!!!DIE  MIRAFÄLLE


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1899 waren die Mirafälle in Gefahr industriell verwertet zu werden, um die Produktionskosten zu verringern. Erfinderische Köpfe suchen nach Mitteln und Wegen welche Ersparnisse bei technischen Betrieben zu erzielen sind.

Die Eigenschaften der Elektrizität kommen diesem modernen und berechtigten Bedürfnis entgegen. Das  billigste Mittel ist vor allem die Wasserkraft. Es ist keine Utopie, sondern greifbare Zukunftsentwicklung, dass jede Gegend mit einem größeren Wasserfall dazu berufen ist, ein Industriezentrum zu werden, wie die Niagarafälle. Man wollte die ungezählten Millionen von Werten die  in der bewegenden Kraft in den Wasserfällen enthalten sind, ausnützen.

Ein industrielles Unternehmen plant die Ausnützung der Wasserkraft der Mirafälle bei Pernitz sowie die Anlagen  von  Fabriken. Der österreichische Touristenklub im Verein mit befreundeten Klubs von gleicher Tendenz betreibt nun eine lebhafte Agitation gegen die Absichten der Industrie, die Mirafelle zu verwerten. Dr. Emmerich Klotzberg, Präsident des Touristenklub,  wendete sich an den Wiener  Gemeinderat  und niederösterreichischen Landtag zum Schutz der Mirafälle auf und alle Freunde der Wiener Voralpen in den Ruf ein, dass die Naturschönheit der Mirafälle in ihrer Unberührtheit verbleiben müsse. Die Behörden werden über die nächste Zukunft der Mirafälle entscheiden. Auch die Naturschönheit hat ihre Rechte auf Schonung und Unverletzlichkeit. Der industrielle Vandalismus muss verhindert werden.

Die Mirafälle sind schön, sehr schön, aber sie sind nicht einzig in ihrer Art, dass ihrer Schönheit wegen und den wenigen Touristen zu Liebe, die die Schönheit genießen, die Naturkräfte der Fälle  ungenutzt bleiben.

Gastwirte der Gegend hatten den Industriellen Vorschläge unterbreitet, dass die Mirafälle nur in der Nacht genutzt und am Tag, Sonn- und Feiertag für die Öffentlichkeit frei gegeben werde. Dieser Vorschlag wurde von der Industrie abgelehnt. Die Entscheidung ruht nun bei der Wiener Statthalterei und wie zu vernehmen war, sind die Aussichten auf  Konzessionserteilung sehr günstig.

Die Entscheidung über die Mirafälle lagen nun beim Grafen Kielmansegg. Dazu die Tageszeitung „Die Arbeit“, Wir wissen nicht, ob österreichische Staatsbeamte neben der begreiflichen Sehnsucht nach  Avancement auch noch den Ehrgeiz haben, berühmt oder gar unsterblich zu werden. Sollte es einige solche k.  k. Ruhmes Kandidaten geben, so möchten wir denselben einen Weg weisen, auf welchem sie dieses Ziel, ohne Zweifel die höchste Errungenschaft menschlichen Strebens mühelos erreichen können.....

Wozu sind  die  Mirafälle so wichtig?  Für den Bahnbau, um diesen zu bewerkstelligen, als schätzbare motorische Kraft erkannt. Ihr Besitzer sucht bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt um den Konsens zur Ausnützung dieser Naturkraft zwecks  Erzeugung von Elektrizität zur Prüfung an. Dass die Verwendung der Mirafälle als Quelle elektrischer Kraft die Anziehungskraft dieses als Naturschönheit gerühmten Wasserfalles schwächen und den Touristenverkehr in den interessierten Gemeinden beeinträchtigen würde. Gegen diese Entscheidung der ersten Instanz erhoben der Touristenklub und mehrere Gastwirte Einspruch. Diese Agitation irritierte den niederösterreichischen Landesausschuss und die zweite Instanz. Über  diese Berufung entschied nun  Graf  Kielmansegg. Seine Entscheidung ist so interessant und für das volkswirtschaftliche Verständnis des Herrn Statthalters so bezeichnend, dass wir uns nicht versagen konnten ihren Inhalt  hier wiederzugeben.

Graf  Kielmansegg erklärt den Bestand der Mirafälle als anerkannte Naturschönheit für ein  zweifellos öffentliches Interesse, hebt die Entscheidung der ersten Instanz auf und ordnet neue Erhebungen an. Man  beachte genau welcher Art diese von  Graf  Kielmansegg vorgeschriebenen  Erhebungen sein sollen: „Es wäre zu untersuchen gewesen,  ob das beabsichtigte Unternehmen nicht auch derart ausgeführt und betrieben werden kann, dass eine dauernde Trockenlegung der Mirafälle vermieden werde, bzw., welche  Anordnungen zu treffen wäre, um diesen Zweck zu erreichen.“

Diese Forderung kann nur als Ergebnis einer Verschleppungstaktik sein,  denn sie im Ernst zu stellen trauen wir selbst dem Grafen Kielmansegg nicht zu, dem doch Gott so hohe Ämter gegeben.

Graf Kielmansegg hätte sich das Aufsehen ersparen können, welches seine  Entscheidung erregen muss. Er hätte nur erklären müssen, nach seinem Ermessen seien touristische Rücksichten schwerwiegender als volkswirtschaftliche. Graf Kielmansegg betrachtet die Angelegenheit offenbar mit dem Kavaliersmonokel, er denkt sich  der Konsessionswerber, der mit den Mirafällen ein elektrisches Werk betreiben will, werde es kosten, was immer, ein Kavalier schaut nicht auf die Kosten. Graf Kielmansegg wandelt nicht auf dem Weg, der durch  Förderung der Volkswirtschaft zur Unsterblichkeit führt, er hat vielmehr die schiefe Ebene betreten, auf welcher man unrettbar in die Zopfzeit hinabgleitet.

Die niederösterreichische Statthalterei hat  in Angelegenheit der Mirafälle ein sonderbares Urteil gefällt: Mit der Entscheidung vom 24. April 1899 hat die Bezirkshauptmannschaft dem Oscar von Rosthorn, Fabriksdirektor von Oed, die Bewilligung  zur Ausnützung  des imposanten Wassergefälles  zur Herstellung eines Elektrizitätswerkes auf die Dauer von 40  Jahren erteilt. Gegen diese Entscheidung wurde in offener Frist Rekurse vom niederösterreichischen Landesausschuss und von Rosthorn selbst eingebracht. Rosthorn wegen der  zeitlichen Einschränkung.

Im vorliegenden Fall soll nun ein mit Wasserkraft zu betreibendes  industrielles Unternehmen für Erzeugung und Übertragung elektrischer Kraft ins Leben gerufen und zu diesem Zweck unter Ausnützung der im  Mirabach  vorhandenen zirka 100 Meter hohen Gefällsstufe eine Wassermenge von 150 bis 600 Liter pro Sekunde abgeleitet werden.

Nach dem  niederösterreichischen Wasserrechtsgesetzes aus dem Jahr 1870 muss die politische Behörde bei Verleihung von Wasserrechten vor allem  darauf  achten, dass die Wahrung öffentlicher Interessen gewahrt bleibt.
Das Gutachten eines Staatstechnikers wurde als Nachteil  des Projektes die Trockenlegung der als Naturschönheit bekannten Mirafälle bezeichnet, das das Wildbett, in dem sich diese Wasserfälle befinden, sobald die Anlage in Betrieb gesetzt wird, nur bei Wasserständen, welche über 600 Liter pro Sekunde führen, Wasser enthalten wird.
Auch die Vertreter des niederösterreichischen Landesausschusses, der Zentrale der Touristenklubs und der  Sektionen Triestingtals, Pernitz- und Piestingtals gegen das Projekt Einwendungen vorbrachten sind gegen die Trockenlegung der Mirafälle gerichtet.

Dennoch hätte die Genehmigung des Projektes nicht ohne  weiteres, sondern nur unter dem Vorbehalt des Wasserrechtsgesetzes entsprechenden binnen einer bestimmten Frist zu bewirkenden Ergänzung desselben in obigem Sinn erteilt werden können.

Da das Verfahren und  Entscheidung verschiedene Mängel aufweisen muss das Verfahren wiederholt werden.

Was sagt nun der Touristenklub dazu, wie seine Schützlinge und seine Hauptkostgänger, die Gastwirte und Bierverschleisser der Miragegend plötzlich erleuchtet wurden und zur Erkenntnis der Situation gelangt sind.

Es handelt sich  hier  sehr wenig  um die  industriellen Interessen. Den Hauptnutzen hat  nicht ein oder einige Industrielle, sondern  hauptsächlich die Gegend und die Volkswirtschaft im allgemeinen. In diesem Fall handelt es sich um einen Bahnbau von 25 Kilometer der nur zustande kommt durch die Wasserkraft der Mirafälle. Dieser Bahnbau würde dem Verkehr der ganzen Gegend der Mirafälle eine ganz andere Gestalt geben, insbesondere aber die Mirafälle selbst und die  beiden anderen Naturreize erst leicht zugänglich machen und das schöne Weißenbach dem leichten Bahnverkehr erschließen. Das ist kein  industrielles Interesse mehr, das ist ein allgemeines, öffentliches Interesse von schwerwiegender Bedeutung für die gesamte Gegend.  Durch die Bahn würde man von Wien statt wie bisher 5 Stunden nur mehr 2  ½ Stunden benötigen. Auch all die anderen Orte würden dadurch leichter erreichbar sein und die Gemeinden rund um die Mirafälle werden zu den gesuchtesten Sommerfrischen werden.
   

QUELLE: Die Arbeit, 23. Juli 1899, Österreichische Nationalbibliothek, ANNO
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