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Christlichsoziale Bewegung#

Anfang des 19. Jahrhunderts zeigten sich in Österreich, vor allem in Wien, erste Ansätze einer christlichsozialen Bewegung, so im romantischen "Wiener Zirkel" um Clemens Maria Hofbauer. Im Revolutionsjahr 1848 schufen S. Brunner (mit seiner "Wiener Kirchenzeitung" Vorläufer des katholischen Pressewesens), A. Günther, J. E. Veith, C. von Hock, W. Gärtner und J. M. Häusle einen christlich-demokratischen "Katholikenverein", der von Laien geleitet wurde. Diese jungen Kräfte mussten nach der Niederwerfung der Revolution bzw. nach dem Konkordat 1855 wieder dem katholischen Konservativismus der Adels- und Kirchenkreise weichen, aus denen aber dann die eigentlichen führenden Männer der christlichsozialen Bewegung kamen.


Der Wiener Kardinal Anton Gruscha schuf 1852 Gesellenvereine nach dem Vorbild der deutschen Kolping-Vereine. Kosegarten plante katholische Arbeitervertretungen und -krankenkassen. L. Psenner und A. Latschka gründeten 1887 den Christlichsozialen Verein, kurz vorher war die Zweckgemeinschaft der Vereinigten Christen entstanden, in deren Reihen neben F. Piffl, F. Stauracz, Ä. Schöpfer, A. Opitz auch K. Lueger und Prinz Aloys Liechtenstein für die Ideen einer christlichen Sozialreform eintraten. Die ideologischen Richtlinien der Bewegung gab Karl Freiherr von Vogelsang, der "Altvater" der Bewegung.

Seinen Ideen schlossen sich R. Mayer, R. Graf Belcredi, A. Geßmann, Prinz A. von Liechtenstein und K. Lueger an, der aus dem von A. Schneider und Zerboni gegründeten Österreichischen Reformverein kam. Der Tätigkeit dieser Männer sind zahlreiche Sozialgesetze der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts (zum Beispiel Arbeiterschutzgesetze, Gewerbeinspektorate) zu verdanken. Vogelsang und Liechtenstein wurden Gründer und geistige Führer der "Freien Vereinigung katholischer Sozialpolitiker", einer Keimzelle der christlichen Sozialreform.


Die Bewegung erhielt durch den Allgemeinen Österreichischen Katholikentag in Wien (1889) und durch die Sozialenzyklika "Rerum novarum" (1891) von Papst Leo XIII. ihre Vertiefung.

Pater Heinrich Abel kämpfte im Verein bundesgenossenschaftlicher Handwerker und Arbeiter für die Zusammenarbeit von Meister und Geselle. In diesen Jahren kamen sich die einzelnen Gruppen der christlichsozialen Bewegung, die Vereinigten Christen, die Demokraten, die gewerblichen Reformer, die Christlichsozialen, die Katholisch-Konservativen, immer näher.

Das letzte Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts brachte der christlichsozialen Bewegung den politischen Sieg. 1892 gründete Leopold Kunschak den Christlichsozialen Arbeiterverein, ein Jahr später wurden die verschiedenen Gruppen in der Christlichsozialen Partei unter Führung Karl Luegers vereinigt.

1894 wurde auf Initiative von F. M. Schindler der erste sozialpolitische Kurs im Rahmen der Leo-Gesellschaft in Wien abgehalten. Diese Kurse wurden, wie die in die Geschichte der Partei eingegangenen Enten-Abende, Pflanzstätten der neuen christlichsozialen Bewegung, deren weitere Entwicklung allerdings immer enger mit der Parteipolitik verschmolz, in der die Konservativ-Klerikalen und Bürgerlichen, das Bauerntum und die Wirtschaftskreise die Führung an sich rissen.

So musste AntonOrel, der 1905 mit dem Bund der Arbeiterjugend Österreichs (seit 1901 Verband der christlichen Jugend Österreichs) im Sinn Karl von Vogelsangs eine christlich-antikapitalistische Jugendbewegung ins Leben gerufen hatte, mit seinen Anhängern aus der Partei austreten, auch weil Leopold Kunschak mit dem Reichsbund der christlichen Arbeiterjugend bereits eine Gegenorganisation geschaffen hatte.


Die neue "Wiener Richtung" Anton Orels nach dem 1. Weltkrieg zielte, wie zu Beginn der christlichsozialen Bewegung, auf eine "Entbürgerlichung" des kirchlichen und politischen Lebens ab. Neben A. Orel waren E. K. Winter, K. Lugmayer, J. Eberle und zum Teil auch O. Spann in dieser Richtung führend.

Die vielfältig verzweigte Wiener Richtung führte 1925 zum Manifest "Lehren und Weisungen der Kirche über soziale Fragen der Gegenwart", vorbereitet durch S. Waitz und Johannes Messner, ergänzt durch die Wiener katholische soziale Tagung 1929. Der Ständestaat 1934-38 erweiterte den Abstand zwischen den "Bürgerlichen" und der christlichsozialen Arbeiterschaft erneut.


Die Grundlage der christlichsozialen Bewegung nach 1945 bildet der Sozialhirtenbrief der österreichischen Bischöfe von 1957. Das Institut für Sozialpolitik und Sozialreform hielt seit 1954 "Wiener Soziale Wochen" ab. Zentrum der christlichsozialen Bewegung ist gegenwärtig die Katholische Sozialakademie, die Konzepte erarbeitet und Veranstaltungen organisiert.

Literatur#

  • Das christlichsoziale Programm. Mit Erläuterungen von R. Schmitz, 1932
  • A. Fuchs, Geistige Strömungen in Österreich 1867-1918, 1919
  • L. Kunschak, 45 Jahre Christlichsozialer Arbeiterverein, 1937;
  • G. Schmitz, Die Entwicklungsgeschichte der christlichsozialen Volksbewegung in Oberösterreich (1875-91), Dissertation, Wien 1938
  • H. Müller, Sozialpolitik und christlichsoziale Bewegung, Dissertation, Wien 1947
  • F. Funder, Vom Gestern ins Heute, 1952; Aufbruch zur christlichen Sozialreform, 1953
  • W. Bredendieck, Christliche Sozialreformer des 19. Jahrhunderts, 1953
  • A. Diamant, Die österreichischen Katholiken und die 1. Republik, 1960
  • E. Weinzierl, Die Katholische Kirche, in: Die Katholische Kirche und K. Skalnik, Die 2. Republik, Band 2, 1972
  • J. W. Boyer, Political radicalism in late imperial Vienna, 1981
  • E. Weinzierl, Kirche seit 1980, in: E. Fröschl, 15 Jahre, die Österreich verändert haben, 1986
  • E. Weinzierl, Prüfstand. Österreichische Katholiken und der Nationalsozialismus, 1988