Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast
vom 05.08.2021, aktuelle Version,

Bosnische Spurweite

Lokomotiven mit Klose-Triebwerk, von den Eisenbahnern „Radialka“ genannt, waren in Jugoslawien weit verbreitet.
Zug auf der Museumsbahn Šarganska osmica
Triebwagen der Waldviertler Schmalspurbahnen in Alt Weitra (Niederösterreich)
„Rama“, die älteste Schmalspurlokomotive Serbiens mit Spurweite 760  mm, im Museum von Požega.
Die Steyrtalbahn wird von der ÖGEG als Museumsbahn betrieben

Als sogenannte Bosnische Spurweite, auch „Bosnaspur“, werden die Eisenbahn-Spurweiten von 760 mm bis 762 mm (30 Zoll) bezeichnet.[1]

Ein umfangreicher Teil des Eisenbahnnetzes im ehemaligen Jugoslawien war unter österreich-ungarischer Verwaltung als Schmalspurbahn in 760 mm Spurweite errichtet worden. Die meisten Strecken in dieser Spurweite befanden sich in Bosnien und Herzegowina, wo Schmalspurzüge umgangssprachlich „Ćiro“ genannt wurden. Sie entstanden in den letzten Jahrzehnten des 19. und den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Die Spurweite von 760 mm wird heute noch als Bosnische Spurweite oder als „Bosnaspur“ bezeichnet, sie hatte dann in der gesamten Donaumonarchie Verbreitung gefunden.

Geschichte

Die Keimzelle dieses umfangreichen Streckennetzes war eine als militärische Feldbahn errichtete Strecke von Bosnisch Brod nach Zenica der Bosnabahn. Diese wurde vom Bauunternehmen Hügel & Sager mit gebrauchtem Material, welches zuvor beim Bau der Bahnlinie von Timișoara nach Orșova an der Donau (heute Rumänien) zum Einsatz gekommen war, errichtet. Für die weit verbreitete Ansicht, Negrelli habe für den Bau des Suezkanals Gleise auf den (schmalen) Pfaden aus der Pharaonenzeit verlegen lassen, die nur eine Spurweite von ca. 760 mm (30 Zoll) erlaubte und daher in der österr. Eisenbahnsprache Pharaonenspur genannt wurde, existieren jedoch keine Belege.[2]

Die Bosnabahn, die schon bald nach Sarajevo verlängert wurde, stellte für damalige Verhältnisse das erste moderne Verkehrsmittel in der Region dar und wurde rasch an die Bedürfnisse eines zivilen öffentlichen Verkehrs angepasst und erweitert. Die wichtigsten Strecken dieser Region waren die Bosnische Ostbahn sowie die teilweise mit Zahnstangenabschnitten versehene Narentabahn von Sarajevo über Mostar zur Adriaküste.

Später war im Gebiet der gesamten Donaumonarchie bei der Errichtung von Schmalspurbahnen eine Spurweite von 760 mm vorgeschrieben. Im Kriegsfall sollten dadurch ausreichend passende Fahrzeuge für die k.u.k. Heeresfeldbahnen zu Verfügung stehen. So wurden zum Beispiel alle bedeutenden Schmalspurbahnen im heutigen Österreich in dieser Spurweite errichtet, wie etwa die Mariazellerbahn, Pinzgaubahn, Salzkammergut-Lokalbahn, Zillertalbahn, Ybbstalbahn. Die erste Schmalspurbahn im heutigen Österreich war die 1889 in Betrieb genommene Steyrtalbahn. Die Bedeutung Österreich-Ungarns in der Balkanregion führte dazu, dass sich Nachbarländer der Verwendung der Bosnischen Spurweite anschlossen, wie etwa Bulgarien und Serbien.

Nach Gründung des jugoslawischen Staates nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Šarganbahn über das Šargan-Gebirge errichtet, womit ein zusammenhängendes Schmalspurnetz entstand, welches weite Teile Bosnien-Herzegowinas und Serbiens sowie Teile Montenegros und des dalmatinischen Küstenlandes erschloss. So fuhren durchgehende Schnellzüge von Belgrad über Sarajevo nach Dubrovnik auf schmaler Spur. Ergänzt wurde dieses Streckennetz durch eine Vielzahl von nicht öffentlichen Waldbahnen und Industriebahnen (z. B. Steinbeisbahn).

Die Schmalspurbahnen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg nach und nach durch Normalspurbahnen (Spurweite 1435 mm) ersetzt oder wegen Unwirtschaftlichkeit eingestellt. Die letzten Linien für den Personenverkehr, darunter die Bosnische Ostbahn von Sarajevo nach Višegrad, waren auf bosnischer Spur bis zum 28. Mai 1978 in Betrieb. Einige Streckenabschnitte in Serbien verblieben noch für einige Jahre für den Güterverkehr erhalten. In Bosnien blieb nur eine kurze Industriebahn, die Kohlenbahn Banovići, erhalten. Die Teilstrecke über das Šargan-Gebirge in Serbien wurde zwischen 1999 und 2003 als Museumsbahn wieder aufgebaut. Diese Šarganska osmica (Šargan-Acht) genannte Bahn von Mokra Gora nach Šargan Vitasi ist Bestandteil eines umfangreichen Tourismusprojektes für Westserbien und wurde bis zum Herbst 2010 weiter ins bosnische Višegrad verlängert.

Aktuelle Nutzung

Bahnen in Bosnischer Spurweite werden heute vor allem in Österreich, Ungarn, Tschechien und Bulgarien fahrplanmäßig betrieben. In der Slowakei existieren ebenfalls noch wenige Kilometer Strecke. In Rumänien sind mit der Wassertalbahn über 50 Kilometer als Waldbahn in Betrieb. In Slowenien, Kroatien und Serbien existieren bis auf die erwähnte Museumsbahn und kurze Strecken in Industriebetrieben keine Strecken mehr in dieser Spurweite. In Italien wurden alle 760 mm-Strecken spätestens in den 1960er Jahren vollständig abgebaut. In Polen und der Ukraine (Borschawatalbahn) gelegene Strecken wurden entweder stillgelegt oder auf 750 mm umgebaut. Die verbliebenen Strecken in Österreich wurden, sofern sie nicht in der Händen lokaler Betreibergesellschaften waren, alle in den 2000er Jahren an die Länder übergeben und werden heute als moderne Lokalbahnen mit getakteten Fahrplänen betrieben. Die Bahnen waren oder sind im Fokus von Modernisierungsprogrammen seitens der Betreibergesellschaften, so soll die Zillertalbahn bis 2022 auf Wasserstoffbetrieb und die Murtalbahn im Laufe der 2020er Jahre auf eine innovative elektrische Antriebsmethode umgestellt werden.[3][4]

Die möglicherweise weltweit jüngste Schmalspurbahn in Bosnischer Spurweite wurde nach der Jahrtausendwende unter Beteiligung österreichischer Unternehmen zur touristischen Erschließung der Al-Hoota-Höhle in Oman gebaut.

Die in Österreich ebenfalls als bosnische Spur bezeichnete Spurweite 762 mm (30 Zoll) findet sich heute noch häufig im ehemaligen britischen Einflussbereich, wie etwa in Indien.

Literatur

  • Helga Berdan: Die Machtpolitik Österreich-Ungarns und der Eisenbahnbau in Bosnien Herzegowina. Diplomarbeit an der Universität Wien online (pdf; 8,29 MB).
  • Tadej Braté: Die Dampflokomotiven Jugoslawiens. Verlag Slezak, Wien 1971, ISBN 3-900134-01-4 (Internationales Archiv für Lokomotivgeschichte 17).
  • Keith Chester: The Narrow Gauge Railways of Bosnia-Hercegovina. Stenvall, Malmö 2007, ISBN 978-91-7266-166-0.
  • Keith Chester: Bosnia-Hercegovina. Narrow Gauge Album. Stenvall, Malmö 2010, ISBN 978-91-7266-176-9.
  • Alfred Horn: Die Bahnen in Bosnien und der Herzegowina. Ployer, Wien 1964 (Eisenbahn. Sonderheft).
  • J. Rihosek, K. Schäffer: Lokomotiven der Bahnen in Bosnien und der Herzegowina. Ployer, Wien 1952 (Eisenbahn. Sonderheft).
  • Arthur Meyer, Josef Pospichal: Zahnradbahnlokomotiven aus Floridsdorf, Verlag bahnmedien.at, Wien 2012, ISBN 978-3-9503304-0-3.
  • Werner Schiendl: Die Eisenbahnen in Bosnien und der Herzegowina 1867–1918, Edition Bahn im Film, Wien 2015, ISBN 978-3-9503096-5-2.

Film

  • Schmalspurdampf in Bosniens Gebirge, Rio Grande Classic Video Nr. 2013, VGB VerlagsGruppeBahn, Fürstenfeldbruck 2012, ISBN 978-3-89580-782-4
Commons: Bosnische Spurweite  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft
  2. Keith Chester: The Narrow Gauge Railways of Bosnia-Hercegovina. Stenvall, Malmö 2007, ISBN 978-91-7266-166-0, S. 22
  3. Acht Wasserstoff-Züge kosten Zillertalbahn 80 Mio. Euro. 1. Juni 2018, abgerufen am 12. März 2020.
  4. Die Murtalbahn soll schneller fahren. Abgerufen am 28. August 2018.