!!!Frühe Erdölförderung in Galizien 

Bereits im frühen 19. Jahrhundert wurden die Rohstoffe Öl und Erdwachs (Ozokerit) in Galizien zumeist von Juden, den sogenannten ''Lubaki'', zu Beleuchtungszwecken gesammelt. Das Erdwachs wurde an der Oberfläche geschürft, das Öl aus Erdgruben geschöpft. Der starke Geruch hemmte allerdings lange Zeit die Nachfrage und eine professionelle Förderung. Das änderte sich durch Verbesserungen bei der Raffinierung und die Entwicklung der Petroleumlampe, zu welchen der Lemberger Apotheker Ignacy Lukasiewicz 1852 maßgeblich beigetragen hatte.

[{Image src='Lemberg.png' height='450' class='image_left' caption='Die Lage von Drohobycz' alt='Die Lage von Drohobycz' width='709'}]Die ruthenischen Bauern aus der Umgebung von __Drohobycz__ hatten seit jeher das Erdöl, das sich in manchen Löchern auf ihren Wiesen von selbst sammelte, abgeschöpft, in kleine selbstgefertigte Holzfässchen gefüllt und diese am Markt in Drohobycz verkauft. Die dünnflüssige ''kipiqczka'', das Naturprodukt, war als Mittel zum Einlassen von Lederwaren gesucht, die dickflüssige ''ropa''als Wagenschmiere, und beide übelriechenden Stoffe wurden von geschäftstüchtigen Quacksalbern als wunderwirkende Kurmittel verschrieben. Die Ruthenen kannten auch eine einfache Methode, um aus kipiqczka die begehrtere ropa herzustellen: sie gruben am Flußufer Löcher, füllten diese mit Wasser und gössen dann Rohöl drauf das sie mit Weidenruten so lange peitschten, bis es dicker wurde. 

Um 1810 wurde in Drohobycz von zwei Kaufleuten ein Betrieb zur Gewinnung von flüssigem Erdöl gegründet, der "Leuchtöl" aus dem Naturprodukt destillierte, was zu jener Zeit nirgends sonst auf der Welt gemacht wurde. 


In Österreich-Ungarn war die Ölförderung im Gegensatz zu den meisten Staaten mit Ausnahme der USA an den Grundbesitz gebunden und so weitgehend der staatlichen Kontrolle entzogen. Daher hatten anfangs auch kleine Grundbesitzer die Möglichkeit, Förderlizenzen zu erwerben. Man hob Brunnen bis in die Tiefe von 100 Metern aus, das Erdöl wurde zunächst mit Eimern geschöpft, später kamen Handpumpen zum Einsatz. Erst die 1862 eingeführte Verwendung des frei fallenden Bohrzeugs für die Schachtvertiefung erlaubte ein Vordringen bis zu einer Tiefe von fast 250 Metern. 


[{Image src='2.jpg' height='270' class='image_right' caption='Bild der Galizischen Bohrtürme - gezeigt in der Ausstellung "Mythos Galizien" des Wien-Museums - Foto: P. Diem' alt='Bohrtürme Galizien' width='360'}]Die ersten Bohrtürme waren in den Karpaten Mitte der achtziger Jahre aufgetaucht, nachdem amerikanische Ingenieure die auf den Ölfeldern von Pennsylvanien mit Erfolg erprobte "kanadische Stangenbohrung" nach Galizien gebracht hatten. Die Techniker aus der neuen Welt müssen Augen gemacht haben, als sie zu den "Ölfeldern" von Boryslaw und Tustanowice geführt wurden. Sie standen vor einer Kraterlandschaft. Die Ölschürfer hatten, oft nur wenige Meter voneinander entfernt, enge, senkrechte Schächte in den Boden getrieben, bis zu 150 Meter Tiefe, in denen sich das Rohöl am Grund sammelte, das dann wie aus einem Brunnen mit einem Kübel herausgeschöpft wurde, der an einem über eine hölzerne Haspel laufenden Seil in die Tiefe gelassen wurde. Den wichtigsten Rohstoff für diesen Bergbau, neben dem Erdöl selbst, hatten anfangs die Weiden geliefert, die an den sumpfigen Ufern der Trudnica, des Bar und der Tysmienica zu Tausenden wuchsen: die Seitenwände der in Sandstein gegrabenen Schächte waren mit Weidengeflecht verkleidet; die Haspeleinrichtung bestand aus zwei gegabelten Stämmen, die neben dem Schacht in den Boden gerammt wurden, und einem dritten, dünneren Stamm, der als Haspelwelle drübergelegt wurde; auch das Förderseil war aus Weidenruten geflochten, ebenso der Bügel des hölzernen Schöpfkübels

!Die Dampfkraft kommt
Die gegen Ende der 1860er-Jahre eingesetzten Dampfmaschinen erleichterten die Arbeit, allerdings stieg die Brandgefahr infolge der Entzündung der entweichenden Gase. 1881 waren allein in Borystaw 201 Firmen im Ölgeschäft tätig. 550 Bohrtürme befanden sich in Bau, 1.200 in Betrieb. 

Diese technischen Innovationen in Verbindung mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes leiteten einen rasanten Öl-Boom in der ostgalizischen Region um Boryslaw und Drohobycz ein. Seit den 1880er-Jahren stiegen österreichische und internationale Konzerne, unter ihnen Banken, in das Ölgeschäft ein. Der Öl-Boom führte zu einem rasanten Anstieg der Bevölkerungszahl in der Region. Viele waren Juden, manche hatten es zu Reichtum gebracht, wie die Unternehmerfamilien Erdheim oder Segal; die meisten jedoch waren Tagelöhner, deren Lebensbedingungen katastrophal waren. Es war die Rede von der "galizischen Hölle". Mehrmals legten Streiks die Erdölförderung lahm. Boryslaw wurde zum ersten Zentrum eines neuen Industrieproletariats in einem vorwiegend agrarischen Land. 

Die galizischen Erdölvorkommen machten Österreich-Ungarn vor dem Ersten Weltkrieg mit einem Anteil von fünf Prozent nach den USA und Russland zum drittgrößten Produktionsland der Welt


!Der Erfinder der Petroleumlampe

1853 gelang es dem Lemberger Apotheker __[Ignacy Łukasiewicz|AustriaWiki/Ignacy_Łukasiewicz]__, durch Destillation Petroleum aus Erdöl zu gewinnen. Er baute in Charkowka eine Raffinerie, um Petroleum als Leuchtmittel einzusetzen. Anfangs experimentierte er mit der traditionellen Öllampe. Doch dann entwickelte er in Zusammenarbeit mit dem Lemberger Blechschmied Adam Bratkowski die erste Petroleumlampe, welche die Apotheke "Pod Zfotaj Gwiazda." (dt. Zum goldenen Stern) erhellte. Als Tag der ersten öffentlichen Verwendung der Leuchte gilt der 31. Juli 1853 - damals sorgten Petroleumlampen für die Beleuchtung eines Operationssaals im Lemberger Tyczaköw-Krankenhaus.
Die erste mit Petroleum gespeiste Straßenlaterne wurde 1854 in Gorlice angezündet. Drei Jahre später kamen auch die Wiener in den Genuss des galizischen Öl: der Wiener Nordbahnhof wurde als erstes öffentliches Gebäude mit Petroleum aus Drohobycz, oder Naphtha, wie man es nannte, beleuchtet. Die Erdölindustrie von Drohobycz war geboren.

__Quellen:__

--> Martin Pollack, Galizien - Insel Taschenbuch 2747, Frankfurt 2014\\ 
--> Mythos Galizien, Wien Museum, Metroverlag, Wien 2015

Vgl. auch die Erdölstadt [Gbely|Wissenssammlungen/Essays/Altösterreich_heute/Gbely] in der Westslowakei


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Redaktion: [P. Diem|User/Diem Peter]
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