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vom 08.06.2020, aktuelle Version,

Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen

Die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen ist ein Straftatbestand, der im § 166 StGB der Bundesrepublik Deutschland geregelt ist. Wegen seiner Geschichte wird § 166 häufig als Gotteslästerungsparagraph oder Blasphemieparagraph bezeichnet.

Gesetzestext

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Geschichte

Seit der griechischen und römischen Antike sind Strafprozesse wegen des Vorwurfs der Gottlosigkeit oder Gotteslästerung bekannt, beispielsweise gegen Sokrates oder Jesus von Nazaret.

Mit der Aufklärung und einer auf der Kant'schen Vernunftlehre aufbauenden modernen Strafgesetzgebung wurde neben der Folter zunächst auch die Blasphemie (Gotteslästerung) ersatzlos gestrichen, beispielsweise in dem von Johann Anselm von Feuerbach 1813 revidierten Bayerischen Strafgesetzbuch.[1]

Das Preußische Strafgesetzbuch von 1851 bestrafte dagegen in seinem § 135 die öffentliche Gotteslästerung und die Verspottung einer der christlichen Kirchen mit Gefängniß bis zu drei Jahren.[2] Andere Religionsgemeinschaften standen nicht unter dem Schutz dieses Gesetzes. Auch waren die Kirchen selbst Gegenstand des Schutzes. Einer Störung des öffentlichen Friedens bedurfte es nicht.

Das Reichsstrafgesetzbuch des Deutschen Reichs übernahm diese Strafregelungen 1871 in den § 166. Neben der Gotteslästerung wurde auch bestraft, wer öffentlich eine der christlichen Kirchen oder eine andere mit Korporationsrechten innerhalb des Reichsgebiets bestehende Religionsgesellschaft oder ihre Einrichtungen oder Gebräuche beschimpft oder in einer Kirche oder in einem andern zu religiösen Versammlungen bestimmten Ort beschimpfenden Unfug verübt.[3]

Der Tatbestand wurde 1969 durch das 1. Strafrechtsreformgesetz neu gefasst.[4] Es wurde klargestellt, dass nicht Gott an sich durch den Paragraph geschützt werden kann. Die Neufassung wählte bewusst den öffentlichen Frieden als schützenswertes Rechtsgut und nicht, wie es in ihrer Begründung heißt, das religiöse Empfinden des einzelnen.[5]

Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen legte 1995 einen Gesetzentwurf zur Aufhebung des Paragraphen vor.[6]

Nachdem die ehemalige Prostituierte Domenica Niehoff im Juni 1996 zum Besuch von Papst Johannes Paul II. in Berlin in einem papstähnlichen Gewand bei einer Demonstration die Transvestitin Charlotte von Mahlsdorf „heilig gesprochen“ hatte, es zu Nacktaufnahmen auf dem Vierungsaltar des Kölner Doms am 19. Juli 1996 gekommen war und nach Meinung vieler zahlreiche Spielfilme und Bühnenstücke zunehmend jegliches Maß an Toleranz und Achtung vor der religiösen Überzeugung anderer hätten vermissen lassen, beispielsweise das Theaterstück „Corpus Christi“ im Theater Heilbronn, das Jesus und seine Apostel unter anderem als trinkfreudige Schwule dargestellt hatte,[7] brachten Abgeordnete der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und die Fraktion selbst im November 2000 einen Gesetzentwurf in den Bundestag ein. In § 166 StGB sollte das Tatbestandsmerkmal, dass die Beschimpfung geeignet sein muss, den öffentlichen Frieden zu stören, gestrichen werden. Strafbar solle künftig bereits sein, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer beschimpfe.[8] Der Gesetzentwurf wurde am 25. April 2002 abgelehnt.[9]

2006 forderten Edmund Stoiber, damals bayerischer Ministerpräsident, und Markus Söder, damals CSU-Generalsekretär, eine Verschärfung des Paragraphen.[10][11]

Erneut forderten CSU-Politiker, darunter Johannes Singhammer und Horst Seehofer, die Verschärfung des § 166 StGB im Jahr 2012 nach Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen in der französischen Satirezeitung Charlie Hebdo.[7] Die Forderung wurde vom Bamberger Erzbischof Ludwig Schick unterstützt, von muslimischen Verbänden, der evangelischen Kirche und der Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen abgelehnt.[7][12][13]

Im Februar 2013 sendete die heute show einen satirischen Filmbeitrag, mit dem sich die Kabarettistin Carolin Kebekus beim damaligen Kardinal Joachim Meisner als Päpstin bewarb. Danach rief die Pius-Bruderschaft dazu auf, Kebekus anzuzeigen;[14] etwa 100 Anzeigen wurden erstattet. Die Staatsanwaltschaft Köln prüfte, ob der Beitrag den Tatbestand des § 166 StGB erfülle, stellte kein strafrechtlich relevantes Handeln fest und stellte die Ermittlungen ein.[15] Die satirisch überspitzte Darstellung habe keinen beschimpfenden Charakter, sondern einen kirchenkritischen Inhalt.

In Folge des Anschlags auf Charlie Hebdo im Januar 2015 sprachen sich unter anderen die FDP-Politiker Christian Lindner und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger für eine Abschaffung des Paragraphen aus, während Vertreter von CDU und SPD seinen Bestand verteidigten.[16]

Die Linke wollte nach ihrem Programm zur Bundestagswahl 2013 das sog. Blasphemiegesetz (§166 StGB) und die Feiertagsgesetze daraufhin überprüfen, inwieweit sie zur Wahrung der religiösen Empfindungen von Angehörigen der unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften erforderlich sind.[17] 2017 fand ein entsprechender Antrag keine Mehrheit.[18][19]

Kriminologie

Jährlich kommt es zu ca. 15 Verurteilungen.[4]

Tatbestand

Geschütztes Rechtsgut ist der öffentliche Frieden, nicht das Bekenntnis als solches oder die bloßen Gefühle seiner Anhänger.[20]

Beschimpfen ist eine besonders gravierende herabsetzende Äußerung.[21] Die Ablehnung einer Religion oder Weltanschauung oder Kritik an ihnen sind nicht strafbar.[22] Wahre Tatsachenaussagen können ihrem Inhalt nach kein Beschimpfen darstellen,[23] allerdings durch ihre Form strafbar sein.[24]

Die beschimpfenden Äußerungen müssen nicht an die Kreise gerichtet sein, in denen sie zur Störung des öffentlichen Friedens führen können. Es genügt, wenn zu befürchten ist, dass sie dort bekannt werden.[25]

Bekenntnisse sind sowohl religiöse als auch weltanschauliche Vorstellungen, die sich von Überzeugungen oder Meinungen dadurch abgrenzen, dass sie für den Bekennenden als unmittelbar konstituierend für den Wert der eigenen Person erlebt werden.[26] Zu den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zählen sowohl die Kirchen und Religionsgemeinschaften als auch z. B. die Freimaurer oder die Humanistische Union.[27]

§ 166 StGB ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt, d. h. der öffentliche Frieden muss durch die Beschimpfung nicht tatsächlich gefährdet sein, sondern berechtigte Gründe für die Befürchtung, der öffentliche Frieden könnte gestört werden, reichen aus.[28] Die Beurteilung, ob das der Fall ist, soll aus der Perspektive eines objektiven, nicht besonders empfindlichen Beobachters erfolgen.[29]

Kritik an der Vorschrift

Einschränkung von Grundrechten

Kritiker sehen in der deutschen Vorschrift eine Einschränkung des Rechtsguts der Meinungsfreiheit. Insbesondere durch eine einseitige Anwendung verleite der Paragraph zu einem Schutz der Mehrheitsmeinung, nicht aber zwangsläufig zum Schutz einer Minderheitsmeinung, da die Interessen kleinerer Gruppen seltener mit dem „öffentlichen Frieden“ gleichgesetzt werden.[30]

Mangelnde Bestimmtheit

Kritiker lehnen den Paragraphen auch als sogenannten Gummiparagraphen ab, insbesondere, weil nicht klar sei, wie „Beschimpfung“ zu definieren ist – darunter könne jede negative Äußerung fallen. Noch fraglicher sei, wann eine solche „Beschimpfung“ geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören (die „Eignung“ reicht; sog. abstraktes Gefährdungsdelikt). Kritiker behaupten, eine solche „Friedensstörung“ könne – analog zur Volksverhetzung – a posteriori (nachträglich) konstruiert werden, wenn sich Gläubige beschwerten. Zudem kann die Friedensstörung durch die betroffene Religionsgemeinschaft bewusst herbeigeführt werden, damit der Paragraph zur Anwendung kommen kann, beispielsweise durch Anwendung von Gewalt gegen die „Gotteslästerer“ oder durch die Blockade eines Theaters, in dem ein religionskritisches Stück aufgeführt werden soll. Andererseits könne in politischen Wetterlagen, in denen die Verfolgung von Gotteslästerern nicht opportun sei, fast immer damit argumentiert werden, der Beschuldigte sei nicht bekannt genug, um mit seinen Äußerungen eine breite Öffentlichkeit zu schockieren. Ron Steinke führte in Kritische Justiz an, die verlangte Störung des öffentlichen Friedens bedeute letztlich, das erst die Drohung mit Gewalt selbst die strafrechtliche Verfolgbarkeit der oder des Bedrohten ermögliche, bei friedfertigen Gläubigen dagegen keine strafrechtliche Bewehrung ihrer möglichen Beleidigung vorliegen könne.[31]

Gegen die Prinzipien der Aufklärung

Kritisiert wird, dass der Staat damit das kritische Denken unterdrücke: „Das zentrale Merkmal der Aufklärung ist, alles hinterfragen zu dürfen. Das Licht der Vernunft soll in jeden Winkel scheinen, um Unterdrückung, Aberglaube, Intoleranz und Vorurteile zu überwinden. (…) Der Staat macht sich mit solchen Gesetzen zum Unterstützer der Feinde des offenen Diskurses. Vertreter jedweder Ideologie, ob politisch oder religiös, müssen es schlicht ertragen können, dass ihre Weltanschauung hinterfragt, kritisiert und, ja, auch lächerlich gemacht wird.“[32]

Atheistische Kritik

Der Paragraph ist stark in der Kritik von atheistischen Gruppen und Kirchenkritikern sowie von Künstlern, die sich in ihrer Freiheit beschnitten fühlen. Kurt Tucholsky meinte zu diesem „mittelalterlichen Diktaturparagraphen“ (in der vorhergehenden Fassung): „Ich mag mich nicht gern mit der Kirche auseinandersetzen; es hat ja keinen Sinn, mit einer Anschauungsweise zu diskutieren, die sich strafrechtlich hat schützen lassen.“[33]FliessTextRef

Im jährlich herausgegebenen Bericht Freedom of Thought – A Global Record on the Rights, Legal Status, and Discrimination Against Humanists, Atheists, and the Non-religious der International Humanist and Ethical Union (IHEU) wurde Deutschland 2014 mit dem zweitschlechtesten (aus fünf) Freedom of Thought-Status Severe Discrimination bewertet. Ausschlaggebender Grund dafür war § 166 StGB: “‘Blasphemy’ is outlawed or criticism of religion is restricted and punishable with a prison sentence”.[34]

Der Philosoph Michael Schmidt-Salomon kritisierte nach dem Anschlag auf das Redaktionsbüro der Satirezeitschrift Charlie Hebdo, dass „[d]er öffentliche Friede […] nicht durch Künstler gestört [wird], die Religionen satirisch aufs Korn nehmen, sondern durch Fanatiker, die auf Kritik nicht angemessen reagieren können“. Er forderte die Abschaffung des § 166 StGB: „In der Praxis hat dieser Paragraph zu einer völligen Verkehrung des Täter-Opfer-Verhältnisses geführt. Namhafte Künstler wie Kurt Tucholsky oder George Grosz wurden mit Hilfe dieses Zensurparagraphen gemaßregelt. Tatsächlich aber wurde der öffentliche Friede niemals durch kritische Kunst bedroht, sondern vielmehr durch religiöse oder politische Fanatiker, die nicht in der Lage waren, die künstlerische Infragestellung ihrer Weltanschauung rational zu verarbeiten.“[35]

Kritik des Menschenrechtskomitees der Vereinten Nationen

Das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen, ein Gremium aus achtzehn unabhängigen Experten, die damit beauftragt worden waren, Beschwerden hinsichtlich des Internationalen Pakts über Bürgerliche und Politische Rechte zu bewerten, bezeichnete im Jahr 2011 „Verbote von Darstellungen mangelnden Respekts vor einer Religion oder anderen Glaubenssystemen, einschließlich Blasphemiegesetzen, [als] mit dem Vertrag inkompatibel, außer in den bestimmten Umständen, wie sie in Artikel 20, Absatz 2 des Vertrags vorausgesehen sind.“ Der Artikel 20, Absatz 2 ruft Staaten dazu auf, Folgendes zu verbieten: „Die Verfechtung nationalen, rassistischen oder religiösen Hasses, welche zur Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt anstiftet.“ Der Kommentar verlangt mit Bedacht, dass keine Restriktion die Garantien des Abkommens auf Gleichberechtigung vor dem Gesetz (Artikel 26) und der Freiheit des Denkens, des Gewissens und der Religion (Artikel 18) verletzen darf. Gesetze, die Blasphemie einschränken, seien als solche somit mit den allgemeinen Menschenrechtsstandards inkompatibel.[36][37]

Positionen der Parteien in Deutschland

Traditionell befürworten Die Grünen, Die Linke und die FDP die Abschaffung des Blasphemieparagraphen, während CDU und SPD (die die derzeitige Regelung 1969 in der Großen Koalition beschlossen hatten) keinen Änderungsbedarf sehen. Die CSU argumentierte sogar für eine Verschärfung der Gesetzgebung.[38]

Rechtspraxis

Beispiele (chronologisch):

  • 1984 wurde eine Frau aus Göttingen in zwei Instanzen verurteilt, und zwar für die auf einem Flugblatt gemachte Aussage, die christlichen Kirchen gehören zu den „größten Verbrecherbanden“ der Welt, sowie für zwei Aufkleber (einer „Lieber eine befleckte Verhütung als eine unbefleckte Empfängnis“ und einer „Masochismus ist heilbar“ in Verbindung mit einem durchgestrichenen Kruzifix).[39]
  • 1993 zeigte die Kölner Stunksitzung ein Kruzifix mit der Inschrift „Tünnes“ anstatt „INRI“. Das Schild wurde nach einer Strafanzeige wegen Gotteslästerung polizeilich beschlagnahmt. Der Regisseur der Stunksitzung erhob gegen den anschließenden Strafbefehl über 6000 DM Einspruch. Diesem wurde wegen des Vorrangs der Kunstfreiheit stattgegeben.[40]
  • Mit Hilfe des § 166 wurden 1994 die Darstellung gekreuzigter Schweine und die Aufführung des Musicals Das Maria-Syndrom von Michael Schmidt-Salomon verboten, in dem eine (neuzeitliche) „Marie“ durch eine verunreinigte Klobrille befruchtet wird und daraufhin ein Fall von „Jungfrauengeburt“ eintritt. Die Uraufführung des Stücks sollte am 28. Mai 1994 in Trier stattfinden. Einen Tag zuvor wurde auf Antrag des Bistums Trier die Aufführung vom dortigen Ordnungsamt verboten. Auch eine Aufführung vor einem „garantiert religionsgefühllosen Publikum“ wurde nicht zugelassen. Das anschließende Gerichtsverfahren ging über mehrere Instanzen:
  • Im Februar 2006 wurde ein 61-Jähriger aus Lüdinghausen wegen „Beschimpfung eines religiösen Bekenntnisses“ und „Störung des öffentlichen Friedens“ zu 12 Monaten Haft auf Bewährung und 300 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Er hatte Toilettenpapier mit einem Stempel „Koran, der heilige Qur’an“ bedruckt und es zusammen mit einem Schreiben, das den Koran unter anderem als „Kochbuch für Terroristen“ bezeichnete, an Moscheen und Fernsehsender verschickt. Außerdem bot er es zum Verkauf an, um eine „Gedenkstätte für alle Opfer des islamischen Terrors der Vergangenheit und der Zukunft“ zu finanzieren. In der Folge wurde er massiv bedroht und erhielt Personenschutz, was das Amtsgericht strafmildernd wertete.[44][45][46]
  • 2006 war ein Sketch der Stunksitzung, bei dem es um Papst Benedikt XVI. und den Kölner Kardinal Meisner ging, Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen. Der WDR sendete diesen Sketch nicht, als er die Sitzung im TV zeigte.[47] Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt.[48]
  • 2016 verurteilte das Amtsgericht im nordrhein-westfälischen Lüdinghausen einen pensionierten Lehrer zu einer Geldstrafe von € 500 auf Bewährung. Er hatte Aufkleber mit Sprüchen auf seinem Auto angebracht, die sich gegen die römisch-katholische Kirche richteten.[49] Er wurde in zweiter Instanz freigesprochen.[50]

Rezeption in der Kunst

Seit 2008 wird der Preis Der Freche Mario in einem Wettbewerb für Blasphemie-Kunstwerke verschiedener Genres (u. a. Cartoons, Skulpturen, Texte, Kabarettbeiträge, Musikstücke, Kurzfilme) vergeben. Die Organisatoren beabsichtigen, mit dem Kunstpreis die Forderung nach Abschaffung des § 166 StGB zu bekräftigen.[51]

Andere Länder

Rechtliche Situation für Blasphemie in der Welt. [52]
  • Lokale Beschränkungen
  • Geldstrafen und Beschränkungen
  • Gefängnisstrafen
  • Todesstrafe
  • Österreich

    In Österreich gilt eine ähnliche Bestimmung unter dem Titel Herabwürdigung religiöser Lehren (§ 188 StGB).

    Wer öffentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

    Des Weiteren ist auch die Störung einer Religionsübung, beispielsweise eines Gottesdienstes, strafbar (§ 189 StGB).

    (1) Wer mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt den gesetzlich zulässigen Gottesdienst oder einzelne solche gottesdienstliche Handlungen einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft hindert oder stört, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

    (2) Wer

    1. an einem Ort, der der gesetzlich zulässigen Religionsübung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft gewidmet ist,
    2. bei dem gesetzlich zulässigen öffentlichen Gottesdienst oder einzelnen gesetzlich zulässigen öffentlichen gottesdienstlichen Handlungen einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft oder
    3. mit einem dem gesetzlich zulässigen Gottesdienst einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft unmittelbar gewidmeten Gegenstand

    auf eine Weise Unfug treibt, die geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

    Bekannte Fälle sind ein Prozess wegen § 188 StGB gegen den Karikaturisten Manfred Deix, der 1994 in erster Instanz verurteilt, jedoch in zweiter Instanz freigesprochen wurde. Gegen den Karikaturisten Gerhard Haderer kam es zu mehreren Anzeigen wegen seines Buches Das Leben des Jesus (2002); das Verfahren wurde 2003 von der Staatsanwaltschaft Wien eingestellt. In einigen weniger bekannten Fällen kam es jedoch zu rechtskräftigen Verurteilungen wegen § 188 StGB.

    Bis zur Einführung des neuen österreichischen StGB im Jahr 1975 war die Beleidigung „des höchsten Wesens“ mit einer bis zu fünfjährigen Freiheitsstrafe zu ahnden.

    Schweiz

    In der Schweiz findet sich eine ähnliche Regelung unter dem Titel Störung der Glaubens- und Kultusfreiheit in Art. 261 des Strafgesetzbuches.

    Wer öffentlich und in gemeiner Weise die Überzeugung anderer in Glaubenssachen, insbesondere den Glauben an Gott, beschimpft oder verspottet oder Gegenstände religiöser Verehrung verunehrt, wer eine verfassungsmässig gewährleistete Kultushandlung böswillig verhindert, stört oder öffentlich verspottet, wer einen Ort oder einen Gegenstand, die für einen verfassungsmässig gewährleisteten Kultus oder für eine solche Kultushandlung bestimmt sind, böswillig verunehrt, wird mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft.

    DDR

    Das Strafgesetzbuch der DDR enthielt keine vergleichbare Regelung. Lediglich „religiöse Handlungen“ waren gemäß § 133 geschützt.

    Niederlande

    Am 29. November 2012 beschloss das niederländische Parlament die Abschaffung des dortigen Paragrafen 147, der seit 1968 nicht mehr angewandt worden war.

    Irland

    In Irland schrieb Artikel 40 der Verfassung vor, dass die Veröffentlichung blasphemischen Materials strafbar sein soll.[53] Ein entsprechendes Gesetz gab es seit 1961, aufgrund seiner unklaren Definition von Blasphemie kam es aber zu keiner einzigen Verurteilung.[54] Im Rahmen einer Rechtsreform im Juli 2009 wurde die entsprechende Strafvorschrift mit Wirkung zum 1. Januar 2010 neu gefasst.[55] Im Oktober 2014 kündigte die irische Regierung an, ein Referendum über die Abschaffung des Blasphemieartikels in der irischen Verfassung abzuhalten.[56] Am 26. Oktober 2018 fand dieses Referendum (zusammen mit der Präsidentschaftswahl in Irland) statt; 64,85 Prozent votierten für die Streichung von Artikel 40.[57][58]

    Artikel 40 kam in der jüngeren Geschichte Irlands nie zur Anwendung; er galt als überflüssig. Justizminister Charles Flanagan hatte vor dem Referendum dazu aufgerufen, für dessen Abschaffung zu votieren;[59] er äußerte sich über das Ergebnis des Referendums zufrieden. Das Blasphemieverbot habe keinen Platz in der irischen Verfassung; Irland sei zurecht stolz auf seine „moderne und liberale Gesellschaft“.[60]

    Pakistan

    Siehe Blasphemie#Blasphemie-Gesetz in Pakistan

    Siehe auch

    Literatur

    • Karlheinz Deschner: Die beleidigte Kirche, oder: Wer stört den öffentlichen Frieden?, Gutachten im Bochumer §-166-Prozeß. Ahriman, Freiburg 1986, ISBN 3-922774-05-9 (Zeitdokument, in dem Informationen zu mehreren Fällen zu finden sind, u. a. die Aufkleber von Römermann).
    • Gerd Schwerhoff: Gott und die Welt herausfordern. Theologische Konstruktion, rechtliche Bekämpfung und soziale Praxis der Blasphemie vom 13. bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts. Universität Bielefeld, Habilitationsschrift, November 1996; korrigierte und gekürzte Online-Fassung 2004 (PDF; 1,54 MB)
    • Armin Steinbach: Beschimpfung von Religionsgesellschaften gemäß § 166 StGB – eine Würdigung des Karikaturenstreits nach deutschem Strafrecht. In: Juristische Rundschau. Jahrgang 2006, Ausgabe 12, Seiten 495–499. doi:10.1515/JURU.2006.136.
    • Ron Steinke: Gotteslästerung im säkularen Staat. Plädoyer für die Abschaffung des § 166 StGB. In: Kritische Justiz. 4/2008, S. 451–457 (kj.nomos.de PDF).
    • Christian Ströbele, Mohammad Gharaibeh, Tobias Specker, Muna Tatari (Hgg.): „Kritik, Widerspruch, Blasphemie – Anfragen an Christentum und Islam“. (= Theologisches Forum Christentum – Islam 2016), Pustet, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7917-2887-2.
    • Christoph Lung: Strafbare Blasphemie. Historisches Relikt oder modernes Delikt? Studien und Beiträge zum Strafrecht 25, Mohr Siebeck 2019. ISBN 978-3-16-156781-0

    Einzelnachweise

    1. Herbert Grziwotz: Ein Vorbild für ganz Europa: 200 Jahre Bayerisches Strafgesetzbuch Legal Tribune Online, 16. Mai 2013
    2. Preußisches Strafgesetzbuch von 1851 Volltext (pdf)
    3. Hörnle in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. 2012, § 166 Rn. 3
    4. 1 2 Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 166 StGB, Rn. 1
    5. Drucksache V/4094. (PDF) Deutscher Bundestag, 26. März 2014, abgerufen am 26. März 2014. S. 28
    6. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - § 166 StGB BT-Drs. 13/2087 vom 27. Juli 1995
    7. 1 2 3 taz.de: Deutsche Muslime halten Satire aus, 21. September 2012
    8. Drucksache14/4558. (PDF) Deutscher Bundestag, 7. November 2000, abgerufen am 26. März 2014.
    9. Plenarprotokoll 14/233. (PDF) Deutscher Bundestag, 26. März 2014, abgerufen am 26. März 2014.
    10. FAZ.net: Empörung auf Weltniveau. 23. April 2006
    11. Edmund Stoiber – Höhere Strafen für Gotteslästerung. 19. Juni 2006 (Memento vom 8. Januar 2015 im Internet Archive)
    12. Stern.de: Merkel will Gotteslästerung nicht unter Strafe stellen, 20. September 2012
    13. spiegel.de
    14. Claudia Becker: Pius-Brüder fordern Strafanzeige gegen Komikerin Die Welt, 11. Juni 2013
    15. Staatsanwalt stellt Ermittlung gegen Kebekus ein Die Welt, 9. Juli 2013
    16. Zeit Online: Mordanschläge lösen Debatte über Blasphemie aus. 12. Januar 2015
    17. Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013. Bekenntnisfreiheit verwirklichen, Religionsgemeinschaften gleichbehandeln, Staat und Kirche institutionell trennen Website Die Linke, Archiv, abgerufen am 30. April 2019
    18. vgl. Wahlprogramm der Partei DIE LINKE zur Bundestagswahl 2017 S. 124 f.
    19. Abschaffung § 166 StGB am #BlasphemyDay bekräftigt – Gute Aussichten bei einer Jamaika-Koalition Standpunkte der Parteien im Deutschen Bundestag zur Abschaffung §166 StGB mit ifw-Kommentar/DIE LINKE. Website des Instituts für Weltanschauungsrecht, 30. September 2017
    20. Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 166 StGB, Rn. 2
    21. BGH NStZ 2000, 643
    22. Hörnle in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 166 Rn. 15
    23. Hörnle in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 166 Rn. 17
    24. Stübinger in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 166 Rn. 6
    25. Lenckner/Bosch in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 29. Aufl. 2014, § 166 Rdnr. 12
    26. Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 166 StGB, Rn. 4
    27. Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 166 StGB, Rn. 6, 7
    28. Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 166 StGB, Rn. 14
    29. Hörnle in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 166 Rn. 22
    30. Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 166 StGB, Rn. 2b: „Die ersichtlich unzutreffende Behauptung, in Deutschland sei vor allem die christliche Religion zunehmenden Angriffen ausgesetzt (BT-Drucks. 14/4558, S. 3f.) wirft ein Schlaglicht auf den Umstand, dass § 166 in der Praxis seit jeher kaum dem Schutz der Häretiker vor der Mehrheit gedient hat, sondern dem Schutz der Mehrheit vor ihnen.“ (Hervorhebungen im Original)
    31. Ron Steinke: "Gotteslästerung" im säkularen Staat. Kritische Justiz, 2008, abgerufen am 8. Juli 2019.
    32. Markus Becker: Anschlag auf „Charlie Hebdo“: Warum Blasphemie dazugehört. Spiegel Online, 9. Januar 2015, abgerufen am 9. Januar 2015.
    33. Peter Panter: So verschieden ist es im menschlichen Leben! In: Die Weltbühne. 14. April 1931, Seite 542
    34. freethoughtreport.com S. 498, abgerufen am 11. Dezember 2014.
    35. Humanistischer Pressedienst: Nach Anschlag auf „Charlie Hebdo“: Gotteslästerungsparagraph 166 StGB abschaffen! Artikel vom 8. Januar 2015.
    36. www2.ohchr.org
    37. hpd.de
    38. Thorsten Jungholt: Blasphemie: Ist Gesetz gegen Gotteslästerung veraltet? In: DIE WELT. 13. Januar 2015 (welt.de [abgerufen am 29. Dezember 2018]).
    39. LG Göttingen, Urteil vom 27. Dezember 1984. In: NJW 1985, S. 1652 f.; OLG Celle in NJW 1986, S. 1275 f. und „Femina = die weniger Glauben hat“. In: Der Spiegel. Nr. 43, 1984, S. 117–128 (online 22. Oktober 1984).
    40. Entscheidungen in Kirchensachen seit 1946 / 1993: Bd 31 Seite 353,354 ISBN 3-11-015739-X
    41. Beschluss Bundesverwaltungsgericht vom 11. Dezember 1997, Az. 1 B 60/97
    42. Urteil des OVG Koblenz vom 2. Dezember 1996, Az. 11 A 11503/96, NJW 1997, S. 1174–1176
    43. Beschluss BVerfG vom 20. April 1998, Az. 1 BvR 667/98
    44. Christian Rath: Koranverse auf Toilettenpapier gestempelt. die tageszeitung, 8. Februar 2006, abgerufen am 17. Dezember 2010.
    45. Bewährungsstrafe für „Koran-Toilettenpapier“ – Aufdruck. Kölner Stadt-Anzeiger, 23. Februar 2006, abgerufen am 22. November 2017.
    46. AG Lüdinghausen: Urteil vom 23.02.2006 – 7 Ls 540 Js 1309-05, 31/05, BeckRS 2006, 03249
    47. Beim WDR darf der Papst nicht kuscheln. In: Handelsblatt
    48. stunksitzung.de
    49. Gericht verurteilt ehemaligen Lehrer wegen Gotteslästerung. In: Spiegel Online. Abgerufen am 22. November 2016.
    50. Freispruch für „Gotteslästerer“. (hpd.de [abgerufen am 14. September 2018]).
    51. Zielsetzung und Hintergrund | Kunstpreis "Der freche Mario". Abgerufen am 17. April 2020.
    52. The muzzle grows tighter. The Economist, 4 June 2016
    53. Constitution of Ireland Wikisource.
    54. taz.de: Vorwärts ins Mittelalter, 12. Januar 2010
    55. Carten Volkery: Irland: Ungläubiges Staunen über Gesetz gegen Gotteslästerung. Spiegel Online vom 16. Juli 2009
    56. thejournal.ie: It’s official: We’ll have a referendum to remove blasphemy from the Constitution, 2. Oktober 2014
    57. www.electionsireland.org
    58. siehe auch Thirty-seventh Amendment of the Constitution (Repeal of offence of publication or utterance of blasphemous matter) Bill 2018 (Bill 87 of 2018)
    59. We must vote yes to remove the crime of blasphemy from our Constitution
    60. FAZ.net: Gotteslästerung in Irland nicht mehr verfassungswidrig