!!!KRAMPFADERN


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Diese unschöne Erscheinung   auf den Beinen so mancher Frau, die Schmerzen und Beschwerden verursachen und außerdem wegen ihrer Unansehnlichkeit  belastend wirken, kann indessen durch moderne Behandlungsmethoden Abhilfe geschaffen werden.

Eine Ärztin  Frau Dr. Mela Pappenheim-Bloch hatte sich  1926 mit diesem Thema befasst und berichtet über die Entstehung der Krampfadern und wie man sie vermeiden könnte.: „Spindelige, umschriebene Erweiterungen der Adern, die mit  der Zeit sackförmig werden, nennen wir Krampfadern. Bei ihrer Entstehung spielt die  stehende Lebensweise sicher eine wichtige Rolle, aber viele Menschen stehen den ganzen Tag, ohne Krampfadern (Varizen) zu bekommen. Tausende Frauen  bekommen in der Schwangerschaft Krampfadern, ebenso viele  gebären Kinder ohne die geringste Belästigung durch die Blutadern. Die  ausschlaggebende Rolle beim Erkranken            spielt  also die Krankheitsbereitschaft – die Disposition -,  die wir in einer Gewebeschwäche erblicken müssen. Diese vererbt sich von  einer Generation auf die andere.

Um die schweren Schädigungen, die durch Krampfadern entstehen, dem  Verständnis näherzubringen, müssen wir einige anatomische Bemerkungen über den Blutkreislauf vorausschicken: 

Das Blut,  der Nährstoff des Körpers, wird vom Herz aus durch das Gefäßsystem im Gewebe verteilt. Dieses System besteht aus drei Teilen: Dem zuleitenden Teil (Schlagadern.  Arterien), dem ableitenden Teil (Blutadern, Venen) und dem zwischen beiden eingeschalteten Haargefäßsystem (Capillaren). Dieses besteht aus  mikroskopisch feinen Röhrchen, welche überall die Organe durchziehen und den  Übergang aus dem arteriellen in die  venösen Gefäße vermitteln. Die Venen haben die Aufgabe, das verbrauchte , mit Stoffwechselschlacken beladene Blut der  rechten Herzkammer zuzuführen. Wenn der venöse Rückfluss durch  mechanische Hindernisse allgemeiner oder örtlicher Art erschwert wird, z. B.  bei Herzschwäche, Lungenleiden, durch die Wirkung  der Schwere bei vielem Stehen – bei  einem Druck durch Geschwülste, durch die  schwangere Gebärmutter. Bei entzündlichen Prozessen in der Bauchhöhle usw., werden die Venen erweitert. Die Klappen geben nach, wobei auch die rückläufigen Bewegungen des Blutes zustande kommen können.

Die Wände der erweiterten Venen werden dick, das Blut staut sich. Bei  der Stauung sickern flüssige Bestandteile des Blutes durch die  durchlässigen Wände der Gefäße ins  umliegende Gewebe, wo sie  Schwellungen (Ödeme) verursachen. Der die Ödeme begleitende Juckreiz verleitet zum Kratzen, führt zu Infektionen, Vereiterungen. Die am meisten in die Augen fallende Folgeerscheinungen der Krampfadern, die überaus lästigen Fußgeschwüre sowie auch die die Varizen begleitenden Ekzeme. Müssen wir durch Stoffwechselstörungen erklären. Denn alle  Gewebe, von der Haut bis zum Knochen, die mit schlechtem Blut  versorgt werden, erkranken gleichzeitig.In der letzten Zeit wird auch das Entstehen des Plattfußes, der auffallend oft zusammen mit Varizen vorkommt, auf Stoffwechselstörungen zurückgeführt.

Wenn man also Krampfadern behandeln oder verhüten will, muss man verhindern, dass die weit bauchigen, geschlängelten Gefäße mit Blut gefüllt sind, da aus der Stagnation des Blutes erst die sekundären Erscheinungen der Krampfadern hervorgehen.

Das  Zurückfließen des venösen Blutes ins Herz wird in hohem Maß von der Saug- und Pumpwirkung der Muskeln unterstützt. Daraus folgt, dass wir, um das Entstehen der  Krampfadern zu verhüten, vor allem unsere Muskulatur gesund und kräftig erhalten müssen. Krampfadern kommen am häufigsten an den Beinen, besonders an den Unterschenkeln vor. Um ihnen vorzubeugen, muss also die Muskulatur der Beine durch Turnübungen, Schwimmen, Bergsteigen, Eislaufen usw. widerstandsfähig erhalten werden. Die Frauen müssen alles vermeiden, was den Rückfluss des Blutes erschwert. Das Tragen eines Mieders runder Strumpfbänder ist absolut verboten. Die Frauen arbeiten im Haushalt sehr viel stehend. Krampfadern sind deshalb die Krankheit der Hausfrauen, Köchinnen, Wäscherinnen, Bedienerinnen. Besonders begünstigt langes Stehen bei gleichzeitiger schwerer Arbeit des Oberkörpers die Entstehung der Krankheit. Aber es lässt sich sicher ein großer Teil der häuslichen Arbeit auch sitzend erledigen. Die Frauen stehen viel mehr, als unbedingt notwendig ist, weil sie sich nur nach und nach, viel zu langsam, daran gewöhnen, die Hausarbeit zweckmäßig  einzuteilen und  sie durch moderne Behelfe zu vereinfachen. Es wird  viel Kraft und Gesundheit überflüssig bei der Hausarbeit vergeudet, weil wir alles aus Trägheit beim Alten lassen.

Die erkrankte Frau begibt sich auch entweder überhaupt nicht  in Behandlung oder erst zu spät, wenn schon  die lästigen Folgeerscheinungen, das Ekzem oder das Fussgeschwür, aufgetreten sind. Sie versucht es zuerst jahrelang mit „Fatschen“, Gummistrümpfen usw.

In früherer Zeit hat man jeden Kranken mit einem Krampfaderngeschwür so lange im Bett gehalten, bis das Geschwür geheilt war. Heute wird schon wegen der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse in der Regel ambulant behandelt; nach Möglichkeit ohne Berufsstörung.Eine Ausnahme bildet eine akute Entzündung der Venen, die Phlebitis, die unbedingt Bettruhe erfordert. Man kann aber durch eine dauernd fortgesetzte, konsequente und,  was das  Wichtigste ist, sachgemäß ausgeführte Behandlung das Entstehen von offenen Geschwüren verhüten. Die Behandlung besteht  in gleichmäßigem Entwickeln der Beine vom Mittelfuß angefangen bis zur  Mitte des Oberschenkels. Es ist eine Kunst, das Bein richtig einzuwickeln, denn es kommt darauf an,  es bei gleichmäßigem Druck so  leer zu wickeln, dass die Venen auch bei  aufrechter Körperhaltung leer bleiben. Man muss die Binden, „Fatschen“, bei horizontal gelagertem Bein anlegen, anfangs jeden zweiten Tag, wobei bei jedem  Bindenwechsel stärker angezogen werden muss, bis das Bein ganz abschwillt. Wenn die Schwellung nach Wochen nicht geschwunden ist, war die Behandlung falsch ausgeführt. Die Binden müssen sehr weich, schmiegsam und vor allem porös sein (Trikotstoffbinden). Luftundurchlässige Binden und Gummibinden sind nicht zu verwenden, weil sie auf  die Dauer die Haut sehr schädigen. Bei Geschwüren, bei juckendem  Ekzem leistet das Einwickeln bei gleichzeitiger Quarzlampenbestrahlung ausgezeichnete Dienste. Selbstverständlich muss vor dem Fatschen jedes Geschwür behandelt  werden und  nur  der Arzt darf den Verband wechseln.

Seit jeher bemühen sich die Ärzte, eine allen Anforderungen entsprechende Behandlungsmethode zu finden.  Auch die  Heilung auf operativem Weg wird geübt; es wurden verschiedenartige Operationen angegeben, anfangs ohne Rücksicht auf den kosmetischen Erfolg, später unter immer größerer Berücksichtigung desselben, das heißt mit der Bemühung, so wenig Narben als möglich und tunlichst kleine Narben zu setzen. Die operative Methode ist nicht populär geworden, meiner Meinung nach mit Recht.

Es gibt eine neue Methode von Prof.  Linser in Tübingen, die darauf beruht, dass  in Nachahmung der manchmal spontan auftretenden  Entzündung der Venenwände, die eine Verlötung derselben im Gefolge hat, eine künstliche Entzündung der  varikösen Vene gesetzt wird, die im weiteren Verlauf zur Verödung derselben führt. Anfangs wurde  Sublimat injiziert, später Kochsalz und andere Medikamente. Auf  der  Abteilung  des Prof. Nobel in Wien führten Versuche mit einer  66% Traubenzuckerlösung zu sehr günstigen Ergebnissen. Traubenzucker ist den bisher angewendeten Mitteln vorzuziehen, da es absolut harmlos ist, im Gegensatz zum Sublimat, das  Nierenschädigungen hervorrufen kann.  Die Technik der Injektion ist in der Hand des geübten Arztes sehr einfach, die Behandlung ist absolut ungefährlich, geht ohne Berufsstörung vor sich, der kosmetische Erfolg ist ausgezeichnet, die hässlichen Knoten und die geschlängelten Venen verschwinden mit der Zeit ganz.Oft genügen schon zwei bis  drei Injektionen, in den meisten Fällen kommt man mit zehn Injektionen aus. Der Erfolg ist ein  andauernder.

Halten wir  uns die  ungeheure Verbreitung der besprochenen Krankheit, bei der erblichen Momente eine wichtige Rolle spielen, vor Augen, bedenken wir, dass 49 % der schwangeren Frauen Krampfadern bekommen, die sich bei jeder neuen Schwangerschaft vermehren, und bedenken wir, dass mitunter gefährliche, ja sogar tödliche Blutungen durch Platzen eines Knotens auftreten können, und vergegenwärtigen wir uns andererseits die Einfachheit der  Behandlungsmethode und deren gute Erfolge, so ist es klar, dass die Kenntnis des Leidens und seiner Behandlung für weiteste Kreise der Bevölkerung von großer Bedeutung ist.

__QUELLE:__  Die Mutter,  16. April 1926, S 10, ANNO Österreichische  Nationalbibliothek

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