!!!OHNE ENTSCHÄDIGUNG ENTEIGNET




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Ab 1918  herrschte im Rest der Monarchie Deutsch-Österreich ein neues System, ein Feind des Kapitals, des Adels und der Kirche.

In der Arbeiter Zeitung ist darüber Näheres zu entnehmen: „Die kapitalistische Presse  fährt in ihrer Hetze gegen das Gesetz, das zur Hebung und Förderung der Volksgesundheit Schlösser, Paläste und andere derartige Luxusgebäude ohne Entschädigung enteignen will, unverfroren fort. Man erkennt an dieser Hetze vor allem das Wesen dieser Presse,  die man mit Unrecht eine bürgerliche nennt,  die im Gegenteil eine ausgesprochen kapitalistische ist.  Was soll es den breiten Schichten des Bürgertums, die  ja unter  der allgemeinen Not  der Zeit selbst leiden,  denn eigentlich bekümmern, wenn den Besitzern der Luxusgebäude keine Entschädigung gezahlt wird? Müsste doch diese Entschädigung auch aus ihrer Tasche, mit ihren Mitteln bezahlt werden! Aber die Herren dieser kapitalistischen Presse sind  ja selbst Besitzer solcher Paläste, und  nicht die  Interessen des schaffenden Bürgertums, sondern ihre eigenen un die Interessen ihrer Sippe vertreten sie,  wenn  sie über die Enteignung und über entschädigungslose Enteignung zetern! Die breiten Schichten des Bürgertums haben natürlich auch kein Interesse, die sozialen Empfindungen herauszufordern und den Vergleich heraufzubeschwören, was und wie anderswo enteignet wird, wogegen jenen überheblichen  Plutokraten, die noch immer nicht  einsehen wollen, dass nicht  bloß die Zeit ihrer  politischen Herrschaft, dass  auch die Zeit ihrer gesellschaftlichen Anmaßungen vorüber ist, ihr persönlicher Vorteil eben  über alles geht. Die breiten Schichten des Bürgertums hätten allen Anlass mit diesen  angemaßten Wortführern, die sie,  um der schäbigen Interessen ihrer Clique willen,  in einen Krieg mit den von  der Sozialdemokratie vertretenen sozialen Notwendigkeiten verwickeln wollen,  dabei nicht  bedenkend,  was das Ende dieses dreisten Widerstandes werden müsste, ein ernstes  Wort zu reden und die maßgebenden  Leute, die nur für die  Plutokratie das Wort führen, das aber verdecken wollen, indem sie vorgeben,  für den Mittelstand zu wirken, ein für allemal abzuschütteln.

Wenn man die Überheblichkeit der Leute, die sich  so zu  Wortführern des Bürgertums, das doch weder in Schlössern noch in Palästen wohnt,  schwindeln möchten, gleichsam an der Quelle studieren will,  so muss man bei Herrn Sieghart im „Neuen Wiener Tagblatt“ einkehren. Der Herr wagt von „der Gegnerschaft weiter Kreise der Bevölkerung“ zu reden; als ob  die Bevölkerung nicht mehr das Interesse hätte, die  Kriegsinvaliden zu retten, die Jugend zu schützen, als die Burg- und  Villenherren im Besitz ihres Wohllebens zu erhalten! „Man denke  auch ein wenig  an die Lage derer,  die seit Jahrzehnten  und Jahrhunderten in einem solchen Luxuswohngebäude leben und  nun die Mauern, in denen sie  geboren und herangewachsen sind, die Mauern, welche  die Fingerabdrücke so vieler vorausgegangener  Geschlechter tragen, verlassen sollen,“ weil nun eine Bezirkskrankenkasse dort Kinder unterbringen will. Dass jemand die Wohnung, „in der  er geboren und herangewachsen ist“,  verlassen muss, wird gerade keine Seltenheit sein;  und wir wüssten nicht, was  daran Schreckliches sein soll, dass das, was  den allermeisten Menschen ein schier selbstverständliches Ungefähr ist,  nun auch denen zugemutet wird, deren Wohnungen, „den Fingerabdruck von Geschlechtern“ tragen. Man denke aber auch ein wenig  an die Millionen und MIllionen, die in den schauerlichen „Kabinetten“ der Spekulationsburgen unserer großen Städte, die in den Hütten und Höhlen unserer Dörfer ihr Leben verbringen, ohne Licht, ohne Luft, ohne Freude und Behagen, an die ärmlichen Gelasse der Vorstadt, in denen  sich Mann,  Weib und Kind drängen,  und beantworte sich dann die Frage, ob es nicht ein schamlose Frechheit ist,  das öffentliche Mitleid gerade für die Reichsten und Allerreichsten anzurufen, denen selbst bei der Enteignung ohne Entschädigung nicht mehr passieren kann, als dass sie statt dreißig Zimmer deren vielleicht zehn bewohnen werden. Aber diese übermütigen Plutokraten bilden sich noch  immer ein, dass das Maß ihrer Luxusansprüche das Maß der sozialen Gesetzgebung der Republik bleiben müsse. Aber sie irren sich sehr ! Und wenn Herr Sieghart höhnisch  erklärt „auf die  Errichtung  des Vergnügungsetablissements: Budapest in Wien durch die deutschösterreichische Regierung verzichten wir ganz ergebenst!“, so kann ihm nur  in aller Gemütsruhe geantwortet  werden, dass  sich die Welt  nun bewegt,  ohne von  seinen Einsprüchen gehindert zu  werden! In unserer Nationalversammlung sitzt heute, dank  dem demokratischen Wahlrecht, vielleicht kein Mensch, der in Schlössern, Palästen oder Luxusgebäuden wohnen würde, und auch ihre bürgerlichen Mitglieder werden sich  zu Sturmböcken der plutokratischen Interessen nicht missbrauchen lassen, Ein Ausnahmsgesetz! Schreien die Plutokraten. Ganz richtig;  die Schlösser und  Paläste sind eine Ausnahme, und um  sie zu nehmen, braucht man ein Ausnahmsgesetz! Natürlich,  dem   Kaiser Karl  durften wir  die Schlösser wegnehmen. Aber da man sie, nur die nötigen  und nur ihre überflüssigen, den Rothschilds, den Liechtensteins wegnehmen will,  schreien die Sieghart und Karpeles auf!

Die Herrschaften berufen sich auf die „Rechtsordnung“, die angeblich gestört, nein,  zerstört werde, wenn man  überflüssigen Besitz zu  Gunsten der Gesamtheit enteignet. Welche Gaukelei! Das Recht ist weder etwas Überirdisches. Menschlichem Beschließen und Handeln ewig Entrücktes; es ist nicht mehr als eine Satzung, die sich  die Menschen selbst geben, die sie also auch  wieder verändern und umgestalten können. Die  Rechtsordnung wird durchaus eingehalten denn das Gesetz wird ja unter all den  Bedingungen beschlossen, die zum  Beschluss von  Gesetzen  bestimmt sind; das Gesetz wird eben selbst ein Ausfluss der Rechtsordnung sein.  Ewig und  unangreifbar ist nur  das Sittliche; aber  dieses wird durch die  entschädigungslose Enteignung nicht verletzt, sondern erfüllt. Denn ist es sittlich, dass ein  Bruchteil von Menschen, ein sehr kleiner, in den  prunkvollsten Räumen leben kann, während die große Volksmasse in elenden Höhlen  dahinvegetiert? Ist es sittlich, dass  oft eine dieser Familien Wohnung, Villa, Schloss ja viele Schlösser ihr Eigen nennt, sozusagen für jeden  Monat des Jahres ein eigenes fürstliches Obdach hat, wogegen Millionen ihr ganzes Leben hindurch nicht einmal  die bescheidenste zureichende Wohnung haben? Das ist unsittlich, und  diese Unsittlichkeit eine „Rechtsordnung“ zu nennen, die ehrwürdigen Anspruch hätte und nicht angetastet werden dürfte, heißt das Unsittliche zum Grundgesetz der  Gesellschaftsordnung zu erheben. Die Wegnahme solcher im strengen Sinne gar nicht bewohnten Schlösser und Paläste ist nur  ein bescheidener Abbau  der Unsittlichkeit der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, und deshalb wird die  entschädigungslose Enteignung Gesetz werden. Denn auch die Armen haben ein Recht, das Recht,  zu erkennen, dass sich die Welt geändert hat!


Der Bote aus dem Waldviertel  beleuchtet am  10. Mai 1919 dieses Thema unter dem Titel „Der gefährliche Weg“:  „Unbeeinflusst vom persönlichen Interesse spreche ich hier über die größte Gefahr, die unserem künftigen Wirtschaftsleben, unserem weiteren Fortkommen droht -  über die Gefahr  einer zu  weitgehenden einseitigen Sozialisierung und Industrialisierung, soweit dies im  Rahmen eines beengten Zeitungsartikels möglich ist.

Nach  meinen  reichen Erfahrungen auf industriellem und kaufmännischem Gebiet beschleicht mich -  und gewiss die ganze kaufmännische Welt  - die  Empfindung, dass die  Beschränkungen, wie sie  dem  Betriebsinhaber auferlegt werden sollen,  nur der Deckmantel für die schrittweise allgemeine Kommunisierung, vielleicht auch  Enteignung ist.  Das Hühnchen soll schön  sachte,  nach und nach, geschlachtet werden, um ihm nicht plötzlich allzu weh zu tun und  um  es an  die Abschlachtung behutsam zu gewöhnen. Man wählt den gesetzlichen Weg,  im Gegensatz zu den aggressiven Kommunisten, die durch Gewalt und Blut sofort die  Enteignung, oder wie sie sich  gnädigst auszudrücken belieben,  die Verstaatlichung, jedes Besitzes erzwingen wollen.......“

….“.Gewähren auch die Amerikanische Union, die Schweizer, die französische  Republik dem Arbeitnehmer alles,  dem Arbeitgeber nur die Schikanen? Spricht man auch  in diesen Freistaaten, die nicht nur Großkapitalisten, sondern . - wie Amerika – sogar Milliardäre haben, von Enteignung und ähnlichen Vergewaltigungen? Warum bei uns?...“

...“Was verspürt davon der Arbeiter? Und was  beschert und jetzt die  Republik, die wir  so freudig begrüßt haben? - Einen Wust von Verordnungen und Gesetzen, mit denen man dem Betriebsinhaber die Hände bindet,  ihm Hindernisse in den Weg legt, ihn förmlich unter Polizeiaufsicht stellt und eine Kontrolle durch Arbeiterräte ihn auf  den Nacken setzt., die dem  alten, erfahrenen Kaufmann „gute“ Ratschläge geben und ihm  den Verstand eintrichtern sollen....“

...“Ein gefährlicher Weg, der da betreten  wird! Soll uns nicht die Geschichte eine Lehrmeisterin sein? Dürfen wir nur blind darauf lossteuern, ohne die Folgen zu bedenken? - Während der großen  französischen Revolution wurde selbst  die Gottheit aus  der Kirche verbannt und die  Göttin der Vernunft eingesetzt. Doch sehr bald  erlebte diese Farce ein jähes Ende, weil die  gewalttätigen Machthaber nicht mit dem  Volksempfinden gerechnet hatten. - Dem Adel schlug man die Köpfe ab und konfiszierte seinen Besitz. Und heute hat die französischen  Republik genau wie  vor der französischen Revolution Herzöge, Fürsten, Grafen, Barone, die alle Freunde der Republik sind,  während man  sich bei  uns aus übertriebenem Republikanismus nicht nur  diese Klasse, sondern alle die  Harmlosen, denen man die Titeln  abspricht,  zu  gefährlichen Feinden macht. Und nicht nur diese, sondern   auch  die anfangs der Republik treu gewesene Industriellen und Kaufleute, werden ins feindliche Lager getrieben, weil man sie  glatt durch unüberlegtes Proletarisieren zu vergewaltigen gedenkt...  Man überspanne nicht den Bogen, es könnte leicht die Sehne reißen.... “  Karl Grengg

__QUELLEN:__  Arbeiter Zeitung, 24. April 1919, S  1,  Der Bote aus dem Waldviertel, 10. Mai  1919, S 1, ANNO Österreichische Nationalbibliothek.

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