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DIE WASSERHEILKUNDE#

Gesundheit
Heilwasser,Foto Graupp

1880: Die Anwendung des kalten Wassers zu Heilzwecken findet sich schon im Altertum, zu einer eigentlichen Heilmethode wurde die Hydrotherapie erst kürzlich erhoben. Es dauerte eine gewisse Zeit bis sie endlich wirklich anerkannt und die Wissenschaft eroberte, denn zwischendurch war sie immer wieder in Vergessenheit geraten.

Eine äußerst hervorragende Rolle spielte die Kaltwasserkur im alten Rom zur Zeit des späteren Kaisers Augustus. Als ihr Erfinder darf Musa gelten, ein Freigelassener, dessen Bruder Euphorbos Leibarzt des Königs Juba von Numidien war. Musa war der Erste, der das kalte Wasser in Form von Getränk, Bädern, Umschlägen und Duschen als Heilmittel anwendete. Das neue Heilverfahren wurde bald berühmt und zur Mode, nachdem Musa das Staatsoberhaupt aus einer lebensgefährlichen Krankheit durch kalte Umschläge und kalte Bäder gerettet hatte.

Dio Cassius erzählt davon: Augustus war eben zum elften Mal als Konsul ausgerufen worden, als er lebensgefährlich krank wurde. Da er sich dem Tod nahe glaubte, versammelte er die Senatoren, die hohen Staatswürdenträger an seinem Krankenbett, konferierte mit ihnen über die Angelegenheiten der Republik und legte das große Staatssiegel in die Hände Agrippas. So standen die Dinge, als Musa die Behandlung nach seiner neuen Heilmethode unternahm. Nur unter Anwendung kalten Wassers innerlich und äußerlich gelang es ihm den Kranken zu heilen.

Groß war der Lohn, der Musa zuteil wurde. Augustus ließ ihm eine beträchtliche Summe Goldes auszahlen und befreite ihn und .alle Ärzte, die nach seiner Methode behandeln würden, für alle Zeiten von Abgaben und Steuern. Der Senat setzte ihm eine Statue und erteilte ihm die Ritterwürde.

Es konnte nicht fehlen, dass Musa nun zum großem Ruhm und noch größerem Vermögen gelangte. Die berühmtesten seiner Zeitgenossen, Macenas, Cicero, beweisen ihm ihre Verehrung und sind glücklich, zu seiner Klientel zu gehören. Dichter wie Virgil, Catull und Horaz widmen ihm begeisterte Verse. Besonders Horaz, der Lebemann par excellence, der Verehrer von Wein, Weibern und Gesang, wird ein feuriger Lobredner des kalten Wassers. Er verzichtet auf den feurigen Falerner, heimlichen Genüsse in den damaligen Modebad Bajae, wo er gewöhnlich die Badesaison hindurch verweilt, um sich auf das Geheiß Musas in die kalten Wellen zu stürzen.

Das frohe Leben dauerte nicht lange, Marcellus, Augustus Neffe und Schwiegersohn, der sein Nachfolger werden sollte, wurde schwer krank. Musas Kunst versagte, der Kranke starb. Sogleich wurde Musas Methode in Frage gestellt, und für unfähig gehalten .Augustus wurde nur durch die Hilfe der Götter gerettet.

Die Kaltwasserbehandlung wurde durch den Tod Marcellus von einem Schlag getroffen von dem sie sich nicht mehr erholte und allmählich in Vergessenheit geriet.

Es vergingen 50 Jahre bis die Kaltwasserkur wieder entdeckt wurde. Unter der Regierung Neros kam aus Massilia, dem heutigen Marseille, der Arzt Charmis nach Rom der durch seine Kaltwasserkuren Aufsehen erregte. Besonderes Hauptgewicht legte er auf das kalte Bad. Charmis war damit so erfolgreich, dass diese Bäder wieder in Mode kamen. Wie berichtet nahm man zuerst ein sehr warmes Bad, um sich dann, wenn der Körper ganz erhitzt war, in das kalte Bassin zu stürzen.

Auch dieser Arzt ließ seine Patienten viel Wasser trinken. Die Gelehrten über die physiologische Wirkung des kalten Wassers erklärten. Sommer und Winter, schreibt Seneca, trinken wir mit Eis gekühltes Wasser, weil der geschwächte Magen eines tonisierenden Getränkes bedarf. Ohnmächtige und Besinnungslose bespritzt man mit kaltem Wasser,um sie wieder ins Leben zu rufen; aus dem gleichen Grund müssen die erschlafften oder geschwächten Gedärme mit kaltem Wasser erfrischt werden, Nicht minder interessant ist auch die Argumentation Plinius: Bekanntlich trinkt kein Tier ein warmes Getränk, ein solches kann also auch nie der Natur zuträglich sein.

Es war das goldene Zeitalter der ärztlichen Praxis. Die Situation der Ärzte war damals eine glänzende. Sie hatten, verschiedene Vorteile, welche in dem Bürgerrecht, in der Befreiung von Steuern und städtischen Abgaben, von Kriegsdienst utnd Einquartierungen in exzenter Gerichtsbarkeit bestanden. Hervorragende Ärzte wurden durch Titel ausgezeichnet und erhielten dadurch das Privilegium, dass sie nicht gefänglich eingezogen werden durften, dass ihnen zugefügte Beleidigungen strenger bestraft wurden, und weder sie noch ihre Nachkommen bis zu den Urenkel eines Verbrechens wegen gefoltert oder bestraft werden durften. Auch die materiellen Verhältnisse konnten sich sehen lassen. Ein kaiserlicher Leibarzt bekam einen Jahresgehalt von 20.000 Gulden. Stertinius aber verlangte unter Kaiser Claudius 45.000 Gulden, Daraus war zu ersehen, dass die Ärzte gut bezahlt werden mussten.

Celsus, der Charmis überlebte,setzte dessen Methode weiter fort, und rühmte in den Schriften dessen Heilkraft.

Abermals geriet die Kaltwasserkur in Vergessenheit. Erst im 18. Jahrhundert feierte sie wieder ihre Auferstehung. Gegen Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde sie von dem englischen Arzt Johann Floyer zu Lightfield in Staffordshire in wissenschaftlicher Weise zu einer Heilmethode erhoben und das hydriatische Verfahren einige Zeit später von dem schlesischen Arzt Hahn in Breslau noch weiter ausgebildet.

Dem Bestreben französischer und deutscher Ärzte war es zu danken, dass die hydriatische Methode in neue, wissenschaftliche Bahnen gelenkt wurde.

Gegenwärtig ist die Kaltwasserbehandlung, oder wie sie nun genannt wird, die Thermotherapie, in theoretischer und praktischer Beziehung so weit ausgebildet, auf physiologischer Grundlage so richtig aufgebaut, dass sie der Gefahr des Wiedervergessenwerdens entrückt und in Zukunft, ab nun für immer der Heilkunde erhalten bleiben wird.

QUELLE: Österreichische Badezeitung, 30. Mai 1880, Österreichische Nationalbibliothek ANNO

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