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Mechitaristen#

Kongregation, Zweig des 1701 in Konstantinopel (Istanbul) vom armenischen Mönch Mechitar gegründeten katholischen Ordens, anfangs nach der orientalischen Antoniusregel, seit 1711 nach der Benediktinerregel.

Kam 1810 nach Wien (Kloster und Kirche in Wien 7 1873/74 erbaut). Der Orden fördert das Studium der orientalischen Sprachen, besitzt wertvolle Handschriften, eine große Bibliothek, betreibt die wissenschaftliche Erforschung der armenischen Literatur und gibt die Zeitschrift "Handes Amsorya" (Zeitschrift für Armenische Philologie) heraus.

Literatur#

  • V. Inglisian, Die Wiener Mechitaristen-Kongregation, 1937
  • 150 Jahre Mechitaristen-Kongregation in Wien, 1962
  • M.K. Arat, Die Wiener Mechitaristen, 1990

Per U-Bahn zum Berg Ararat (Essay)#

Von Karin Seethaler (Die Presse)

Vor 200 Jahren kamen sie nach Wien: eine Handvoll armenischer Mönche, die sich von ihrem Mutterhaus abgespalten hatten. Bis heute sind sie geblieben, als stille Hüter eines einzigartigen Kulturschatzes. Die Mechitharisten – ein Besuch in Wien-Neubau.

Die Tür öffnet ein schlaksiger Zwanzigjähriger in Jeans und Turnschuhen. Der Pförtner. Er führt Besucher durch einen breiten Korridor in den Innenhof des Klosters und von dort weiter in ein dumpfes, etwas muffiges Empfangszimmer. „Bitte“, sagt der junge Mann und lächelt einladend, „Pater Vahan kommt gleich.“ Dann verschwindet er. Es ist ein hoher Raum, dämmrig und ein bisschen abgelebt. Bilder hängen an den Wänden, Ölgemälde in satten Farben, Berge, Seen, Wälder. Eines zeigt das Porträt eines Mannes in schwarzer Kutte, die Haare unter einer engen Kappe versteckt. Der lange Kinnbart ist schneeweiß, doch das Gesicht immer noch jugendlich. Tief in Gedanken blickt er über den Betrachter hinweg auf ein Ziel, das – so dürfte es der Maler beabsichtigt haben – bereits jenseits dieser Welt liegt.

Der Mann ist Mechithar von Sebaste. Jener armenischer Mönch, der 1701 in Konstantinopel einen katholischen Orden ins Leben rief, mit dem Ziel, „der geistigen Not des Volkes abzuhelfen“ und die Christen seines Landes wieder mit Rom zu vereinen. „Adoptivsöhne der Jungfrau“ nannten sich seine Mitglieder, die „Mechitharisten“. Ein Teil zog vor 200 Jahren von Konstantinopel über Venedig und Triest nach Wien, wo sie sich im ehemaligen Kapuzinerkloster „Am Platzl“ niederließen – zur Verblüffung der dortigen Bevölkerung, der die fremde Geistlichkeit exotisch und geheimnisvoll erscheinen musste.

„Das Costüm der Mönche ist ganz orientalisch“, staunte etwa 1839 der Jurist Friedrich Karl von Strombeck. Und noch in den 1960er-Jahren beschrieb ein Autor die „schlanken, dunklen, hohen Gestalten der Mönche“ als Diener Gottes, „die wirken, als seien sie eben aus hethitischen Reliefs herausgetreten“.

Freilich ist von solcher Entrücktheit im Mechitharistenkloster, diesem verborgenen Kleinod umgeben von mehrstöckigen Zinshäusern mitten im siebenten Bezirk, heutzutage nur wenig zu spüren. Vermutlich schon allein deshalb, weil sie inzwischen nur noch fünf sind. Fünf Patres, die nicht nur das Kloster und die angeschlossene Pfarre in Betrieb halten, sondern auch weitere Niederlassungen und Missionen, vor allem im Nahen Osten, betreuen sollen. Ein Pensum, das kaum zu bewältigen ist. „Am Tag habe ich oft 50 bis 100 E-Mails zu beantworten“, seufzt Pater Vahan, der inzwischen unbemerkt durch eine Seitentür eingetreten ist. Er ist eine Art „Kommunikationsverantwortlicher“ des Ordens, ein untersetzter Mittfünfziger mit dicken Brillen und einem freundlichen, runden Gesicht. Wie viele Armenier verbrachte er sein ganzes Leben in der Diaspora: im nordsyrischen Kamischli, wo er geboren wurde, später im Libanon, wo er als Jugendlicher das erste Mal mit den Mechitharisten in Berührung kam. „Da gab es einen Pater“, erinnert er sich, „der uns in Englisch unterrichtet hat. Das war ein Vorbild. Ich habe gesagt, ich will auch wie Pater Georg werden.“ Und so sei er 1972 dann hierhergekommen, mit 13 Jahren, 3000 Kilometer Luftweg.

Essen vor Schnorr von Carolsfeld#

Wenn Pater Vahan heute Besuchern das Gebäude zeigt, führt er sie durch viele hohe, leere Gänge. Im Refektorium, wo die Patres dreimal täglich gemeinsam essen, ist der Personalmangel offensichtlich: An einer langen Tafel in der Mitte des Gewölbes sind nur die fünf Plätze am Kopfende gedeckt. Pater Vahan deutet auf eine Malerei, die am Ende des Raumes die ganze Wandbreite einnimmt: „Die Speisung der Fünftausend“ heißt das Bild, das 1839 von Schnorr von Carolsfeld für das Kloster entworfen wurde. Nein, es lässt sich nicht leugnen: Ein wenig einsam ist es schon geworden. Die Bewohner gehen unter in dem weitläufigen Klostergebäude. Sie verlieren sich zwischen Treppen, Gemälden und steingefliesten Korridoren. Selbst die Orientierung bereitet in dem verwinkelten Bau Mühe. Pater Vahan, der jetzt vom Priester zum Touristenführer wechselt, geht voran, öffnet ein paar Türen und rekapituliert dabei in Stichworten die außergewöhnliche Geschichte seiner kleinen Glaubensgemeinschaft. „Der Berg Ararat“, erklärt er und zeigt auf ein buntes Mosaik, das in den Boden eingelassen ist. Er ist das geografische Herz der zur Legende gewordenen alten Heimat, die Ordensgründer Mechithar Ende des 17. Jahrhunderts verließ, um seine Mission im Ausland zu verfolgen, zunächst in Konstantinopel, später, während des türkisch-venezianischen Krieges, auf der Insel San Lazzaro bei Venedig. 1717 übersiedelte Mechithar samt der ganzen Klosterbelegschaft dorthin. Eine Entscheidung, die durchaus im Interesse der venezianischen Behörden lag – galten die Armenier doch als fleißige Nation von Handwerkern, Künstlern und Handelsleuten. Indem man ihrem Klerus Zuflucht gewährte, hoffte man, weitere Landsleute auf venezianischen Boden zu locken – zum Wohle der Staatskassen.

Doch das profitable Zusammenleben sollte nicht lange so laufen, wie man sich das ausgemalt hatte: Nach Mechithars Tod 1749 trat mit Stephanos Melkhonian ein Mann dessen Nachfolge an der Spitze des Ordens an, der weniger von stiller Gelehrsamkeit als von starkem Machthunger getrieben war. Despotisch regierte er die Gemeinschaft und wirtschaftete, so hieß es, in die eigenen Taschen. Es kam zur Revolte. Ein Teil der Mönche erhob sich gegen den ungeliebten Klostervorstand, dem es mit Hilfe der weltlichen Macht gelang, die Bewegung niederzuschlagen. Die Agitatoren dagegen wurden bestraft: Sie mussten das Ordenskleid ablegen und die Insel San Lazzaro verlassen. Heimatlos geworden, machte sich ein Teil der Mechitharisten daher im Jahr 1773 erneut auf den Weg: über die Grenze nach Triest, das damals Teil der Habsburgermonarchie war. Sehr zum Missfallen der Venezianer, die die Abwanderung der Mönche um jeden Preis verhindern wollten und sogar Giacomo Casanova als Vermittler aufboten. Ohne Erfolg. Maria Theresia, die wie die Venezianer zuvor die Vorteile einer armenischen Ansiedlung erkannte, stellte bereitwillig ein Privileg aus, das den armenischen Mönchen nicht nur die Zuwanderung gestattete, sondern auch weitreichende Freiheiten in der Ausübung ihrer Riten in Aussicht stellte.

Allerdings sollte sich auch für die Habsburger die Hoffnung auf eine finanzstarke armenische Immigration nicht erfüllen. Im Gegenteil, bereits 1780 steckten die Mechitharisten bis über beide Ohren in Schulden. Als Triest durch den „Pressburger Frieden“ 1805 schließlich an Napoleon fiel und sich abzeichnete, dass die neuen Herrscher den wirtschaftlich verstrickten Orientalen wenig Wohlwollen entgegenbringen würden, war klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Ein Neubeginn musste versucht werden.

Warum die Wahl dabei ausgerechnet auf Wien fiel? „Seit Maria Theresia“, erklärt Pater Vahan, der auf seinem Rundgang unterdessen in den oberen Stockwerken des Klosters angekommen ist, „waren die Patres durch das Privilegium geschützt. Da haben sie gesagt: Jetzt werden wir hier vertrieben, suchen wir Asyl bei den Österreichern.“

So seien die Patres 1811 nach Wien gekommen und hätten hier dieses alte Kapuzinerkloster übernommen. Was anfangs als Provisorium gedacht war, entwickelte sich rasch zur Dauerlösung. Noch in Triest hatte man die Hoffnung gehabt, dass sich die Differenzen mit dem Mutterhaus in Venedig binnen Kurzem aus dem Weg räumen ließen. „Das hat dann doch länger gedauert“, räumt Pater Vahan ein. Erst im Jahr 2000 habe man wieder miteinander geredet. „Da haben wir uns dann fusioniert“, lacht der Pater, „wie die großen Banken.“ So kam es, dass sich die beiden Klöster in Wien und Venedig über mehr als 200 Jahre hinweg weitgehend unabhängig voneinander entwickelten. Die Wiener hatten in den ersten Jahren ohnehin genug damit zu tun, sich in ihrem neuen Domizil einzurichten. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf dem Aufbau der hauseigenen Druckerei und der Bibliothek, die bis heute das Herzstück des Klosters ist. Noch immer reisen Jahr für Jahr Gelehrte aus aller Welt an, Sprachwissenschaftler, Historiker, Armenologen, um in diesem einzigartigen Archiv ihren Forschungen nachzugehen. „Mehr als 2600 armenische Handschriften sind hier gesammelt“, erzählt Pater Vahan. Dazu kommen 120.000 weitere Werke in armenischer Sprache, 10.000 Abhandlungen über die Geschichte und Entwicklung des Landes und eine umfassende Sammlung an Zeitungen und Zeitschriften – die vollständigste, die derzeit in armenischer Sprache existiert.

Die Ehrfurcht des Bibliophilen#

Mit der Ehrfurcht des echten Bibliophilen bewegt sich Pater Vahan durch die mit kostbaren Folianten vollgepackten Räume. Er kennt jedes Eck, hat er doch selbst einmal als Bibliothekar hier gearbeitet. Das sei es gewesen, was ihn immer an den Mechitharisten interessiert habe, erklärt er, diese Verbindung von Religion und Kultur: „Ein schönes Gemisch.“ Die Tatsache, dass die Mechitharisten in der Regel mehrere Sprachen lesen und schreiben konnten, trug ihnen im Lauf der Zeit das ein oder andere Amt bei Hofe ein, wo sie als diplomatische Berater, vor allem aber als Übersetzer und Dolmetscher gern gesehen waren. So kam es, dass die Beziehungen zwischen der armenischen Geistlichkeit und Österreich durchwegs harmonisch verliefen. Auch dann noch, als die Monarchie zerbrach und der habsburgische Schutzbrief seine Gültigkeit verlor.

Selbst als sich das politische Klima zusehends verschärfte, blieben die Mönche von Repressalien weitgehend verschont. Dennoch bekamen auch sie die Auswirkungen des einsetzenden, nationalsozialistischen Terrors zu spüren: Während des Zweiten Weltkriegs machte sich die SS im Kloster breit. „Das Gebäude wurde zu einem Marinestützpunkt von Hitler“, weiß Pater Vahan. „Da gibt es sogar noch Briefköpfe unter dieser Adresse.“ Heute enthalten sich die Mechitharisten jeder öffentlichen politischen Betätigung. „Früher war es wichtig, dass man sich ein bisschen engagiert hat“, erklärt Pater Vahan, „aber als Politik nur mehr Waffen, Erdöl und Drogen waren, hat man sich mehr auf das wissenschaftliche Arbeiten konzentriert.“ Er blickt um sich, inmitten des Bücherschatzes, für den er und seine Mitbrüder heute leben. „Die früheren Patres“, sagt er, „haben kulturschaffend gearbeitet und vieles geleistet.“ Dafür sei heute keine Zeit mehr, erklärt er, und man merkt, dass er wieder an die 50 bis 100 E-Mails denkt, die vermutlich gerade auf ihn warten.

Mit freundlicher Genehmigung der "Presse" (7.4.2012)