Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast
vom 22.06.2020, aktuelle Version,

Fritz Muliar

Fritz Muliar (links) als Oberinspektor Gruber beim Dreh der Folge „Das goldene Pflaster“ der TV-Serie „ Der Kommissar“ (Wien, ca. 1974)

Fritz Muliar, gebürtig Friedrich Ludwig Stand (* 12. Dezember 1919 in Wien; † 4. Mai 2009 in Wien-Alsergrund),[1] war ein österreichischer Schauspieler, Kabarettist und Regisseur.

Familie

Muliar wurde als uneheliches Kind geboren und wuchs in Wien-Neubau auf. Sein leiblicher Vater Maximilian Wechselbaum war ein Tiroler k.u.k. Offizier, der keinen Kontakt zu seinen Sohn hatte und sich später den Nationalsozialisten anschloss. Muliars Mutter Leopoldine Stand, die als Sekretärin bei der Oesterreichischen Kontrollbank arbeitete, stand den Sozialdemokraten nahe. 1924 lernte sie den russisch-jüdischen Juwelier Mischa Muliar kennen und heiratete ihn. Muliars Großeltern waren streng katholisch und deutschnationaler Gesinnung.

Nachdem seine erste Ehe mit Gretl Doering (1923–1997)[2] kurz zuvor gescheitert war, heiratete Muliar 1955 Franziska Kalmar (* 1930)[3], die erste Fernsehsprecherin Österreichs. Mit ihr hatte er die Söhne Alexander (* 1957) und Martin (* 1959). Sein Sohn Hans (* 1946) aus erster Ehe mit Gretl Doering starb 1990. Muliars Enkel, Markus, veröffentlichte 2015 das Buch Damit wir uns verstehen!, in welchem er Tagebücher und Briefe seines Großvaters aus dem Zweiten Weltkrieg transkribierte.

Muliar war Ensemblemitglied des Theaters in der Josefstadt und feierte 2006 sein 70-jähriges Bühnenjubiläum. Er lebte mit seiner Frau in Groß-Enzersdorf in der Nähe der Lobau bei Wien.

Muliar war aktiver Sozialdemokrat und unterstützte regelmäßig Wahlkampagnen der SPÖ. Er war bekennender Freimaurer und gehörte einer Wiener Freimaurerloge an.[4] Fritz Muliar war auch Mitglied im parteilosen und überreligiösen Österreichischen Pfadfinderbund.

Karriere

Mit 16 Jahren beendete Fritz Muliar die Schule und begann ein Schauspielstudium am Neuen Wiener Konservatorium. Seine ersten kabarettistischen Auftritte erfolgten 1937 in Stella Kadmons Kleinkunstbühne „Der liebe Augustin“, später auch im „Simpl“, wo er allerdings, nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938, nur noch harmlose Opernparodien und Bauernschwänke spielen durfte. Nebenher arbeitete er als Vertreter für Babykosmetik, um Geld für den Lebensunterhalt (auch seiner Mutter) zu verdienen, nachdem der Stiefvater im März 1938 vor den Nazis in die USA geflohen war.

Im April 1940 wurde Muliar zur Wehrmacht eingezogen. 1942 saß er sieben Monate wegen Wehrkraftzersetzung und Betätigung zur Wiederherstellung eines freien Österreichs in Einzelhaft. Er wurde sogar zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde aber in eine fünfjährige Haftstrafe umgewandelt, die zur sogenannten „Frontbewährung“ in einer Strafeinheit an der Ostfront ausgesetzt wurde. Das Kriegsende erlebte er in britischer Kriegsgefangenschaft.

1946 fing er als Sprecher bei Radio Klagenfurt der Sendergruppe Alpenland an, wo er seine spätere Frau Gretl Doering kennenlernte. Doering brachte ihren vierjährigen Sohn Heinz mit in die Ehe, aus der kurze Zeit nach der Hochzeit Sohn Hans hervorging. Muliar arbeitete als Schauspieler und Regisseur in Graz bei „Der Igel – das kleine Zeittheater“. Er wechselte an das Steirische Landestheater, wo er sogar ein Angebot als Theaterdirektor hätte annehmen können.

Ehrengrab von Fritz Muliar auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe  33G, Nr.  42)

Stattdessen kehrte er 1949 zurück nach Wien ans Raimundtheater, wo er als Operettenbuffo mit Größen wie Johannes Heesters und Marika Rökk auftrat, zeitweise aber auch als Conférencier im Nachtclub Moulin Rouge arbeitete. Von 1952 bis 1965 spielte er im Simpl an der Seite von Karl Farkas und Ernst Waldbrunn, aber mit der Zeit auch an allen bedeutenden Bühnen Wiens, im Theater in der Josefstadt, im Volkstheater, ab Mitte der 1970er Jahre auch am Wiener Burgtheater, ab 1994 wieder in der „Josefstadt“. In den Sommerpausen trat er regelmäßig bei den Salzburger Festspielen auf.

Vor der Kamera stand Muliar das erste Mal 1940, in dem Film Herz ohne Heimat mit seiner damaligen Partnerin Friedl Hoffmann und dem seinerzeit noch eher unbekannten Curd Jürgens.

Nach dem Krieg spielte er in mehr als 100 Fernsehfilmen und -serien mit. Daneben widmete er sich in vielen Vortragsabenden der Rezitation. Mit zahlreichen Schallplatten-, Rundfunk- und Bühnenprogrammen zum jüdischen Witz etablierte er sich überdies als äußerst populärer Interpret jüdischer Witze im deutschen Sprachraum.

Muliar galt als Volksschauspieler. Besonders gut konnte er Menschen darstellen, die jiddisch sprechen oder böhmakeln.

Am Sonntag, dem 3. Mai 2009, stand der 89-Jährige zum letzten Mal auf der Bühne der Josefstadt als Baron von Ciccio in Peter Turrinis Stück Die Wirtin[5] nach Carlo Goldoni. In der darauffolgend  Nacht auf Montag verstarb er, nachdem er in seiner Wohnung zusammengebrochen und in das Allgemeine Krankenhaus der Stadt Wien gebracht worden war. Am 12. Mai 2009 wurde Fritz Muliar in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 33G, Nr. 42) beigesetzt.[6]

Im Jahr 2016 wurde in Wien-Liesing (23. Bezirk) der Muliarplatz nach ihm benannt.

Zitate

„Ich bin ein Darsteller des kleinen Mannes – ein jüdischer Bankier, das ist noch drinnen, den Othello muß ich nicht unbedingt spielen. Den Lear – nur in einer Musicalfassung.“

„Mit dem Aberglauben ist es auch so eine Sache: Ich habe noch keinen Menschen getroffen, der sein 13. Monatsgehalt zurückgegeben hat.“

Rollen (Auswahl)

Veröffentlichungen

Druckwerke

  • Damit ich nicht vergesse, Ihnen zu erzählen. Jiddische Geschichterln und Lozelachs. Matari, Hamburg 1967. Neuauflage: Der Apfel, Wien 2004, ISBN 978-3-85450-162-6.
  • Streng indiskret! Aufgezeichnet von Eva Bakos. Mit 13 Zeichnungen von Rudolf Angerer. Zsolnay, Wien / Hamburg 1969.
  • Jiddische Witze und Geschichten. Fontana, Hamburg 1973, DNB 577896652.
  • Das Beste aus meiner jüdischen Witze- und Anekdotensammlung. 2. Auflage. Heyne, München 1974, ISBN 3-453-00387-X.
  • Wenn Sie mich fragen … . Aufgezeichnet von Trude Marzik. Zsolnay, Wien 1972; Neuauflage zuletzt Zsolnay, Wien 1990, ISBN 3-552-02430-1.
  • Die Reise nach Tripstrill und zurück. Nachwort von György Sebestyén. Verlag Mundus, Wien 1978, ISBN 3-85190-102-9.
  • Österreich, wohin man schaut. Athenäum, Königstein im Taunus 1983.
  • Liebesbriefe an Österreich. Ueberreuter, Wien 1986, ISBN 3-8000-3232-5.
  • Nachwort zu William Novak und Moshe Waldoks: Das große Buch des jüdischen Humors. Athenäum, Königstein im Taunus 1982.
  • An Herrn Bundespräsidenten Kurt Waldheim. In: Milo Dor (Hrsg.): Die Leiche im Keller. Dokumente des Widerstands gegen Dr. Kurt Waldheim. Picus, Wien 1988, ISBN 3-85452-205-3, S. 133 ff.
  • Von A bis Z. Unaussprechliches ausgesprochen. Zsolnay, Wien 1989, ISBN 3-552-04140-0.
  • Das ist mein Kaffee. Das Kaffeebuch für Genießer. Pichler, Wien 1994, ISBN 3-85431-101-X.
  • Strich drunter: Bevor es wieder zu spät ist. 3. Auflage. Kremayr & Scheriau, Wien 1996, ISBN 3-218-00626-0.
  • Das muss noch gesagt werden! Kremayr & Scheriau, Wien 1999, ISBN 3-218-00665-1.
  • War’s wirklich so schlimm? Erinnerungen. Reihe Ein Bekenntnis (Band 4). Edition Va Bene, Wien 1994, ISBN 3-85167-027-2.
  • Ein Urlaub bei Freunden? Edition Va Bene, Wien 2002, ISBN 3-85167-134-1.
  • Melde gehorsamst, das ja! Meine Lebensabenteuer. Styria, Graz 2003, ISBN 3-222-13129-5.
  • Denk ich an Österreich. Eine Bilanz. Autobiografie, Aufgezeichnet von Helmuth A. Niederle, Residenz, St. Pölten, Salzburg 2009, ISBN 978-3-7017-3142-8.

Tonträger

  • Der jüdische Witz. Dargeboten von Fritz Muliar, Preiser 1959.
  • Kabarett aus Wien Nr. 31. Bonkes und Chalosches erzählt von Fritz Muliar, Preiser 1960.
  • Fritz Muliar erzählt jüdische Witze. Preiser o. J.
  • Damit ich nicht vergess’, Ihnen zu erzählen! Jüdische Witze. 2. Folge. Preiser o. J.
  • Fritz Muliar erzählt zum 3. × Jüdische Witze. o. J.
  • Fritz Muliar erzählt Witze, natürlich jüdische. o. J.
  • Neue jüdische Witze und Geschichten. Live-Aufnahme. Philips 1968.
  • Jiddische Witze und Geschichten. Fontana 1973.
  • … da lachen nicht nur die Jidden. Live-Aufnahme, Fontana o. J.
  • Fritz Muliar liest Alfred PolgarEgon FriedellAlexander Roda Roda. Preiser CD PR90011, 1999.
  • Die Briefe des Menachem Mendel. Von Scholem Alejchem. Preiser CD PR90384, 1999.
  • Sibirien. Von Felix Mitterer. Hörbuch. Preiser CD PR90538, 2002.
  • Fritz Muliar und Michael Dangl: Besuch bei Mr. Green. Von Jeff Baron. Preiser CD PR90561, 2003.
  • Fritz Muliar erzählt Geschichten von Roda Roda. Preiser CD PR90752, 2007.
  • Vergessenes. Gelesen und gesungen von Ulrike Beimpold und Martin Muliar. Hrsg.: Markus Muliar. Mono Verlag, Wien, 2013- ISBN 978-3-902727-16-9.

Auszeichnungen (Auszug)

Filmografie

Einzelnachweise

  1. Fritz Muliar verstorben: Abschied. In: Der Orkan. 4. Mai 2009, abgerufen am 12. Dezember 2019.
  2. Verstorbenensuche:. In: friedhoefewien.at. Abgerufen am 12. Dezember 2019.
  3. Kurier (Tageszeitung) Ein Jahr voller Erinnerungen von 3. Jänner 2015, abgerufen am 18. Mai 2020
  4. Schauspieler Fritz Muliar verstorben. ORF, 4. Mai 2009, archiviert vom Original am 9. Mai 2009; abgerufen am 17. Oktober 2013.
  5. Gernot Zimmermann: Turrinis „Die Wirtin“ in der Josefstadt. In: Ö1 Mittagsjournal. 28. Januar 2009, archiviert vom Original am 10. Mai 2009; abgerufen am 12. Dezember 2019.
  6. Fritz Muliar in Ehrengrab beigesetzt. In: Kleine Zeitung. 12. Mai 2009, abgerufen am 12. Dezember 2019.
  7. Bundeskanzler: Anfragebeantwortung: schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Orden und Ehrenzeichen an ehemalige in- und ausländische Regierungsmitglieder und sonstige Persönlichkeiten. (pdf, 6,6 MB) 23. April 2012, S. 1483, abgerufen am 12. Dezember 2019 (Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952).