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vom 10.08.2021, aktuelle Version,

Hans Staden

Kupferstich, die Hans Staden (mit Bart, im Hintergrund) zeigt, wie er die Tupinambá bei der Ausübung der Anthropophagie beobachtet, in einem Dorf zwischen Bertioga und Rio de Janeiro. ( Kupferstich von Theodor de Bry, 1562)

Hans Staden (* um 1525 in Homberg (Efze); † 30. Juli 1576 in Wolfhagen [ungesichert]) war ein deutscher Landsknecht in Diensten portugiesischer Siedler. Er verfasste die Warhaftige Historia (1557) über seine zwei Reisen nach Brasilien. Es war das erste ausführliche Buch über Brasilien in Deutschland im 16. Jahrhundert. Staden war Zeitgenosse des Landsknechts Ulrich Schmidl, seines Zeichens Mitbegründer von Buenos Aires in Argentinien.

Leben und Werk

1548 reiste Hans Staden als Landsknecht in das bereits als „Brasilien“ bekannte brasilianische Küstengebiet und kämpfte dort 1549 bei Pernambuco gegen aufständische Indianer. Nach der Rückkehr entschloss er sich 1550, mit der spanischen Sanabria-Expedition in das Gebiet von La Plata zu fahren. Nachdem die drei Schiffe in Stürmen gesunken waren, konnte er sich mit mehreren anderen der Schiffbrüchigen an die südbrasilianische Küste retten, wo sie über zwei Jahre im Regenwald überlebten, auf Rettung hoffend. Schließlich fuhren sie mit einem kleinen selbstgezimmerten Boot nach Norden und kamen – nach erneutem Schiffbruch und Urwaldmarsch – nach São Vicente. Um diese wichtige Siedlung zu schützen, wurde Staden von den Portugiesen als Kommandant einer kleinen Festung angestellt, welche auf der im Norden vorgelagerten Insel Santo Amaro lag.

Hans-Staden-Relief in Homberg (Efze)

Die Insel war Angriffen der Tupinambá-Indianer ausgesetzt, die Kannibalen waren. Bei einem Ausflug von seinem „Bollwerk“ wurde Staden von Indianern gefangen genommen, die ihn zu ihrer Siedlung Ubatuba verschleppten. Er sollte bald an einem Festtag der Tupinambá rituell getötet und verspeist werden. Zu seinem Glück konnte er diesen Termin immer wieder hinauszögern. Diesen Umstand hatte er seiner Physiognomie zu verdanken, die überhaupt nicht einer portugiesischen glich, denn die Portugiesen galten den Tupinambá bereits als die Hauptfeinde.[1] Die Indianer wurden danach von einer Seuche heimgesucht. Der gläubige Christ Staden versprach dem Häuptling, sich bei seinem Gott für die Heilung einzusetzen. Der Häuptling überlebte die Seuche und der Status Stadens als Heiler rettete sein Leben. Staden musste jedoch mit ansehen, wie die Tupinambá mehrere Portugiesen gefangen nahmen, töteten und verspeisten. Nach über neun Monaten konnte er vom Kapitän eines französischen Schiffes befreit werden.

Sein 1557 in Marburg erschienenes Buch Warhaftige Historia und beschreibung eyner Landtschafft der Wilden Nacketen, Grimmigen Menschfresser-Leuthen in der Newenwelt America gelegen... ist heute ein außerordentlich wichtiges Werk für die Brasilien-Forschung. Den Druck der Reisebeschreibung veranlasste der Marburger Mediziner Johann Dryander. Dryander wird in der Fachliteratur zum Teil sogar als eigentlicher Autor des Berichtes von Staden angesehen.[2] Begründet wird dies u. a. mit den Publikationsumständen und dem Bildungsgrad Stadens. Die geschickte und durchdachte Erzählweise des Berichtes und die vielen Details des Buches, wie die Erwähnung des medizinischen Fachbegriffes Median-Ader, lassen vermuten, dass der Bildungsgrad eines Landsknechtes nicht ausreichend war, so ein Werk in dieser Form zu verfassen. Die neuere Stadenforschung (Obermeier, Harbsmeier, Tiemann) widerspricht dieser Vermutung.[3] Die stilistisch-syntaktische Monotonie mit parataktisch reihenden Hauptsatzkonstruktionen lässt einen ungeübten Schreiber erkennen. Deutlich zu unterscheiden ist dagegen die gelehrte Diktion Dryanders in seinem ausführlichen Vorwort. Seine Funktion ist mit der eines Lektors zu vergleichen, der die Anlage des Werkes mitbestimmte und wohl nur an einigen Stellen korrigierend eingriff. In zwei erhaltenen Schreiben, mit denen Staden sein Werk an adelige Gönner schickte, unterschreibt er als Autor des Werkes.[4]

Staden beschrieb als erster die Fruchtbarmachung des Bodens durch die Indios, die bis heute noch im Amazonas beobachtet werden kann: „Dort, wo sie pflanzen wollen, fällen sie zuerst die Bäume und lassen sie ein bis drei Monate trocknen. Dann wird die Fläche angezündet und zwischen den halbverkohlten Stämmen pflanzen sie ihre Wurzeln.“[5] (Siehe Terra preta de índio („schwarze Indianererde“))

Am Ende des Buches beschreibt Staden Tiere und Pflanzen von Brasilien. 17 Tierarten, darunter das Gürteltier, das Opossum Gambá und Stachellose Bienen, sowie fünf Pflanzenarten sind eindeutig zu identifizieren. Er beschrieb zum Beispiel Baumwolle von Kapok-Bäumen und die Süßkartoffel. Es handelt sich dabei um einen ersten Bericht über die damals unbekannten tropischen Tiere und Pflanzen der Neuen Welt.[6]

Nach der Veröffentlichung des Buches lernte Staden in Marburg das Salpetersieden. In seiner Wahrhaftigen Historia und einem um das Jahr 1557 an den Grafen von Waldeck verfassten Brief gab er Wolfhagen als seinen Wohnort an.[7] 1558 wurde er als Salpetersieder „vonn Corbach“ zuletzt genannt. Somit ist es unklar, wo er starb. Sein Vater besaß seit 1551 das Bürgerrecht in Korbach. Dass Staden im Jahr 1576 der Pest zum Opfer fiel, ist historisch sehr unwahrscheinlich.

Hans-Staden-Denkmal in Wolfhagen

Rezeption

1925 veröffentlichte der brasilianische Autor Monteiro Lobato das Jugendbuch Meu cativeiro entre os selvagens do Brasil nach den Schriften Stadens. 1927 erschien es in einer umgearbeiteten Fassung unter dem Titel As Aventuras de Hans Staden. Das Buch war sehr erfolgreich und ist in Brasilien noch immer Schullektüre.[8] Auch als Comicheld wurde Staden in Brasilien bekannt.[9]

Postume Ehrungen

Hans Staden ist – mit Carl Friedrich Philipp von Martius – Namensgeber des Institut Martius-Staden in São Paulo, das sich der Erforschung der Geschichte der deutschen Einwanderung nach Brasilien und dem deutsch-brasilianischen Kulturaustausch widmet.[10]

Straßennamen in Homberg (Efze), Jundiaí (Brasilien), Kassel, Korbach, Londrina (Brasilien), Rio de Janeiro (Brasilien), São Paulo (Brasilien), Ubatuba (Brasilien) und Wolfhagen erinnern an Hans Staden. In Homberg (Efze) gibt es ein Hans-Staden-Relief. In Wolfhagen ist ihm neben einem Brustbild in Stein seit 2018 ein Denkmal, gestaltet von Karin Bohrmann-Roth,[11] gewidmet. Seit dem 21. Februar 2019 trägt die Stadt Wolfhagen offiziell den Namen „Hans-Staden-Stadt Wolfhagen“.[12]

Werk

  • Warhaftige Historia und beschreibung eyner Landtschafft der Wilden/Nacketen/Grimmigen Menschfresser Leuthen/in der Newenwelt America gelegen/vor und nach Christi geburt im Land zue Hessen unbekant/biss vff dise ij. nechst vergangene jar/Da sie Hans Staden von Homberg auß Hessen durch sein eygne erfarung erkant/vnd yetzo durch den truck an tag gibt. Dedicirt dem Durchleuchtigen Hochgebornen herrn/H. Philipsen Landtgraff zue Hessen/Graff zue Catzenelnbogen/Dietz/Ziegenhain vnd Nidda/seinem G.H. Mit eyner vorrede D. Joh. Dryandri/genant Eychman/Ordinarij Professoris Medici zue Marpurgk. Inhalt des Buechlins volget nach den Vorreden. Getruckt zue Marpurg/im jar M. D. LVII. (Ergänzung am Schluss des Buches: "Zue Marpurg im Kleeblatt/ bei Andres Kolben/ vff Fastnacht. 1557.")[13]

Bearbeitungen

  • Warhaftige Historia. Zwei Reisen nach Brasilien (1548–1555). Historia de duas viagens ao Brasil. Kritische Ausgabe durch Franz Obermeier. Fontes Americanae 1. Westensee-Verlag, Kiel 2007, ISBN 978-3-931368-70-8.
  • Brasilien – Die wahrhaftige Historie der wilden, nackten, grimmigen Menschenfresser-Leute – 1548–1555. Hrsg. und eingeleitet von Gustav Faber. Thienemann, Edition Erdmann, Stuttgart 1984, ISBN 3-522-60460-1.

Literatur

(in der Reihenfolge des Erscheinens)

  • Richard Andree: Hans Staden von Homberg unter den kannibalischen Tupinambas (1547–1554). In: Otto Spanner (Hrsg.): Wirkliche und wahrhaftige Robinsonaden, Fahrten und Reiseerlebnisse aus allen Zonen. Otto Spanner’s Jugend- und Hausbibliothek. Zweite Serie, Elfter Band. Verlag Otto Spanner, Leipzig 1868, S. 17–40 (books.google.de).
  • Friedrich Ratzel: Staden, Hans. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 35, Duncker & Humblot, Leipzig 1893, S. 364–366.
  • Kurt Salecker: Ubatuba – Aus dem abenteuerlichen Leben des deutschen Brasilienfahrers Hans Staden. R. Brockhaus, Wuppertal 1967.
  • Georg Bremer: Unter Kannibalen: Die unerhörten Abenteuer der deutschen Konquistadoren Hans Staden und Ulrich Schmidel. Schweizer Verl.-Haus, Zürich 1996, ISBN 3-7263-6705-5.
  • Michael Harbsmeier: Von Nutzen und Nachteil des Studiums älterer Reiseberichte. Zur Wiederentdeckung Hans Stadens im 19. und 20. Jahrhundert. In: Walther Bernecker, Gertrut Krömer (Hg.): Die Wiederentdeckung Lateinamerikas. Die Erfahrung des Subkontinents in Reiseberichten des 19. Jahrhunderts. Vervuert, Frankfurt am Main 1997. 3-89354-738-X. S. 79–105.
  • Franz Obermeier: Hans Staden: Warhaftige Historia. Zwei Reisen nach Brasilien (1548–1555) História de duas viagens ao Brasil. Kritische Ausgabe/Edição critica: Franz Obermeier. Übertragung ins heutige Deutsch: Joachim Tiemann. Tradução ao português: Guiomar Carvalho Franco. Revisão: Augusto Rodrigues. Westensee Verlag, Kiel 2007, ISBN 978-3-931368-70-8.
  • Wolf Lustig: A Junesche been ermiuramme. Die Umsetzung von Hans Stadens 'Wahrhaftige[r] Historie der wilden, nackten grimmigen Menschenfresser-Leute' als 'Re-Tupierung' der europäisch-brasilianischen Begegnung. In: Fendler, Ute (Hg.): Entdeckung, Eroberung, Inszenierung : filmische Versionen der Kolonialgeschichte Lateinamerikas und Afrikas. Meidenbauer, München 2007. S. 77–100.
  • Wolfgang Schiffner u. a.: Unter Menschfresser-Leuthen. Entre as gentes antropófagas. O livro de Hans Staden de 1557. Hans Stadens Brasilienbuch von 1557. Regionalmuseum Wolfhager Land, Wolfhagen 2007, ISBN 978-3-924219-20-8.
  • Franz Obermeier, Wolfgang Schiffner (Hrsg.): Die Wahrhaftige Historia – das erste Brasilienbuch. Akten des Wolfhager Kongresses zu 450 Jahren Hans-Staden-Rezeption. Fontes Americanae 2. Westensee-Verlag, Kiel 2008, ISBN 978-3-931368-68-5.
  • Franz Obermeier: Staden, Hans. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 784 f. (Digitalisat).
  • Markus Klaus Schäffauer: Die Vision der Gegessenen: Hans Staden, Autor des Kannibalismus. In: Alexandra Curvelo u. Madalena Simões (Hrsg.): Portugal und das Heilige Römische Reich (16.–18. Jahrhundert). Aschendorff, Münster 2011, ISBN 978-3-402-14901-0, S. 105–126.
  • Eve M. Duffy, Alida Metcalf: The Return of Hans Staden. A Go-between in the Atlantic World. The Johns Hopkins University Press, Baltimore 2012, ISBN 978-1-4214-0346-5.
Commons: Hans Staden  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Werke im Volltext

Sonstiges

Einzelnachweise

  1. Thales de Azevedo: Povoamento da Cidade do Salvado. Publicação da Prefeitura Municipal do Salvador Comemorativa do IV Centenario da Cidade, Salvador 1949, ISBN 978-85-61458-16-4, S. 33.
  2. Annerose Menninger: Die Macht der Augenzeugen. Neue Welt und Kannibalen-Mythos, 1492–1600. Steiner Verlag, Stuttgart 1995, ISBN 3-515-06723-X, S. 184. (Beiträge zur Kolonial- und Überseegeschichte, 64)
  3. Franz Obermeier, Wolfgang Schiffner (Hrsg.): Die Warhaftige Historia – Das erste Brasilienbuch. Akten des Wolfhager Kongresses zu 450 Jahren Stadenrezeption. Westensee-Verlag, Kiel 2008.
  4. Gerhard Menk: Die beiden Widmungsschreiben Hans Stadens an die Grafen von Waldeck und Nassau. In: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde. 1989, S. 63–70.
  5. Thales de Azevedo: a. a. O, S. 365 f.
  6. Wolf Engels & Sabine Heinle: Hans Staden als Triopen-Biologe: Erste Beschreibungen "andersartiger" Tiere und Pflanzen Brasiliens in seinem Buch "Warhaftige Historia" von 1557 bis 1522. Beispiele von uns identifizierter Species. In: Spixiana. Band 37, 2014, S. 283–287. (Digitalisat).
  7. Paul Görlich: Wolfhagen. Geschichte einer nordhessischen Stadt. Wolfhagen 1980, S. 433.
  8. Karl-Ludolf Hübener: Als hessischer Landsknecht in Brasilien. Das abenteuerliche Leben des Hans Staden, SWR Wissen, 2015
  9. Regionalmuseum Wolfhager Land
  10. O Instituto Martius-Staden de Ciências, Letras e Intercâmbio Cultural Brasileiro-Alemão, abgerufen am 27. Februar 2014.
  11. Björn Friedrichs: Skulptur des Wolfhager Abenteurers Hans Staden auf Hospitalplatz enthüllt. In: hna.de. Hessische/Niedersächsische Allgemeine HNA, 9. Juni 2018, abgerufen am 16. Dezember 2018.
  12. Stadt Wolfhagen - Meldung: Wolfhagen jetzt offiziell „Hans-Staden-Stadt“. Abgerufen am 13. Dezember 2019.
  13. Original im Internet-Archiv verfügbar: https://archive.org/details/warhaftigehistor00stad/page/n5/mode/2up