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Kelsen, Hans#


* 11.10. 1881, Prag

† 19.4.1973, Berkeley (USA)


Staats- und Verwaltungsrechtler, Rechtsphilosoph

Hans Kelsen
Hans Kelsen. Foto.
© Bildarchiv der ÖNB, Wien, für AEIOU

Hans Kelsen wurde am 11. Oktober 1881 in Prag als ältester Sohn einer deutschsprachigen jüdischen Familie geboren. 1883 zog die Familie nach Wien, wo der Vater, Adolf Kelsen, eine kleine Lampen-Fabrik gründete. Hans Kelsen maturierte 1900 am Akademischen Gymnasium, absolvierte den einjährigen Wehrdienst und wurde 1906 an der Uni Wien zum Doctor juris promoviert.

Nach einem Studienaufenthalt in Heidelberg bei Georg Jellinek (1908) arbeitete er an seiner über 700 Seiten starken Habilitationsschrift "Hauptprobleme der Staatsrechtslehre", mit der er im Juli 1911 die Lehrbefugnis "für allgemeines und österreichisches Staatsrecht, Rechtsphilosophie und deren Geschichte" verliehen bekam. Im Brotberuf hielt er zahlreiche Vorträge an der "Exportakademie", der jetzigen Wiener Wirtschaftsuniversität, sowie in der Wiener Volksbildung.

1912 heiratete er Margarete Bondi, der Ehe entstammen zwei Töchter. 1914 bis 1918 war Kelsen zum Kriegsdienst eingezogen und arbeitete ab 1915 in der Militärjustiz, wo er u.a. das Gnadenreferat leitete. 1917 rückte er zum persönlichen Berater des k.u.k. Kriegsministers Rudolf Stöger-Steiner auf und entwickelte in dessen Auftrag Pläne nicht nur für eine Reform der k.u.k. Armee, sondern auch für eine verfassungsrechtliche Reform der k.u.k. Monarchie.

Im Juli 1918 wurde Kelsen zum außerordentlichen Professor an der Universität Wien ernannt; ein Jahr später erfolgte seine Ernennung zum ordentlichen Professor, womit er die Nachfolge Edmund Bernatziks als Ordinarius für Staats- und Verwaltungsrecht antrat. Neben seiner akademischen Tätigkeit war Kelsen von 1918 bis 1921 als juristischer Experte für die Staatskanzlei bzw. das Bundeskanzleramt tätig und wirkte im Auftrag Karl Renners maßgeblich an der Ausarbeitung der österreichischen Bundesverfassung von 1920 mit.

Insbesonders entwickelte Kelsen die österreichische Verfassungsgerichtsbarkeit und war schließlich auch selbst von 1919 bis 1930 nebenamtlich als Richter am VfGH tätig. Als 1929 die zweite Bundes-Verfassungsgesetznovelle verabschiedet und bestimmt wurde, dass alle am Verfassungsgerichtshof tätigen Richter per 15. Februar 1930 ihres Amtes enthoben seien, verließ Kelsen unter politischen und antisemitischen Anfeindungen Wien. Im Herbst 1930 nahm er einen Ruf als Ordinarius für Völkerrecht an der Universität zu Köln an. Doch schon 1933 musste er nach der Machtergreifung Adolf Hitlers aufgrund seiner jüdischen Abstammung aus dem Amt scheiden und floh aus Deutschland. Da die Universität Wien ihn nicht wieder aufnahm, nahm er ein Angebot des Institut Universitaire de Hautes Etudes Internationales in Genf an; 1936 erhielt er auch einen Ruf von der Deutschen Universität in Prag und verbrachte fortan die Sommersemester in Genf, die Wintersemester in Prag.

Doch nach dem Münchener Abkommen weigerte sich Kelsen, nach Prag zurückzukehren; und mit Jahresende 1939 wurde er formell, allerdings ohne Pensionsbezüge in den Ruhestand versetzt. Da er sich auch in Genf bald vor dem Nationalsozialismus nicht mehr sicher fühlte, emigrierte er Ende Juni 1940 in die USA. Für einen kontinentaleuropäischen und zudem betagten Rechtswissenschafter gab es im US-amerikanischen Case Law-System allerdings keinen Platz, und außerdem waren die wenigen freien Stellen bereits von den zahlreichen anderen europäischen Emigranten besetzt. Deshalb hielt sich Kelsen anfangs mit befristeten Stipendien, u.a. seitens der Rockefeller Foundation über Wasser. So war er im akademischen Jahr 1940/41 Lecturer an der Harvard Law School, lehrte später am Wellesley College und erhielt erst 1943 eine Gastprofessur an der University of California in Berkeley – jedoch nicht an der Law School, sondern am Political Science Department.

1944 wirkte Kelsen im Office of Wartime (Economic Affair’s Liberated Areas Division) in Washington D.C., wo er u.a. ein Gutachten zur völkerrechtlichen Stellung Österreichs und Deutschlands nach Kriegsende verfasste. 1945 erhielt er schließlich in Berkeley eine Professur für Political Science und wurde US-amerikanischer Staatsbürger. Bereits 1946 wurde er wieder nach Washington gerufen, diesmal um bei der Vorbereitung der Nürnberger Prozesse zu helfen.

In jenen Jahren und vor allem nach seiner Emeritierung 1952 entwickelte Kelsen eine rege Reise- und Vortragstätigkeit, die ihn nicht nur wieder nach Genf und auch nach Österreich, sondern vor allem nach Südamerika führte. Die südamerikanischen Rechtsphilosophen Hugo Caminos, Ernesto Hermida und Jaime Perriaux trugen zur Verbreitung von Kelsens Reiner Rechtslehre maßgeblich bei.

In den 1950er Jahren setzte sich Kelsen insbesonders mit den politischen und Rechtstheorien des Kommunismus und Bolschewismus auseinander und überarbeitete seine Rechtslehre. Er nahm zahlreiche Ehrendoktorate entgegen, u.a. von Utrecht, Harvard, Mexico, Berlin, Wien und New York. 1953 erhielt er den Karl Renner-Preis und den Ehrenring der Stadt Wien.

AKG
Gedenktafel, Akad. Gymnasium
© Rainer Lenius
Kelsen Wickenburggasse 23
Gedenktafel Wickenburggasse
© Rainer Lenius

Kelsen, Hans
Büste von Ferdinand Welz
Universität Wien
Arkadenhof
Kelsen starb am 19. April 1973 in Berkeley, Kalifornien.
(Posthum erschienen u.a. 1979 seine Schrift "Die allgemeine Theorie der Normen" und 2011, der Band "Secular Religion".)


An seinem Wohnhaus in Wien 8, Wickenburggasse 23, und am Akademischen Gymnasium Wien 1, Beethovenplatz, sind Gedenktafeln angebracht. Im Arkadenhof der Universität Wien ist seit 1984 seine Büste von Ferdinand Welz aufgestellt; seit 2007 befindet sich eine Kopie dieser Büste beim Bundespräsidenten in einem Raum des Leopoldinischen Traktes der Alten Hofburg, welcher die Bezeichnung "Hans Kelsen-Zimmer" trägt. Im 3. Bezirk ist Kelsen eine Straße gewidmet.

1972 wurde - anlässlich des 90. Geburtstags von Hans Kelsen - das Hans Kelsen-Institut gegründet, eine Bundesstiftung, die der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Reinen Rechtslehre dient.

Werke (Auswahl)#

  • Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 1911
  • Vom Wesen und Wert der Demokratie, 1920
  • Österreichisches Staatsrecht, Ein Grundriß, 1923
  • Allgemeine Staatslehre, 1925
  • Reine Rechtslehre 1934
  • Vergeltung und Kausalität, 1941
  • Peace Through Law, 1944
  • The Law of the United Nations, 1950
  • Was ist Gerechtigkeit?, 1953
  • Allgemeine Theorie der Normen, 1979 (postum)
  • Secular Religion, 2011 (postum)

Weiterführendes#

Literatur#

  • R. A. Metall, H. Kelsen. Leben und Werk, 1969
  • R. Walter und H. Kelsen, in: W. Brauneder (Hg.), Juristen in Österreich, 1987
  • C. Heidemann, Die Norm als Tatsache. Zur Normentheorie H. Kelsens, 1997
  • Tamara Ehs, Hans Kelsen und politische Bildung im modernen Staat (Schriftenreihe des Hans Kelsen‐Instituts Bd. 29, Wien 2007)
  • Tamara Ehs (Hg.), Hans Kelsen. Eine politikwissenschaftliche Einführung (Baden‐Baden–Wien 2009)
  • Thomas Olechowski, Über die Herkunft Hans Kelsens, in: Tiziana CHIUSI, Thomas GERGEN, Heike JUNG (Hgg.), Das Recht und seine historischen Grundlagen. Festschrift für Elmar Wadle zum 70. Geburtstag (Schriften zur Rechtsgeschichte, Bd. 139, Berlin 2008), S. 849–863
  • Robert Walter, Clemens Jabloner, Klaus Zeleny (Hgg.), Der Kreis um Hans Kelsen (Schriftenreihe des Hans Kelsen‐Instituts 30, Wien 2008)
  • Robert Walter, Werner Ogris, Thomas Olechowski (Hgg.), Hans Kelsen: Leben – Werk – Wirksamkeit (Schriftenreihe des Hans Kelsen‐Instituts, Bd. 32, Wien 2009)
  • Tamara Ehs / Miriam Gassner, Hans Kelsen (1881-1973). Legal Scholar between Europe and the Americas

Quellen#

  • AEIOU
  • Hans-Kelsen-Institut
  • Bundesstiftung Hans-Kelsen-Institut
  • Universität online: http://www.dieuniversitaet-online.at/beitraege/news/internationale-tagung-zum-leben-und-wirken-von-hans-kelsen/68/neste/6.html
  • Forschungsprojekt http://www.hanskelsen.eu
  • DIE FURCHE
  • 625 Jahre Universität Wien
  • F. Czeike: Historisches Lexikon Wien
  • Große Österreicher, ed. Th. Chorherr, Verlag Ueberreuter, 256 S.
  • Neue Österreichische Biographie
  • Neue Deutsche Biographie


Redaktion: I. Schinnerl, Tamara Ehs