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Vom Fliegen #

Wo die Freiheit durchaus nicht grenzenlos ist . . .#


Von der Wiener Zeitung (22. Oktober 2022) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Matthias G. Bernold


Matthias G. Bernold, geboren 1975, lebt als Journalist in Wien.
Matthias G. Bernold, geboren 1975, lebt als Journalist in Wien.

Fliegen ist schädlich, das wissen wir. Schädlich für den Planeten - weil eine kolossale Vernichtung von Energie samt kolossaler Emission klimaschädlicher Treibhausgase. Schädlich für uns - weil wir uns die Hintern flachsitzen und stundenlang Viren in außergewöhnlicher Konzentration von der Klimaanlage auf den Kopf geblasen bekommen. Es ist nur gerecht, dass uns die Fluggesellschaften diese Fakten, wenn auch nicht direkt mitteilen, so doch in Erinnerung rufen und alles unternehmen, damit Flugreisen so mühsam wie möglich werden.

Seit ich denken kann, wird Fliegen immer ungemütlicher: immer weniger Platz, immer schmalere Armlehnen, immer weniger Gepäck. Das Essen an Bord wurde sukzessive schlechter und weniger. Dazu Sicherheitskontrollen: wie Vieh Richtung Nacktscanner getrieben, Schuhe ausziehen, Flaschen verboten, Rucksack durchwühlt. Fliegen ist eine demütigende Erfahrung. Vielleicht nicht für die Privilegierten, die Business Class reisen. Aber für alle jene in den Klassen darunter.

Deutlich wurde mir das, als ich nach längerer Zeit wieder einmal fliegen musste. Und zwar nach Austin, Texas, und zurück. Austin ist eine hochinteressante Stadt voller Kultur und grundsätzlich eine Reise wert. Die Unternehmen des Silicon Valley haben Austin für sich entdeckt und junge Menschen siedeln sich in hoher Zahl hier an, um für Google, Apple und andere Tech-Unternehmen zu arbeiten. Das pumpt Geld in die Stadt, was an den Bauwerken und Preisen sichtbar wird.

Ich war eine Woche geschäftlich dort. Fürs Wochenende war dann der Rückflug geplant. Eigentlich nicht unbequem. Einmal umsteigen in Toronto. Dann direkt zurück nach Wien. Sonntag in der Früh, so hoffte ich, würde ich wieder bei meiner Familie sein. Tatsächlich dauerte die Reise knapp 36 Stunden: Schon der erste Flug verzögerte sich wegen eines technischen Defekts um vier Stunden, Anschlussflug verpasst, dann extralanger Aufenthalt in Toronto, ein ungeplanter achtstündiger Zwischenstopp in Paris und letztlich ein Tag mehr in der verrückten Zwischenwelt des Flugreisens.

Ein Gutes hat es: Wer eineinhalb Tage durch Gänge und über Förderbänder hastet, mit Servicemitarbeitern diskutiert und auf seltsam geformten Sitzmöbeln einzudösen versucht, hat keinen Jetlag mehr. Mit Verlassen des Flughafens an der finalen Destination tritt Erholung ein. Erholung durch Freude, es hinter sich gebracht zu haben.

Ich jedenfalls habe meine Lektion gelernt. Für mich war es das jetzt. Ich werde keine Flugmeilen mehr sammeln und kein Kerosin mehr abfackeln. Mit gutem Gewissen und zufrieden werde ich vor dem Bildschirm in Videokonferenzen sitzen. I bleib daham.

Wiener Zeitung, 22. Oktober 2022