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Girtler, Roland#

*31. 5. 1941, Wien


Soziologe

Prof. Roland Girtler
Prof. Roland Girtler.
Foto: Verlagsbuero Schwarzer. Aus: Wikicommons, unter CC BY-SA 4.0

Roland Girtler wurde am 31. Mai 1941 in Wien geboren.

Als Sohn eines Landarztes und einer Landärztin wuchs er in Spital am Pyhrn (Oberösterreich) auf und besuchte von 1951 bis 1959 das humanistische Gymnasium des Kloster Kremsmünster, in dem er auch maturierte.

Auf Wunsch des Vaters begann er ein Jus-Studium, das er aber nach zwei Staatsprüfungen an den Nagel hängte. Nach einem schweren Unfall hatte er ein Schlüsselerlebnis, das seine spätere Forscher-Karriere prägte: er lernte im Krankenhaus einen Zuhälter kennen und war von Gesprächen mit dem Mann so fasziniert, dass er die Studienrichtung wechselte - nach den Studien Völkerkunde und Urgeschichte verschlug es ihn zur Soziologie.

Durch diesen Zimmergenossen im Krankenhaus kam er auch erstmals in Kontakt mit der Gaunersprache, dem "Rotwelsch", dem Roland Girtler eines seiner populärsten Bücher widmete.

Die Soziologie bezeichnet er gerne als Abenteuer, für das er auch immer wieder auf die Straße wie auf Reisen ging. So kam er per Autostopp bis Istanbul, durchquerte Griechenland zu Fuß und fuhr mit dem Rad bis Paris und über die Pyrenäen. Hilfreich für seine Studien waren ihm nicht zuletzt diverse Ferienjobs und Tätigkeiten zum Gelderwerb – er arbeitete u.a. als Bierausführer, Gemüselieferant, "Sacklpicker" oder Filmkomparse.

1971 promovierte er mit der Dissertation "Die Rechtsnormen der souveränen Eingeborenengruppen in Nordwestaustralien. Ein Beitrag zur Methode der Rechtsethnologie" zum Dr. phil.; anschließend hielt er sich ein halbes Jahr in Indien auf, wo er den "Panchayat" (Dorfrat) in den Bauerndörfern erforschte. Daraus entstand sein erstes Buch "Die 'demokratische' Institution des Panchayat in Indien".

Nach seiner Rückkehr nach Österreich war er ab 1972 am Institut für Soziologie an der Universität Wien als Assistent tätig. Ein wesentlicher Schwerpunkt seiner unkonventionellen Arbeit lag bzw. liegt bei den sogenannten "Randgruppen" der Gesellschaft wie Prostituierten, Obdachlosen, Schmugglern, Wilderern und Ganoven. Er beschäftigte sich aber auch mit Bergbauern und Sennerinnen, Polizisten, Klosterschülern, Pfarrersköchinnen und der deutschsprachigen Minderheit der "Landler" in Siebenbürgen.
1979 habilitierte er sich hier zum Thema "Kulturanthropologie. Entwicklungslinien, Paradigmata, Methoden", 1989 wurde er zum außerordentlichen Professor für Soziologie an der Universität Wien ernannt, wo er - unterbrochen durch einen zweijährigen Aufenthalt an der Universität München - auch nach seiner Emeritierung noch tätig ist.


Seine Domäne ist und bleibt die Feldforschung, für die er auch "Zehn Gebote" verfasst hat. Forschungsprojekte wie "Die Landler in Siebenbürgen", "Gaunersprache und die Vagabunden der Großstadt", "Wilderer im Alpenraum" waren und sind Roland Girtler sehr wichtig; doch nicht nur Randgruppen zogen das Interesse des Soziologen auf sich; es interessierte ihn immer "die Vielzahl an Kulturen in einer Gesellschaft, die feinen Leute eingeschlossen" - so beschäftigte er sich in Studien auch mit dem Adel sowie der High Society.

Seit Mai 2000 ist er wissenschaftlicher Leiter des Museums "Wilderer im Alpenraum - Rebellen der Berge" in St. Pankraz bei Hinterstoder (Oberösterreich). Einer breiten Öffentlichkeit ist RolandGirtler auch durch seine wöchentliche Kolumne in der "Kronenzeitung" am Sonntag bekannt.

Ao. Univ.-Prof. i.R. Dr. Roland Girtler ist seit 1964 verheiratet, hat zwei Kinder und inzwischen acht Enkelkinder.

Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

  • Ernennung zum "Ehrenkiberer" von der Vereinigung österreichischer Kriminalisten, 2013
  • Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse, 2002
  • Preis der Stadt Wien für Volksbildung, 2014

Werke (Auswahl)#

Bücher
  • Die "demokratische" Institution des Panchayat in Indien, 1971
  • Der Adler und die drei Punkte - die kriminelle Karriere des Ganoven Pepi Taschner, 1983
  • Aschenlauge - vom Wandel der bäuerlichen Kultur, 1987
  • Die feinen Leute, 1989 (Neuauflage 2002)
  • Verbannt und vergessen - der Untergang der Landler in Siebenbürgen, 1992
  • Der Strich, 1994
  • Randkulturen - Theorie der Unanständigkeit, 2003
  • Sommergetreide - Vom Untergang der bäuerlichen Kultur, 1996
  • Landärzte - Als Krankenbesuche noch Abenteuer waren, 1997
  • Wilderer - Soziale Rebellen in den Bergen, 1998
  • Rotwelsch - Die alte Sprache der Gauner, Dirnen und Vagabunden,1998
  • Bösewichte - Strategien der Niedertracht, 1999
  • Die alte Klosterschule - eine Welt der Strenge und der kleinen Rebellen, 2000
  • Okrajove Socialni Kultury. (Übersetzung des Buches "Randkulturen - Theorie der Unanständigkeit", Hg. M. Urbanova, M. Smejkal), 2001
  • Methoden der Feldforschung, 2001
  • Die Lust des Vagabundierens - eine Pilgerreise mit dem Fahrrad nach Assisi, 2001
  • Echte Bauern - vom Zauber einer alten Kultur, 2002
  • Die feinen Leute. Wien, 2002
  • Der Strich – Soziologie eines Milieus (erweiterte Neuauflage), 2004
  • Die zehn Gebote der Feldforschung, 2004
  • Wilderer-Kochbuch mit Durchschuss (mit Eva Bodingbauer; Rezepte), 2004
  • Pfarrerköchinnen – edle Frauen bei frommen Herren, 2005
  • Irrweg Jakobsweg – Die Narbe in den Seelen von Muslimen, Juden und Ketzern, 2005
  • Abenteuer Grenze – Von Schmugglern und Schmugglerinnen, Ritualen und "heiligen" Räumen, 2006
    (überarbeitete Neuauflage von "Schmuggler - Grenzen und ihre Überwinder", 1992)
  • Der Adler und die drei Punkte – die Karriere des Ganoven Pepi Taschner (Neuauflage), 2006
  • Ein Lesebuch: Das Beste vom vagabundierenden Kulturwissenschafter, 2006
  • Das letzte Lied vor Hermannstadt – Das Verklingen einer deutschen Bauernkultur in Rumänien
    (mit Studenten des Instituts für Soziologie), 2007
  • Herrschaften wünschen zahlen – die bunte Welt der Kellnerinnen und Kellner, 2008
  • Eigenwillige Karrieren. Wer seinen eigenen Weg geht, kann nicht überholt werden, 2011

Weiterführendes#

Literatur#

  • H. C. Ehalt, J. Hochgerner, W.Hopf (Hg.): Die Wahrheit liegt im Feld - Roland Girtler zum 65., 2006

Quellen#


Redaktion: I. Schinnerl