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Die SPD tut mehr fürs Klima als Österreichs Grüne #

Der rote Juniorpartner in der deutschen Bundesregierung hat schon eine CO2-Bepreisung durchgesetzt - der grüne in der österreichischen diskutiert dies erst.#


Von der Wiener Zeitung (24. September 2021) freundlicherweise zur Verfügung gestellt

Von

Franz Nauschnigg


In Österreich sind die Grünen der Juniorpartner in der Regierung, in Deutschland die Sozialdemokraten. Beide sind jeweils die treibenden Kräfte für mehr Klimaschutz, die es gegen die konservativen Koalitionspartner, die hier eher bremsen, nicht immer leicht haben. Wobei die ÖVP sicher weniger ambitioniert ist als CDU und CSU; Kanzler Sebastian Kurz, der kürzlich den CDU-Spitzenkandidaten Armin Laschet unterstützte, befürchtet ja bei effektiven Klimaschutzmaßnahmen einen "Rückfall in die Steinzeit".

Franz Nauschnigg war bis zu seiner Pensionierung im Mai 2019 Abteilungsleiter für Integrationsangelegenheiten und Internationale Finanzorganisationen in der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). In den 1990er Jahren beriet er die Finanzminister Andreas Staribacher, Viktor Klima und Rudolf Edlinger
Franz Nauschnigg war bis zu seiner Pensionierung im Mai 2019 Abteilungsleiter für Integrationsangelegenheiten und Internationale Finanzorganisationen in der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). In den 1990er Jahren beriet er die Finanzminister Andreas Staribacher, Viktor Klima und Rudolf Edlinger.
Foto: © Christine Weinberger

Grüne reden mehr über und kämpfen mehr für Umwelt- und Klimaschutz, weniger für sozial gerechten Klimaschutz. Sozialdemokraten kämpfen traditionell gegen die Ausbeutung der Menschen und weniger gegen jene der Natur. Beide reden jetzt sehr viel über Klimaschutz. Die zentrale Frage ist aber nicht: Wer spricht mehr? Sondern: Wer tut mehr für sozial gerechten Klimaschutz? Hier bietet sich der Ländervergleich an. Wer setzt mehr sozial gerechten Klimaschutz durch: Grüne oder Sozialdemokraten? Und: Wer kann die Transformation des Energie- und Industriesystems besser managen?

Mitte der 1980er war ich im Kabinett von Land- und Forstwirtschaftsminister Erich Schmidt (SPÖ). Damals war das Waldsterben in aller Munde. Die Grünen wollten die kalorischen Kohlekraftwerke und viele Industriebetriebe zusperren, um den Wald zu schützen. Es gab dazu heftige Kampagnen, die das Sterben des gesamten österreichischen Waldes an die Wand malten.

Im Gegensatz zu heute, wo es einen wirklichen Klimanotstand gibt, war das damals wenig fundierte Panikmache der Grünen. Österreichs Wald starb nicht, im Gegenteil nahm die bewaldete Fläche insgesamt relativ rasch zu - extrapoliert wäre Österreich in rund 300 Jahren wieder im bewaldeten Urzustand, meinten damals die Forstexperten im Landwirtschaftsministerium. Nur einige wenige Flächen, insbesondere an der Grenze zur Tschechoslowakei, waren durch sauren Regen aufgrund der Abgase der dortigen Kohlekraftwerke stark geschädigt. Insgesamt ein größeres Problem waren die Fichten-Monokulturen, mitunter an ungeeigneten Standorten.

Die SPÖ sperrte die Kraftwerke und Fabriken nicht zu, sondern ließ Filter einbauen und leitete schon in den 1980ern und 1990ern den Kohleausstieg ein. Das war damals schwierig, gelang aber, weil eine erfolgreiche Industriepolitik für Ersatzjobs sorgte: durch geförderte Betriebsansiedlungen, Überleitung in neue Produktionen, Automobil- und Eisenbahncluster (Österreich hat jetzt eine der größten Eisenbahnindustrien Europas und die sechstgrößte weltweit) in ehemaligen Kohle- und Stahlregionen, den Einstieg in neue Technologien wie die Chipproduktion (ams, Infineon). Jetzt sind in Österreich die Kohlebergwerke und Kohlekraftwerke, das letzte 2020, bereits stillgelegt.

Eine Steueroase für fossile Treibstoffe#

Deutschland ist bei der Reduktion der CO2-Emissionen insgesamt erfolgreicher als Österreich, was zum Teil auf die Entindustrialisierung der ehemaligen DDR zurückzuführen ist. In Österreich ist der Verkehrssektor ein besonderes Problem mit relativ stark steigenden Emissionen, was dazu führt, dass Österreich als eines von wenigen EU-Ländern seine Emissionen seit 1990 nicht senken konnte. Einer der Hauptgründe ist, dass Österreich, auch mit den Grünen in der Regierung, eine Steueroase für fossile Treibstoffe ist. Die wesentlich geringere Besteuerung als in Deutschland, Italien oder der Schweiz führt zu einem ausgeprägten Tanktourismus, insbesondere bei Lkw. Österreichs Finanzminister, seit Jahrzehnten immer von der ÖVP gestellt, nehmen dadurch mehr als eine Milliarde an zusätzlichen Mineralölsteuer ein.

Die letzte wirkliche Belastung des Verkehrssektors erfolgte Mitte der 1990er. Der SPÖ gelang es, gegen heftigen Widerstand der ÖVP, den Pkw-Verkehr (Autobahnvignette) und insbesondere den Lkw-Verkehr (Lkw-Kilometermaut auf Autobahnen) stärker an den Straßen und Umweltkosten zu beteiligen, dadurch weniger zu subventionieren und zu verteuern. Dies sicherte eine nachhaltige Autobahnfinanzierung.

Ich war damals als wirtschaftspolitischer Berater des Finanzministers in die Schaffung der Asfinag stark involviert. Schon in meiner Diplomarbeit über die Entwicklung des Verkehrssektors in Österreich Anfang der 1980er kam ich zu dem Schluss, dass insbesondere der Lkw seine Straßenkosten nicht trägt, was zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Ich konnte das Asfinag-Modell auch in einer deutschen Regierungskommission zur Infrastrukturfinanzierung vorstellen - in abgeschwächter Form wurde es dann auch in Deutschland umgesetzt.

Ein spezielles Problem ist der Lkw-Verkehr, den der billige Diesel in Österreich anzieht. Ein Ende der Rolle als europäische Diesel-Steueroase würde auch den Lkw-Transitverkehr weniger attraktiv machen. Es braucht ein Ende des Dieselprivilegs - also der um 8,5 Cent je Liter niedrigeren Steuer als auf Benzin - und einen CO2-Preis auf Diesel so wie in Deutschland.

Es ist Konsens unter den meisten Ökonomen, dass ein CO2-Preis zentral für einen effektiven Klimaschutz ist, siehe auch die Rede des Klimaökonomen William Nordhaus, als er 2018 den Nobelpreis bekam. Die "European Task Force on Carbon Pricing" setzt sich in der EU, aber auch weltweit für eine CO2-Bepreisung einsetzt. Ihre jahrelange Kooperation mit China, insbesondere betrieben vom Vorsitzenden, dem ehemaligen französischen Finanzminister Edmond Alphandery, hat dazu beigetragen, dass China jüngst ein CO2-Handelssystem nach dem EU-Modell eingeführt hat. In diesem zentralen Bereich hat die SPD bisher mehr getan als die österreichischen Grünen.

Verlagerung von Lkw auf Bahn und Binnenschiff#

In Deutschland hat Finanzminister Olaf Scholz zu Jahresbeginn einen CO2-Preis von 25 Euro je Tonne eingeführt, der bis 2025 auf 55 Euro steigen soll. Fossile Kraft- und Brennstoffe werden dadurch teurer. Die Einnahmen senken die unsozialen Stromabgaben für den Erneuerbaren-Ausbau. Die SPD hat hier etwas umgesetzt, wovon die Grünen in Österreich noch weit entfernt sind. Deutschland kann auch als Modell für den Ausbau multimodaler Terminals dienen, wo der Staat den Ausbau förderte und damit ein wirtschaftlich sinnvolles Netz schuf. Kein Vorbild ist Deutschland beim Ausbau der Autobahn- und Schieneninfrastruktur, wo sich der deutsche Verkehrsminister nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Statt den Verkehrssektor mit seinen Umweltkosten zu belasten, wurde in Österreich - von der ÖVP initiiert, aber auch von den Grünen mitgetragen - eine Mautbefreiung für Pkw auf gewissen Autobahnstrecken in Vorarlberg, Tirol und Salzburg beschlossen. Statt die Zugverbindungen in diesen Regionen auszubauen, insbesondere auch für Urlauber, damit sie mit der Bahn anreisen, wird die Anreise im Pkw verbilligt.

Was die Grünen aber erreicht haben, ist die Rücknahme der Budgetkürzungen unter Türkis-Blau beim Ausbau der Schieneninfrastruktur. Es stellt sich allerdings die Frage der effizienten Mittelverwendung. Hier wird sehr viel Geld in die Verbilligung von Dauertickets gesteckt, das 1-2-3-Ticket konnte jedoch leider noch nicht flächendeckend in ganz Österreich eingeführt werden, die nicht unwichtige Ostregion fehlt hier. Diese Mittel wären effizienter in den Infrastrukturausbau und die technologische Entwicklung - selbstfahrende Züge, Elektrifizierung oder Wasserstoffantrieb bei Nebenbahnen - eingesetzt.

Zudem sollten neue multimodale Terminals zur Verlagerung von Lkw auf Bahn und Binnenschiff errichtet werden, nicht nur in Österreich, sondern in Kooperation mit den betroffenen Ländern auch in Zentral-, Südost- und Osteuropa. Österreich hat bereits einige gute multimodale Terminals - Wien, Enns, Salzburg, Graz - und sollte mit gutem Beispiel vorangehen. Die Asfinag sollte ihre billige Finanzierung nutzen und sich an Ausbauvorhaben auch im Ausland beteiligen. Auch die Mittel aus dem EU-Wiederaufbauprogramm "NextGenerationEU" sowie der Europäischen Investitionsbank und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sollten genutzt werden. Der Handel zwischen Asien und Europa könnte damit auch verstärkt über die Adria- statt die Nordseehäfen erfolgen. Insgesamt käme es durch diese Verlagerung von Lkw auf Bahn und Binnenschiff zu bedeutenden CO2-Emissionseinsparungen.

Ehrgeiziges Regierungsziel - bisher wenig umgesetzt#

Das Regierungsziel, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen, ist ehrgeizig, bisher haben die Grünen aber seit der Angelobung Anfang 2020 von den großen Klimabrocken aus dem Koalitionsprogramm nur das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz umgesetzt. Da es ein Zwei-Drittel-Gesetz ist, konnte die SPÖ es sozial gerechter machen, indem sie erreichte, das ärmere Stromkonsumenten weniger belastet oder von den Abgaben für den Erneuerbaren-Ausbau sogar befreit werden. Besser wäre es, sie ganz zu streichen und den Erneuerbaren-Ausbau durch höhere CO2-Abgaben auf fossile Brennstoffe zu fördern.

Der CO2-Preis sollte mittelfristig Richtung 100 Euro je Tonne steigen. Die bisherige Methode, überwiegend die Konsumenten durch Abgaben auf Strom bezahlen zu lassen - die Industrie ist ja großteils befreit -, ist unsozial. Sie führt zu einer Umverteilung von unten nach oben - die armen Stromkonsumenten subventionieren die Übergewinne der Stromproduzenten (garantierte Preise, die zu hohen Renditen ohne Risiko führen) und Netzbetreiber (hohe Netzentgelte ohne Risiko). Der Staat könnte mit dem Asfinag-Modell, durch Staatsgarantie über staatliche Gesellschaften, billiges Investitionskapital bereitstellen, so die Stromkunden wesentlich entlasten und die Umverteilung von unten nach oben beenden.

Wiener Zeitung, 24. September 2021