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Canetti, Elias#

* 25. 7. 1905, Rustschuk (Ruse, Bulgarien)

† 14. 8. 1994, Zürich (Schweiz)

Erzähler, Dramatiker, Essayist, Aphoristiker
Nobelpreis für Literatur


Canetti, Elias
Elias Canetti. Foto, um 1965
© Ch. Brandstätter Verlag, Wien, für AEIOU


Elias Canetti wurde am 25. Juli 1905 in der bulgarischen Donau-Hafenstadt Rustschuk (Russe) als erster Sohn von Jacques und Mathilde geboren.


Seine Eltern gehörten zur Minderheit der sephardischen Juden (Spaniolen, deren Vorfahren nach der Vertreibung aus Spanien im Jahr 1492 ins Osmanische Reich ausgewandert waren und auch später noch, als Bulgarien bereits unabhängiges Königreich war, ihre türkische Staatsangehörigkeit behielten). Ihre Umgangssprache - und somit Canettis eigentliche Muttersprache - ist Sephardisch, das altertümliche Spanisch der alten Heimat.


1911 übersiedelte die Familie nach England. Als 1912 sein Vater unerwartet starb, zog die Mutter mit ihren 3 Söhnen nach Wien.


Der 1914 ausgebrochene erste Weltkrieg bewog Canettis Mutter, 1916 in die neutrale Schweiz zu übersiedeln. Nach einer weiteren Übersiedlung der Familie nach Deutschland konnte Elias die Schule 1921 mit dem Abitur abschließen. Während Canettis Mutter und Brüder sich in Frankreich niederließen, zog er 1924 wieder nach Wien und begann ein Chemiestudium, das er 1929 mit der Promotion zum Dr. phil. nat. abschloss.


1924 besuchte er die erste öffentliche Vorlesung des Satirikers Karl Kraus, der sein literarisches Vorbild und seine sprachkritische Autorität wurde und den sehr verehrte; er lernte seine spätere Freundin und Ehefrau Veza Canetti kennen.


In den folgenden Jahren widmete sich Canetti ganz seinen ausgedehnten Lektüren und seinen literarischen Arbeiten, die Dramen "Hochzeit" und "Die Komödie der Eitelkeit" (1931/1933) erschienen.


Durch persönliche Kontakte und einige öffentliche Lesungen gewann er auch zunehmende Bekanntheit in Wiener Künstlerkreisen; er lernte u.a. Alban Berg, Hermann Broch, Anna Mahler und Robert Musil kennen.


Im Herbst 1938 emigrierte Elias Canetti mit seiner Ehefrau nach England, wo er auch nach dem Krieg blieb und die britische Staatsbürgerschaft erwarb.


Nach dem Umzug nach England konzentrierte Canetti sich ganz auf die Recherchen zu seinem lange geplanten Buch über die Masse und deren Macht und veröffentlichte zwanzig Jahre lang praktisch keine neuen Werke. Für den Lebensunterhalt sorgte hauptsächlich seine Frau Veza durch Auftragsarbeiten, die sie für englische Verlage übernahm.


Als 1960 Masse und Macht endlich in einem deutschen Verlag erschien, war Canetti enttäuscht von der eher geringen Resonanz, die das Buch hervorrief. Der Öffentlichkeit wurde Canetti nur ganz allmählich bekannt. 1963 starb Veza Canetti in London. In den folgenden Jahren wurde er durch Lesungen und Interviews, durch Aufführungen seiner Stücke und durch die Auszeichnung mit Literaturpreisen zunehmend bekannt.


Canetti heiratete 1971 die in Zürich lebende Kunstrestauratorin Hera Buschor, behielt jedoch die Wohnung in London als Erstwohnsitz. 1972 wurde ihre gemeinsame Tochter Johanna geboren und Canetti übersiedelte zu seiner Familie nach Zürich, wo er sehr zurückgezogen lebte.


Als er 1981 für sein schriftstellerisches Werk mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde, entschloss er sich, keine Interviews mehr zu geben und keine Lesungen mehr zu halten.


Am 14. August 1994 starb Elias Canetti starb im Alter von 89 Jahren in Zürich.


Posthum erschienen im Laufe der folgenden Jahre noch von Canetti vorbereitete Aufzeichnungsbände.


Canettis Erstlingswerk, der Roman "Die Blendung" (1935), gestaltet in grotesker Überzeichnung den Zusammenprall von Geisteswelt und Instinkten der Masse, die Dramen "Hochzeit" (1932), "Komödie der Eitelkeit" (1950) und "Die Befristeten" (1964) enthüllen anhand bizarrer Gedankenexperimente das Antlitz einer zutiefst korrumpierten Gesellschaft.


Die theoretische Grundlage zu seinem Werk schuf Canetti mit "Masse und Macht" (1960), wo er die fundamentale Bedeutung dieser Phänomene für die politische Realität aufzeigt.


Sein autobiographisches Spätwerk ("Die gerettete Zunge", 1977; "Die Fackel im Ohr", 1980; "Das Augenspiel", 1985) kommentiert und interpretiert eine singuläre Lebens- und Werkgeschichte.

Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

  • Großer Österreichischer Staatspreis, 1967
  • G.-Büchner-Preis, 1972
  • Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, 1972
  • Nobelpreis für Literatur, 1981
  • Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland, 1983

Werke (Auswahl)#

  • Die Blendung, Roman; 1930/1931, erschienen 1936
  • Hochzeit, Drama; 1932, als Manuskript erschienen 1932
  • Die Komödie der Eitelkeit, Drama; 1933/1934, gedruckt 1964
  • Die Befristeten, Drama, 1952/1953, gedruckt 1964
  • Masse und Macht, 1960
  • Das Gewissen der Worte; Essays, 1975
  • Der Ohrenzeuge; Fünfzig Charaktere; 1974
  • Die gerettete Zunge; Geschichte einer Jugend, Autobiografie, 1977
  • Die Fackel im Ohr; Lebensgeschichte 1921-1931, Autobiografie, 1980)
  • Der andere Prozeß. Kafkas Briefe an Felice, 1983
  • Das Augenspiel; Lebensgeschichte 1931-1937, Autobiografie, 1985)
  • Party im Blitz; Die englischen Jahre, Autobiografie, 2003, posthum
  • Aufzeichnungen (entst. ab 1942, gedruckt in Buchform ab 1964)
    • Die Provinz des Menschen; Aufzeichnungen 1942-1972 (1973)
    • Das Geheimherz der Uhr; Aufzeichnungen 1973-1985 (1987)
    • Die Fliegenpein (1992)
    • Nachträge aus Hampstead; Aus den Aufzeichnungen 1954-1971 (1994)
    • Aufzeichnungen 1992-1993 (1996)
    • Aufzeichnungen 1973-1984 (1999)
    • Aufzeichnungen für Marie-Louise, 1942, 2005 posthum

  • Ausgabe
    • Werke, 14 Bände, 1995

Literatur#

  • F. Aspetsberger und G. Stieg (Hg.), E. Canetti. Blendung als Lebensform, 1985
  • dieselben, E. Canetti, 1986
  • C. Geoffroy, E. Canetti, 1995
  • M. Krüger (Hg.), Einladung zur Verwandlung, 1995
  • D. Barnouw, E. Canetti zur Einführung, 1996


Hörprobe#


Hörprobe Österreichische Mediathek


Hochzeit.
Ausschnitt: Aus dem Vorspiel, 2. Bild. Autorenlesung. Wien, 4.11.1965.

Vorlesen

Quellen#


Redaktion: I. Schinnerl


äußerst gelungene info über einen der größten denker unserer zeit, der an seinem hauptwerk "masse und macht" ganze dreißig jahre arbeitete.

--Glaubauf Karl, Dienstag, 17. August 2010, 10:25