Das Österreichische Patentamt von 1899 bis 2004 (Essay)#
von Dr. Ingrid Weidinger
Das österreichische Patentgesetz (Gesetz vom 11.Jänner 1897, R.G.Bl.Nr.30) trat am 1. Jänner 1899, an dem Tag, an dem das Österreichische Patentamt seine Tätigkeit begann, in Kraft.
1908 erfolgte der Beitritt Österreichs zum Pariser Unionsvertrag und dem Madrider Abkommen betreffend die
internationale Registrierung von Fabriks- und Handelsmarken. Die Jahre bis zum ersten Weltkrieg waren von einem steten Aufschwung der Anmeldeaktivität gekennzeichnet. Der erste Weltkrieg und der Zusammenbruch der Monarchie brachten jedoch eine schwere Einbuße.
Die Jahre 1925 bis 1938 waren zunächst durch eine andauernde Aufwärtsentwicklung gekennzeichnet, die nach und nach eine Erholung von den Einbußen der Jahre 1914 bis1920 brachte. Diese Entwicklung fand ihren Höhepunkt in den Jahren 1929 bis 1931. Ab diesem Zeitpunkt machten sich die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise bemerkbar. Ab 1935 begann wieder eine Aufwärtsentwicklung, die mit der Besetzung Österreichs im Jahre 1938 ihr Ende fand. Die Ereignisse dieses Jahres griffen entscheidend in die Entwicklung des Patentamtes ein.
Am 13.März 1938 verlor das Österreichische Patentamt nach 40jähriger Tätigkeit seine Selbständigkeit. Schrittweise wurde die Gültigkeit der österreichischen Rechtsnormen eingeschränkt und schließlich nahezu zur Gänze aufgehoben.
Ende 1945 und Anfang 1946war es jedoch bereits gelungen, die Verbindung mit den meisten ausländischen Patentämtern wieder
aufzunehmen. Der Wiederaufbau des Patentamts ging rasch vor sich, die Konsolidierung der Rechtsordnung
ebenso. Maßgebend dafür war die rasche Intensivierung des Wirtschaftslebens, die Vertiefung der
zwischenstaatlichen Kontakte auf wirtschaftlicher und politischer Ebene, das Streben nach staatlicher Geltung im
Rahmen der internationalen Beziehungen des gewerblichen Rechtsschutzes und der Wunsch von Industrie und
Gewerbe, die die Bedeutung der obligatorischen Prüfung einer angemeldeten Erfindung auf Neuheit und
Erfindungseigenschaft für die industrielle und gewerbliche Produktion und somit für die gesamte Volkswirtschaft
sehr wohl erkannten. In dieser Zeit manifestierte sich das Patentamt immer stärker als ein Faktor der Infrastruktur
der österreichischen Wirtschaft. Es wurde parallel dazu auch die Basis geschaffen, die das österreichische Amt
zu einem der wenigen voll prüfenden und recherchierenden Patentämter gemacht hat, die nach dem Vertrag über
die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT) die Voraussetzungen zur
Bestellung als internationale Prüfungs- und Recherchenbehörde erfüllen.
Im Rahmen der Wiener Diplomatischen Konferenz 1973
wurden drei essentielle Vertragswerke (Trade Mark Registration Treaty /TRT/, die Internationale Klassifikation
von Bildelementen in Marken und der Schutz typographischer Zeichen beschlossen.
Allerdings zeigte es sich, daß im Patentbewußtsein der Österreicher die beachtlichen Erfolge einer bequemen,
eher imitativen als innovativen Strategie in der Nachkriegszeit einen Rückgang des Forschungs- und
Innovationsbewußtsein vieler österreichischer Unternehmer, Manager, Arbeitnehmer, Wissenschaftler und
Wirtschaftspolitiker entstehen ließen.
Der außergewöhnlich lange und kräftige Konjunkturaufschwung ab 1968
ließ überhaupt Kritiker an der österreichischen Wirtschaftsstruktur verstummen.
Doch ähnlich wie in den übrigen europäischen Industriestaaten hat sich auch die wirtschaftliche Entwicklung
Österreichs in den Folgejahren als störungsanfällig erwiesen.
Die Überwindung der Rezession 1974/75
erfolgte nur zögernd. Das steigende und verhältnismäßig groß gewordene Leistungsbilanzdefizit und die
beschränkte Wirksamkeit der wirtschaftspolitischen Maßnahmen zeigten Wirkung auf Österreichs
Wirtschaftsstruktur.
Um dieser Entwicklung entgegenzutreten startete das Österreichische Patentamt 1973
die Einführung der Recherche, die interessierten Kreisen die Möglichkeit eröffnete, auch außerhalb der Prüfung
konkreter Patentanmeldungen Anträge auf Ermittlung des Standes der Technik zu stellen. Die Schutzfunktion
des Patents blieb erhalten, die Informationsfunktion des Patents wurde zu einem Instrument, das der Wirtschaft Service bieten sollte.
Nicht nur die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse beeinflussten die Legislative, sondern ein über die
nationalen Grenzen hinausgehendes „europäisches“ Denken begann zu wirken. In der Diplomatischen Konferenz
in Washington 1970 wurde der Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des
Patentwesens (PCT) geschaffen und bei der Diplomatischen Konferenz in München im Jahr 1973 wurden die
Grundlagen für ein Europäisches Übereinkommen über die Einführung eines europäischen
Patenterteilungsverfahren geschaffen.
Seit 1977 erstellt das Österreichische Patentamt auf Antrag schriftliche Gutachten über die allfällige Patentfähigkeit einer Erfindung.
1979 sind das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) und der Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf
dem Gebiet des Patentwesens (PCT) für Österreich in Kraft getreten. Durch diese beiden Abkommen wurde die
Internationalisierung des Österreichischen Patentamtes weiter unterstrichen.
Dem Bedürfnis nach Harmonisierung der einschlägigen nationalen mit regionalen und internationalen Rechtsvorschriften trägt die Patentrechts-Novelle1984 Rechnung. Dem Wunsch der Wirtschaft entsprechend wurden die Service- und Informationsleistungen ausgebaut. Die Innovation als Umsetzung technischer Kreativität in marktfähige Produkte wurde als Bindeglied zwischen technischem Fortschritt und wirtschaftlichem Geschehen erkannt.
1988 wurde durch Beschluss des Verwaltungsrates der Europäischen Patentorganisation die europäische
Patentinformationspolitik fixiert. Die nationalen Ämter übernehmen die Aufgabe, die Patentinformation auf ihrem
nationalen Territorium zu verbreiten und durch Publikationen zugänglich zu machen.
Dringenden Bedürfnissen der Wirtschaft wurde durch die Schaffung des neuen Musterschutzgesetzes 1990
entsprochen. Die Erweiterung des Informations- und Serviceangebots des Österreichischen Patentamtes erforderte eine neue Struktur.
So wurde in der Patentgesetznovelle 1992
dem Amt auch Teilrechtsfähigkeit zuerkannt. Zusätzlich zeigte sich, dass der technische Fortschritt und damit die Märkte sich in rasantem Tempo
weiterentwickeln. Die Neuerungszyklen in der Technik werden immer kürzer, so dass es für die Unternehmen
immer schwieriger wird Schritt zu halten.
Um den Unternehmen einen möglichst raschen Schutz für ihr Produkt zu gewähren, wurde am
1.April 1994 der Gebrauchsmusterschutz eingeführt. Das Gebrauchsmuster bietet sich als Alternative zum Patent für den
Schutz kurzlebiger Wirtschaftsgüter an und wurde äußerst positiv von der Wirtschaft aufgenommen.
Die Einbindung in internationale und regionale Verträge und Abkommen, beispielsweise im Rahmen des GATT,
führen zu einer zunehmend internationalen Vernetzung des gewerblichen Rechtsschutzes, die weltweit gesehen
mit einer Harmonisierung und Anhebung des Schutzniveaus einhergeht.
Am
1.1.1995
wurde Österreich Mitglied der EU. Die Integration der österreichischen Wirtschaft in den europäischen
Wirtschaftsraum erfordert eine vollständige Integration des gewerblichen Rechtsschutzes in die im EU-Raum
bestehenden Normen. 1995 erfolgte die Umstellung der Dokumentation des ÖPA auf vollelektronische Basis.
1996
wurde die Gemeinschaftsmarke eingeführt.
Schwerpunkte, was die internationalen Kontakte Österreichs zu den Patentämtern anderer Länder betrifft, sind
Westeuropa und der mittel-/osteuropäische Raum, wo bestehende Abkommen der geänderten Situation
angepasst und neue Kooperationsprojekte vereinbart wurden. Betreffend den außereuropäischen Raum beteiligt
sich das Österreichische Patentamt in Zusammenarbeit mit der WIPO an den Unterstützungsmaßnahmen für
Entwicklungsländer.
Bereits seit Jahren zielten die Anstrengungen des Österreichischen Patentamtes darauf hin, sein Angebot an
Service- und Informationsleistungen ständig zu erweitern und entsprechend den Kundenbedürfnissen zu
gestalten. Um ohne Belastungen des öffentlichen Haushalts diesen weg in der erforderlichen Intensität verfolgen
zu können, hat sich das Amt im Rahmen seiner Teilrechtsfähigkeit verstärkt auf diesen Tätigkeitsbereich
konzentriert und sein Produktangebot beständig erweitert.
Am
1. Februar 1999
trat die Novelle zum Patentgesetz, zum Patentverträge-Einführungsgesetz und zum Gebrauchsmustergesetz in
Kraft. Sie hat den Anmeldern weitere Vorteile bei der Nutzung der beiden Schutzrechte für technische
Erfindungen, Patent und Gebrauchsmuster, gegeben. Die Festschreibung der durch die Teilrechtsfähigkeit des
Österreichischen Patentamtes zu erbringenden Informationsleistungen im Patentgesetz selbst zeigt die
Bedeutung, die der Gesetzgeber den Erfordernissen einer effizienten Informationsvermittlung einräumt.
Betreffend die Ratifizierung des Protokolls zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von
Marken konnte 1998 die parlamentarische Behandlung abgeschlossen werden.
Nach einstimmiger Beschlussfassung des Parlaments trat am 23.7.1999
die Markenrechtsnovelle 1999 in Kraft. Mit dieser Änderung des Markenschutzgesetzes wurde das nationale
Markenrecht einerseits an die Bedürfnisse der österreichischen Wirtschaft angepasst und andererseits mit dem
europäischen und internationalen Markenschutzsystem harmonisiert.
Am 10. August 2001 wurde das Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird, kundgemacht.
Inhalt war eine EU-konforme Liberalisierung des Zugangs zum Beruf des Patentanwalts.
Am 5. Mai 2003 hat das Österreichische Patentamt seine neuen, modernen Räumlichkeiten in der Dresdnerstraße 87 im 20. Wiener Gemeindebezirk bezogen. 2003
wurde in Österreich die Initiative „Geistiges Eigentum“ gegründet. Diese Initiative vereinigt namhafte
Unternehmen aus den unterschiedlichsten Bereichen, denen exemplarisch für alle Unternehmen die zeitgemäße
Weiterentwicklung der Schutzrechtssysteme in der Gesetzgebung ebenso wie in der Rechtsdurchsetzung ein
Anliegen ist.
30.12.2004
ist unter Nr. 149/2004 die Patentrechts- und Gebührennovelle 2004 im Bundesgesetzblatt I.Teil erschienen.
Ab
1. Juli 2005
werden nebst anderen Änderungen Patentanmeldungen 18 Monate nach Anmeldung veröffentlicht.
Autorin:
Dr. Ingrid Weidinger
Vorstand der Abteilung Bibliothek und Dokumentation
ingrid.weidinger@patentamt.at
Das Österreichische Patentamt verfügt über eine CD mit den gesammelten Österreichischen Privilegien.
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-- NID Library, Samstag, 14. September 2024, 16:46
- https://austria-forum.org/af/AustriaWiki/%C3%96sterreichisches_Patentamt
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-- AF System, Mittwoch, 18. September 2024, 12:54