!!!ST.  STEPHAN TURM






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Der Stephansdom wohl das berühmteste Bauwerk Österreichs, das Herz der Nation, ein monumentales Werk höchster Eleganz und Pracht. Ein Wahrzeichen das nicht nur in Wort und Lied immer wieder verherrlicht, sondern mit allen geschichtlichen Ereignissen der Stadt auf das Innigste verbunden ist. Wie oft wurde der bedeutende spätgotische Sandsteinbau schon „verwundet“, doch stets ist der Dom in neuem Glanz wieder erstanden. Nun präsentiert sich der 137 Meter hohe Südturm dem Beschauer wieder äußerst unattraktiv, und das leider für längere Zeit. 

__ERSTE  SCHÄDEN__


Der im Jahr 1433 von Hans von Prachatitz fertig gestellte Turm bereitet seit seinem Bestehen immer wieder Sorgen. Das Erdbeben vom 10. , 16., 19. und 20. September 1590 fügte dem Dom großen Schaden zu, der mittels eines Teiles von Strafgelder der Städte Krems und Stein behoben wurde. In der zweiten Türkenbelagerung trug der Dom nur kleinere Schäden davon. Das Erdbeben vom 4. Dezember 1690 allerdings beschädigte den Hochturm schwer und die Ausbesserungsarbeiten währten  lange. Schwere Unwetter suchten im Jahr 1782 die Stadt heim. Am 11. Juni um 6  Uhr abends  schlugen binnen weniger Minuten drei Blitze in den Südturm wovon der eine dem Turmwächter die Stirne verbrannte und  ihm von der linken Hand die Spitzen zweier Finger wegriss. Beim zweiten Gewitter welches am 29. Juni niederging wurde der Turm neuerlich zweimal getroffen  und einer der Blitze gelangte über einen Eisendraht  bis in die Wohnung des Wächters ohne jedoch Schaden anzurichten. Ob dieser Vorkommnisse  in diesem gefahrvollen extrem heißen Sommer wurden zu St. Stephan Gebete angeordnet. Es gab eine Zeit da hatte man Hirschgeweihe auf jede der acht  Spitzen des Domes aufgesteckt, um dadurch die zündenden Blitzschläge abzuwehren.  Damals vor der Erfindung des Blitzableiters  sehr gebräuchlich, auch an Wohnhäuser.

Seit 1522 hausten erstmals Turmwächter in den Gewölben des Südturms. Sie mussten nicht allein darauf achten ob irgendwo eine Feuersbrunst   ausgebrochen war, sondern waren verpflichtet auf der Turmuhr Schelle, später   auf der Primglocke, die Viertelstunden  zu schlagen, als Beweis, dass sie  wachten.

Die Franzosen fügten bei ihrer Invasion 1809 dem Gotteshaus  durch schwere Bombardement  weiteres Unheil an. Nachdem die Schäden wieder  behoben waren, wurde  der Turm 1810 endlich mit einem Blitzableiter  ausgestattet. Doch allmählich wurde ihnen bewusst, dass trotz all ihrer Bemühungen der Turm schwer lädiert war, dass man um sein weiteres Bestehen bangen musste. Die Turmspitze war nämlich derart gefährlich von der Senkrechten abgewichen und zeigte jetzt in Richtung Nordost. Die sich neigende Turmpyramide bot einen äußerst jämmerlichen Anblick und es war zu befürchten, dass bei einem der nächsten Erdbeben das Ganze in Trümmer ging. Wie es der bekannten Wiener Mentalität entsprach, wurde erst einmal zugewartet. Als jedoch 1838 beim Kirchenmeisteramt die ersten Anzeigen eingingen, da sich bereits einige  Steine abzulösen begannen, wurde endlich gehandelt und die Pyramide  mit einer Gerüst Manschette umgeben. Dies allein brachte Unkosten von 15.500 Gulden. Es wurde eine eigene Kommission gebildet deren Vorstand Stadthauptmann Reg.Rat Freiherr von Bartenstein war.  Das Ergebnis der Untersuchung war wenig erfreulich. Die Oberpyramide  musste bis zu einer Länge von 63 Fuß abgetragen werden, denn ihr Zustand war zu bedenklich. Da die oberste Spitze des Turmes damals nicht hohl  sondern ganz ausgefüllt war, musste jede Erschütterung selbst das Läuten der großen Glocke vermieden werden.  Da der neue Turmhelm dem früheren vollkommen gleichen sollte, wurden Zeichnungen angefertigt. 

__ABTRAGUNG__


Die Abtragung derselben dauerte vom 19. August 1839 bis 29. August 1840. Währenddessen wurde beraten auf welche Art man die Spitze konstruieren sollte um das  Gewicht zu vermindern. Man fasste den Entschluss  das Gerippe aus Eisen zu verfertigen und dieses  von außen mit Steinmaterial zu verkleiden. Weitere Probleme gab es mit der 2500 Pfund  schweren Helm Stange auf der der Adler ruhte. Sie musste nachdem die  Steinmasse abgelöst war zersägt werden. Der Adler wurde extra über  Holzbalken mit Rollen  abgeseilt. Am 20. Oktober 1842 war dann der große Tag gekommen an welchem Fürsterzbischof Milde Kreuz und Adler  weihte.  Die Gesamtkosten  betrugen damals 130.000 Gulden. Dieses  „Kunstwerk“ sollte von keiner  allzu langen Beständigkeit sein.  Man  hatte den Unterbau ganz außer Acht gelassen und das rächte sich nun.

Schon 1859 wurden  neuerliche Mängel an dem Wiener Wahrzeichen festgestellt. Verwitterung des Steinmaterials, Rost am  Eisen, Abfaulen des Holzes, so  lautete die Diagnose. Eine bittere Pille für  die Wiener. Zu dieser Situation äußerte sich ein damaliges Blatt, betitelt: „Das verschandelte Wien“ folgendermaßen: „Unser ehrwürdiger Stephansturm hat sich eingesponnen wie eine Seidenraupe; die Fäden des Gewebes, das seine Spitze von der  Galerie bis zur Rose in der Höhe von 28 Klaftern verhüllt haben die Dicke und Undurchsichtigkeit von Gerüst Balken. Wie wird sich Wien ausnehmen, wenn der abgetragene Turm wie der Stumpf eines  gekappten Mastes gegen Himmel ragen wird? Die Stadt wird  entschieden  „verschandelt“ aussehen und ihre Physiognomie wird, wenigstens aus der Ferne betrachtet, einen ganz veränderten Ausdruck haben... Die uns so freundlich gesinnten nördlichen Nachbarn  werden hoffentlich  nicht lange den nicht ausgebauten und den halbfertigen Turm zu allerlei boshaften Gleichnissen über unsere  staatlichen Verhältnissen benützen können...“






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Bis Juli 1861 war der Turm 38 Meter abgetragen, die Kosten beliefen  sich auf 37.000 Gulden, eine respektable Summe. Die Wiener   zeigten  sich ob ihres verstümmelten Heiligtums ganz unglücklich. Der  Wiederaufbau wurde auch durch Wohltätigkeitsveranstaltungen gefördert und  finanziert. So brachte man Schumanns Faust erstmalig  zur Aufführung, das Ergebnis waren 2009 Gulden. Ein Verlag kündete 1860 das Erscheinen einer Broschüre über den Dom zu St. Stephan in einem Wiener Journal mit folgenden Begleittext an: „In einem Augenblick, wo die öffentliche Aufmerksamkeit in so hohem Grade dem  St. Stephans Dome, diesem  hohen Denkmals mittelalterlicher Baukunst, zugewendet ist, dürfte es angemessen , sein, nicht bloß den Architekten und Forscher, sondern  auch dem Kunstfreunde überhaupt vorstehende gediegene Arbeit in Erinnerung zu bringen. In dem eingehenden Text, wie in den naturgetreuen Illustrationen, welche sich auf die Wiedergabe aller bemerkenswerten Objekte der Kathedrale erstrecken, wird man wenigstens eine  teilweise Entschädigung dafür finden, dass man den genussreichen Anblick des Originals nun auf eine geraume Zeit deren Ende nicht  einmal abgemessen werden kann, zu entbehren verurteilt ist.“

__WIEDERAUFBAU  UND  SPENDEN__


Am 8. August 1861 wurde der Grundstein zum Wiederaufbau gelegt. Die  Gemeinde Wien steuerte 15.000 Gulden bei und Kaiser Franz Joseph, ein stets splendiden Geber, stellte sich in den sechs folgenden Jahren mit je 50.000 Gulden, zusammen 300.000 Gulden, ein. Das Kaiserpaar und Kronprinz Rudolf spendeten auch weiterhin 5000 Gulden immer auf drei Jahre. Dafür waren ihre Namen in der Turmhalle verewigt (Im Krieg zerstört). Auch der Fürsterzbischof   Kardinal Rauscher wandte  sich mit einem eindringlichen Appell an alle Gläubigen: „...damit an Stelle des abgetragenen  Turmteiles so rasch als möglich ein neuer  erstehe. Man lässt von mancher Seite her über Österreich einen Eulenruf erschallen wir wollen es der Welt beweisen, dass wir  unerschüttert  inmitten des Getümmels stehen und noch Mut und Kraft genug  haben  um  in unserer Mitte das Schöne und Große rüstig zu  fördern,,“







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Zu diesem Thema ließ sich auch der Bürgermeister Dr. Seiller vernehmen: „Wir hängen mit Liebe und Verehrung an dieser monumentalen  Zierde unserer Vaterstadt vermisst nicht ungern den Schmuck des schlanken das Donautals  weithin beherrschenden Turmhelms fernerhin in seiner  ursprünglichen Herrlichkeit erhalten und so wie durch Jahrhunderten der ernste Zeuge unserer Geschicke bleibe.“

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Sehr großzügig zeigte  sich auch Fürst Philipp Batthyany der 5000 Gulden spendete.

Mit dem Neuaufbau der Turmspitze, die ganz aus Stein hergestellt  werden sollte, wurde  der Dombaumeister Leopold  Ernst beauftragt: Die Vollendung erlebte er allerdings nicht, denn er starb am 17. Oktober 1862.  Sein Nachfolger hieß Friedrich von Schmidt, der im Jahr  1859 zum Professor an der Akademie der Bildenden  Künste in  Wien ernannt worden war. In all den Jahren wollte man den Bau des unvollendeten Adlerturmes fortsetzen. Friedrich Schmidt hatte bereits  Pläne dazu entworfen. Nach Bekanntwerden der erforderlichen Geldmittel von etwa 600.000  bis 700.000 Gulden lehnte die Gemeinde Wien das  Projekt ab.

Endlich am 15. August 1864 war der Wiederaufbau des Turmhelmes vollendet. Die Weihe des Kreuzes und des Adlers wurde in einer Feierstunde im Dom vorgenommen. Doch die Aufsetzung derselben auf dem Turm musste  unterbleiben, da infolge  der ungünstigen  Witterung und vor allem des orkanartigen Sturms ein Verweilen der Arbeiter auf der Turmspitze  lebensgefährlich gewesen wäre. Das Fest der Kreuzerhöhung wurde einige Tage später nachgeholt.

Während  der gesamten  Umbauten gab es in all den Jahren keinen einzigen Unglücksfall. Nachdem der Turm gänzlich restauriert war wollte man ihn zum Schutz gegen Nässe mit Öl bestreichen. Glücklicherweise unterblieb dieses  Vorhaben.

Die Turmspitze des Domes  hatte schon viele Symbole  gekrönt. Einst befand sich darauf eine Steinkugel, diese wurde durch eine Kupfer vergoldete Kugel mit Stern und beweglichem Halbmond ersetzt. Dieser Halbmond inspirierte  damals einen Bäcker zu jenem Gebäck das heute als Kipfel bekannt ist.  Kaiser Leopold I., ließ, nachdem er während der 2. Türkenbelagerung ein Gelübte ablegte, ein Kreuz auf den Turm setzen.

__PUMMERIN__


St. Stephan hat noch eine weitere Besonderheit aufzuweisen, die „Pummerin“. Die drei Meter hohe Glocke mit einem Gewicht von mehr als 20 Kilo wurde einst von Kaiser Josef I., gestiftet. Sie wurde aus 180  türkischen Kanonen im Jahr 1711 hergestellt und kostete 19.440 Gulden. Der Stifter hat den Klang der Glocke nie vernommen, erst sein Nachfolger Karl VI., durfte sich daran  erfreuen. Zur Leichenfeier für Kardinal Rauscher 1875  wurde sie vorerst zuletzt geläutet. Einst war sie unterhalb der Türmerstube untergebracht. Insgesamt beherbergte der Dom 12 Glocken, heute  16.  Seit 1925 wird das Läuten auf elektrischem  Wege  besorgt, nur die Pummerin wurde weiterhin  manuell betätigt. Sie wurde bekanntlich ein Opfer des Zweiten Weltkrieges. Aus den Trümmern wurde jedoch 1951  eine neue Pummerin gegossen.

Erst seit 1897, nachdem das Lazansky Haus am Stock im Eisen Platz demoliert  worden war, hat man vom Graben kommend nun den freien Blick auf das imposante und grandiose Bauwerk.Um das zu gewährleisten hatte damals unter der Wiener Bevölkerung eine öffentliche Sammlung stattgefunden, die in einigen Tagen die Summe von einer Viertelmillion  Gulden ergab. Für diesen Betrag wurde die Freihaltung  des  Bauplatzes erkauft.

Quelle:  Zeitungen der ÖNB, Bildmaterial Graupp

https://austria-forum.org/af/User/Graupp Ingrid-Charlotte/ST._STEPHAN_TURM

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__Siehe auch__
> [Stephansdom zu Wien. Eine kleine Kunsttopographie, in der Abbildungen dominieren|User/Lanz Ernst/Stephansdom_zu_Wien] (Text und Zusammenstellung Zentner E.)

-- [Lanz Ernst|User/Lanz Ernst], Samstag, 16. Oktober 2021, 14:32
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