!!!KAISERLICHE SCHATZKAMMER



[{Image src='juwelen.png'class='image_left'height='400' caption='Kaiserkrone,Österr.Ill.Zeitung' alt='Wien' width='242' popup='false'}]


1910:  Zu den  ersten Sehenswürdigkeiten der an solchen gewiss nicht armen Reichshaupt- und Residenzstadt Wien zählt die „Schatzkammer des Allerhöchsten Kaiserhauses“ in der k. k.  Hofburg, die gewiss kein Fremder zu besichtigen verabsäumt. Die Schatzkammer ist zurückliegend ihrer Anlage und Einrichtung eine Schöpfung  der Kaiserin Maria Theresia, während die Räumlichkeiten, in denen der Hausschatz der Habsburger untergebracht ist, schon seit 300  Jahren  zur sicheren Aufbewahrung der Hoheitszeichen und sonstigen Kleinodien der regierenden Familie dienten. Die Bestände der Schatzkammer rühren daher in ihren Anfängen von Kaiser Maximilian I., her, der diesen Teil der Hinterlassenschaft dem Stifter der habsburgisch-österreichischen Linie Ferdinand I., zuwandte.

Unter Kaiser Rudolf II., gelangte die Mehrzahl der angesammelten  Kunstschätze nach Prag, von wo  sie Kaiser  Matthias im Jahr 1612  wieder nach Wien zurückbringen ließ. Unter Kaiserin Maria Theresia vollzog sich die erste Etappe der systematischen Reorganisation des durch Geschenke und Neuerwerbungen angewachsenen Riesenschatzes des Erzhauses.

Die Deposits waren je nach Art ihrer  profanen oder kirchlichen Zweck der geistlichen oder weltlichen Schatzkammer zugeteilt.

Die geistliche Schatzkammer, die erst im März des laufenden Jahres dem Publikum zugänglich gemacht werden konnte, vereinigte nun die  hervorragendsten kirchlichen Kunstwerke, wie sie  in solcher Reichhaltigkeit und Vollkommenheit wohl nur von der  vatikanischen Sammlung übertroffen werden  konnte.

Wir sehen da eine Kapelle aus dem Jahr 1212, eine kostbare Monstranz mit dem heiligen Blut Jesu Christi, aus dem Besitz des römischen Fürsten Savelli,  eine Goldtheka mit einem Partikelchen des Erlöserkreuzes und anderer   mehr. Was die Kunst in ihren verschiedensten Zweigen und Gewerben wie den  der Posamentierer, Silber- und Goldschmiede, Wachsboßler. Holzschnitzer, durch so  viele Kulturepochen zu leisten imstande war, kommt gerade in dieser wundervollen Zusammenstellung zum Ausdruck. Um wie viel mehr aber umfasste erst die weltliche  Schatzkammer eine kunsthistorische Auslese, die der  Sammlerfleiß eines kunstsinnigen Herrschergeschlechtes aufgestapelt und sorgsam  behütet hatte. Die weltliche Schatzkammer teilte sich  beim Regierungsantritt der Tochter Karls VI.,  in eine große  und eine kleine, das ist die geheime Schatzkammer. Letztere wurde über  testamentarische Verfügung des Vaters  Maria Theresias aufgelöst und mit der großen  Schatzkammer vereinigt.

Im Jahr 1747 beauftragte Kaiserin Maria Theresia, Josef Angela de France mit der neuen Aufstellung der  Schatzkammer, die volle drei Jahre in Anspruch nahm. Im Jahr 1782 erfolgte die vollständige Trennung der geistlichen von der weltlichen Schatzkammer, indem Kaiser Joseph II., die erste vollständig der Obhut des jeweiligen Burgpfarrers übertrug.


%%center
[{Image src='Schatzk 11.png'class='image_block'height='400' caption='Wiener Schatzkammer, Österr.Ill.Zeitung' alt='Wien' width='546'}]
%%

Langsam wurden die Bestände der verschiedenen Sammlungen getrennt, wurden als Familiendokumente dem k. u. k.  Haus-, Hof- und Staatsarchiv, als Bücher, Handzeichnungen und Kupferstiche der Hofbibliothek, als Gemälde der  Belvedere Galerie, als Münzen und Antikenkabinett, als Waffen  dem Hofwaffenmuseum und der Hofjagd und Sattelkammer überantwortet.

Unter der Regierung unseres Monarchen erfuhr auch die  Schatzkammer eine wohltätige Reform,  die so viele wertvolle Raritäten und Kunstschätze streng wissenschaftlich sondierte und dem  Anschauungsunterricht des Publikums in Fachgruppen zugänglich macht.

Die Wiener Hofmuseen saugten dafür  das Gros der nicht direkt mit dem Familienbesitztum und den Hauskleinodien zusammenhängenden Kunst- und Erinnerungsgegenstände auf.  Die Schatzkammer selbst wurde nun  1871 bis 1872 durch den damaligen Schatzmeister Quirin  Ritter von  Leitner neu geordnet. Gleichzeitig wurden die Normen festgelegt, unter denen der gegenwärtige Stand der Schatzkammer gewährleistet blieb, so dass dieselbe tatsächlich den großen historischen Führer der vaterländischen Dynastiegeschichte neu darstellen konnte.


%%center
[{Image src='Schatzka 22.png'class='image_block'height='500' caption='Wiener Schatzkammer, Österr.Ill.Zeitung' alt='Wien' width='344' popup='false'}]
%%

Die Schatzkammer enthält vor allem die  zahlreichen Kleinodien und Reliquien des ehemaligen heiligen römischen Reiches deutscher Nation. Die ausgestellten Objekte sind mit Ausnahme des Evangelistariums und der Lanze des heiligen Mauritius, die aus der Karolinger- ja wahrscheinlich sogar aus der Merowingerzeit stammt, alle aus  späteren Zeitepochen als denen der Ottomanen und fränkischen Kaiser. Die ältesten Kleinodien der deutschen Kaiser sind im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen. Die Krönungsgewänder sind sarazenischen Ursprungs, von Künstlern aus dem 12. Jahrhundert verfertigt worden.Wir sehen dann weiter die österreichische Kaiserkrone, aus purem Gold geschmiedet und mit Perlen und Edelsteinen sowie prächtigen Emailbildern, biblische Szenen darstellend, geziert, den Reichsapfel mit dem  lautrinischen Kreuz, die beiden  Szepter aus dem 13. und 14. Jahrhundert, den sagenhaften Säbel Karls des Großen, von dem  man aber glaubt, dass er aus der Zeit des normannischen Königs Roger II., von Sizilien, 1133 stammt, das Schwert des heiligen  Mauritius, den Krönungsmantel, das Krönungshemd, die Alba und die anderen zur Krönungstoilette gehörigen Bekleidungsstücke. Interessant sind gleichfalls die Kleinodien aus dem Schatz des Ordens vom Goldenen Vließ; so die  „Potence des Toison d'or“,  die prachtvolle Heroldskette des Ordens, der Mantel eines Toison-Ordensritters, ein Meisterwerk mühseliger Handarbeitskunst, und das  kostbare Kruzifix, vor dem die  Ordensritter den Eid zu leisten hatten.

Von spezifisch-österreichischer Bedeutung sind das österreichische Erbpanier, die Krönungs- und Lehensschwerter und endlich die österreichische Kaiserkrone. Dieses unerreichte Kunstwerk des Renaissancezeitalters ließ Rudolf II., herstellen und es kostete die damals horrende Summe von 700.000 Talern. Aus dem reichhaltigen Privatschmuck des Allerhöchsten Kaiserhauses wäre das prachtvolle Rosenkollier zu nennen, das 13 Stück Brillantrosen umfasst, die durch einen größeren Brillanten gebildet wurden, um den sich kleinere Steine als Deckblätter gruppieren, eine brillante Hutagraffe mit dem  viertgrößten Diamanten der Welt, dem Florentiner, ein Kleinod  Karls des Kühnen und das kaiserliche Taufzeug.

Kunsthistorischen Wert besitzt weiters die türkische Vasallenkrone des Siebenbürger Fürsten Stephan Bocskay aus dem Jahr 1605. Traurige Erinnerungen an eine große  und schwere Zeit erwecken die Insignien des Kaisers Napoleon als König von Italien und  das Wiegenbett seines Sohnes, des Herzogs von Reichstadt.

Den Abschluss bildet ein zierlicher Kasten, der die  Schlüssel zu den Särgen verstorbener Mitglieder des Allerhöchsten Kaiserhauses soweit diese in der kaiserlichen Gruft bei den  P. P. Kapuzinern in Wien und auch anderwärts beigesetzt sind, enthält. Der Kasten stammt aus jüngster Zeit, das ihn zierende Elfenbeinkruzifix aus dem Jahr  1821.

Es wird  gewiss kein Fremder versäumen, die interessante Schatzkammer des österreichischen Kaiserhauses in Augenschein zu nehmen, die nach so vielen Veränderungen ihres Inhaltes eine  Umgestaltung  erfahren, durch welche  sie bleibend und in höchst  würdiger Erscheinung künftig eine wohlgeordnete und großartige Sehenswürdigkeit der Monarchie bilden dürfte, die an Kostbarkeit und geschichtlicher Bedeutung von keiner anderen Sammlung der Welt übertroffen werden kann.

__QUELLE:__  Österreichische Illustrierte Zeitung, 14. August 1910, S 14, sowie diverse Bilder, ANNO Österreichische Naionalbibliothek

https://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Essays/Historisches_von_Graupp

>[Zurück zur Übersicht über alle Beiträge|Wissenssammlungen/Essays/Historisches_von_Graupp]







[{Metadata Suchbegriff=' ' Kontrolle='Nein'}]