle dafür  das deutsche Volk nicht verantwortlich machen.  Gerade das jüdische Volk  wisse sehr gut, wie einem Volk Unrecht   getan werden könne durch die Taten einzelner. Schalom Asch dankte der  christlichen Welt für die Gefühle brüderlicher Sympathie in diesen Tagen der Verfolgung und gab der Hoffnung Ausdruck, dass  eine Wiedergutmachung durch Deutschland  erfolgen werde.

Eine groß angelegte  Rede  Tollers beschloss den Kongress.

Am 28. Juni 1933 fand  im Hotel Imperial die Generalversammlung des Österreichischen PEN-Club statt, der wie erwartet einen stürmischen Verlauf nahm und lange nach Mitternacht endete. Die Generalversammlung brachte eine Reihe schwerwiegender Beschlüsse die zweifellos  nicht ohne wesentlichen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Wiener PEN-Clubs sein werden.

Der bisherige geschäftsführende Präsident des Österreichischen PEN-Clubs Felix Salten, erklärte für seine Person die Demission, gleichwohl wurde ihm von der Opposition für seinen Rechenschaftsbericht und für seine sechsjährige Tätigkeit beim PEN-Club der Dank ausgesprochen.

__QUELLEN:__  Der Tag  27. Mai 1933, S 5,  31. Mai 1933, S 3, Arbeiter Zeitung, 3. Juni 1933,  S 1,  Wiener Allgemeine Zeitung, 29. Juni 1933, S 5, ANNO Österreichische Nationalbibliothek.

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