Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast
vom 11.04.2022, aktuelle Version,

Hyrtl’sches Waisenhaus

Das Hyrtl’sche Waisenhaus war ein Waisenhaus in Mödling in Niederösterreich. Es wurde in den Jahren 1886 bis 1889 vom Baumeister und Architekten Eugen Sehnal erbaut. Die Finanzierung war möglich, da der bekannte Anatom Josef Hyrtl sein Vermögen für den Bau stiftete. Erweiterungen wurden bis 1902 errichtet, wo der Bau seine größte Ausdehnung aufwies.

Die erhaltenen und restaurierten Gebäude des ehemaligen Waisenhauses sind im späthistorischen Baustil in der Art eines englischen Colleges rund um die Waisenhauskirche platziert und prägen den östlichen Stadtteil Mödlings.

Waisenhaus

Südtrakt des Waisenhauses

Im Jahr 1885 wurde in Mödling unter der Leitung von Josef Schöffel der Verein zur Gründung und Erhaltung eines Waisenhauses gegründet. Im Jahr 1886 schenkte die Stadtgemeinde dem Verein die Gründe des ehemaligen Friedhofs sowie der ehemaligen Kirche St. Martin. Diese Gründe befinden sich östlich der Südbahn in dem von Schöffel neu gegründeten Stadtteil, der später den Namen Schöffelvorstadt, bzw. Schöffelstadt erhielt.[1]

Josef Hyrtl stiftete einen Großteil seines Vermögens dem Verein und stellte laufend die Gelder zum Bau des Waisenhauses sowie der zugehörigen Kirche, der heutigen Waisenhauskirche, zur Verfügung.

Der erste Bau wurde für 48 Kinder errichtet und kostete 36.579 Gulden. Der gleichzeitige Bau der Waisenhauskirche schlug sich mit 116.579 Gulden zu Buche. Der Bau ging schnell vonstatten. War die Grundsteinlegung im April 1886, so konnte das Waisenhaus bereit im Oktober desselben Jahres eröffnet werden. Im selben Jahr erhielt auch der Platz davor den Namen Hyrtlplatz.[1]

Insgesamt erbte die Joseph Hyrtl Waisenhausstiftung aus dem Nachlass Hyrtls, der 1894 starb, fast 600.000 Gulden, was heute einem Wert von etwa 5,5 Millionen Euro entspricht.[2]

Im Jahr 1888 und 1890 wurde die Kapazität des Waisenhauses durch mehrere Zubauten auf 220 Waisenkinder erweitert.[1] Im Westgebäude wurde auch eine Anstaltsschule eingerichtet.

Im April 1903 befanden sich in der Humanitäts-Anstalt 600 Kinder beiderlei Geschlechts.[3]

Die Stiftung wurde im Jahr 1938 im Zuge des Anschlusses aufgelöst.[4] Friedrich Zawrel war, in den Jahren 1940 und 1942, auch hier eines der minderjährigen Opfer dieser Anstalt.

Im Jahr 1955 wurde das NÖ Landesjugendheim Mödling neu gegründet. 1978 übersiedelt das Heim in die Hinterbrühl.[5]

Zu den bekanntesten Zöglingen des Waisenhauses gehören Leopold Petznek und Josef Weinheber (von 1901 bis 1909), sowie Friedrich Zawrel (in den Jahren 1940 und 1942).

Kirche St. Josef

Südwestansicht der Kirche
Waisenhauskirche mit dem Hyrtl-Denkmal

Die Kirche bildet das Zentrum des U-förmig angelegten Waisenhausareals. Die Kirche, die wie auch die anderen Trakte mit einer Rohziegelfassade versehen sind, weist außen Skulpturen des Bildhauers Vincenz Pilz auf.

Über die Kirche selbst ist sehr wenig bekannt. So wurde beispielsweise im Jahr 1887 anlässlich der Namenstage von Hyrtl und dessen Frau zweimal die Deutsche Messe von Schubert durch den Mödlinger Gesangsverein aufgeführt.[6]

Die Waisenhauskirche, ehemals katholische Filialkirche, dient heute der Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. Mödling als Predigtstelle, sowie der Altkatholischen Diasporagemeinde Mödling der Kirchengemeinde St. Salvator (Wien-Innen) als Kirche der Gottesdienste.

Ehemalige Martinskirche

An der Stelle, an der heute die dem heiligen Josef geweihte Waisenhauskirche steht, befand sich früher die St. Martinskirche, die um 903 erbaute wurde und die erste Pfarrkirche von Mödling war.[7] Sie existierte seit dem Sieg Karls des Großen über die Awaren im frühen 9. Jahrhundert als Stützpunkt der Christianisierung und bildete den Mödlinger Siedlungskern, bis der Ort nach der Zerstörung durch die Ungarn im 10. Jahrhundert verlagert wurde. Trotz dieser Entwicklung verblieb ihr Stand als Pfarrkirche bis 1475. Die Martinskirche wurde im Zuge der Osmanenkriege im Jahr 1683 endgültig zerstört und verfiel zusehends.[8][9] 1787 wurde sie komplett abgerissen.[10] Rund um die Kirche befand sich der frühere Friedhof mit einer kleinen Kapelle, die die Grabstätte der im Jahre 1819 verstorbenen Gräfin Sophie Wargemont war.[11] Mit der Eröffnung des neuen Friedhofes am Fuße des Eichkogels am 4. Mai 1876[12] konnte auch der Friedhof aufgelassen werden.

Im Jahr 1974 wurde ein romanisches Taufbecken der alten Kirche wiederentdeckt.

Heutige Verwendung der Bauten

Im Jahr 1957 wurden Teile der Waisenhausgründe von Niederösterreichischen Landesregierung, die die Hyrtl-Stiftung nach wie vor verwaltet, an die damalige Niogas, einem Vorläufer der EVN, verkauft, die dort ein Fernwärmeheizwerk errichtete.[13]

1963 wurde der östliche Teil des großen Grundstückes an den niederösterreichischen Landesverband des Roten Kreuzes verkauft, der auf dieser Liegenschaft das Katastrophenlager für Niederösterreich einrichtete. Der damaligen Zeit entsprechend, wurde aus dem Bau mit möglichst geringen Mitteln ein Zweckbau errichtet und auf den Erhalt alter Bausubstanz nicht viel Wert gelegt. Ziel war nur möglichst viel Material für den Katastrophenschutz unterzubringen. Hintergrund waren die erst 1956 erfolgten Hilfslieferungen im Zuge des ungarischen Volksaufstandes. So wurde auch das alte Freibad des Waisenhaus abgetragen und eine Lager- und Garagenhalle errichtet. Erst beginnend mit den 1980er Jahren bis Ende der 1990er Jahre konnten die Fassaden und die alte Bausubstanz mit Unterstützung der Stadtgemeinde und Sponsoren renoviert und restauriert werden. Das ehemalige Hyrtldenkmal, aus dem Atelier des Steinmetzmeisters Aufhauser stammend und Anfang August 1898 aufgestellt[14], wurde aus dem Vorgarten des Katastrophenlagers vor die Waisenhauskirche übersiedelt.[1]

Im Jahr 1969 wurden die verbleibenden Gründe des Waisenhauses an die Gemeinde Mödling verkauft.[13]

Der Westtrakt des Waisenhauses, der die Volksschule und das Tagesheim beherbergt, wurde im Jahr 2003 bis 2006 vollständig renoviert. Dabei wurden um 2 Millionen Euro 5.800 m² Fassade und 450 Alt-Wiener Fenster saniert.[15]

In einem weiteren Gebäude befindet sich seit dem Jahr 1975 die bereits 1924 gegründete HLA für Mode und Bekleidungstechniksowie der 2000 gegründete Schulzweig HLA für Produktmanagement und Präsentation.[16]

Der Gebäudekomplex steht mit den Bezeichnungen Modeschule (Josef Hyrtl-Platz 3), Volksschul- und Wohngebäude sowie Gartenportal (Josef Hyrtl-Platz 2), sowie Ehem. Waisenhauskirche hl. Josef und ehem. Friedhofsfläche (Josef Hyrtl-Platz 4) unter Denkmalschutz. Geschützt sind auch das Denkmal Josef Hyrtl am Platz, das Denkmal Kaiser Franz Joseph vor der Volksschule, sowie die 4 Postamentlöwen.

2019/2020 wird der eingeschlossene Hyrtl-Platz umgebaut. Gleichzeitig wird auf dem östlichen Flügel des Areals geförderter Wohnbau, ein öffentlicher Weg zur Unteren Bachgasse und im bestehenden Gebäude des Roten Kreuzes diverse Einrichtungen gebaut.[17]

Literatur

  • Koloman Götzl: Festschrift zur 100jährigen Wiederkehr der feierlichen Eröffnung der Dr. Josef Hyrtl’schen Waisen-Stiftung in Mödling am 1. Oktober des Jahres 1886. Stadtgemeinde Mödling, Mödling 1986.[18]
  • Ute De Santis: Waisenversorgung – das Dr. Hyrtl’sche Waisenhaus in Mödling von 1886 bis 1939. Diplomarbeit. Universität Wien, Wien 2004.[19]
  • Walter Jirka: Von der Martinskirche zur Waisenhauskirche. Historischer Abriss von 903 bis heute. Eigenverlag, 2016.
Commons: Hyrtl’sches Waisenhaus  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Waisenhauskirche  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 4 Gründung und Geschichte der Hyrtl-Waisenanstalt und des Katastrophenlagers Mödling des Niederösterreichischen Roten Kreuzes. PDF@1@2Vorlage:Toter Link/old.n.roteskreuz.at (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , abgerufen am 12. Mai 2010.
  2. J. Sallachner: Hyrtl, Josef. In: Austria-Forum, abgerufen am 11. Mai 2010.
  3. Korrespondenzen. (…) Über die Schöpfung Hyrtl’s (…). In: Badener Zeitung, 1. Mai 1903, S. 5 Mitte. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/bzt
  4. Hermann Rafetseder: NS-Zwangsarbeits-Schicksale 2007.
  5. Die Geschichte. (Memento vom 2. August 2009 im Internet Archive) In: NÖ Heilpädagogisches Zentrum Hinterbrühl, abgerufen am 11. Mai 2010.
  6. Ilse Moderei: Der Mödlinger Gesang-Verein – die Entwicklung von 1848 bis 2008. Wien, Univ., Dipl.-Arb., 2008, Permalink Österreichischer Bibliothekenverbund, PDF online, abgerufen am 11. Mai 2010.
  7. Mödling unter dem Geschlecht der Babenberger. In: moedling.at, abgerufen am 10. Oktober 2010.
  8. St. Martin ist auf der Karte von ca. 1770 eingezeichnet.
  9. Zeittafel St. Othmar – Mödling. In: othmar.at, abgerufen am 11. Mai 2010.
  10. Mödling auf einen Blick. (…) Kirche St. Josef, Waisenhauskirche. In: moedling.at, PDF, Blatt 11, rechts, abgerufen am 10. Oktober 2010.
  11. Das Votivbild Vargemont vom Martinsfriedhof in Mödling. In: othmar.at, abgerufen am 11. Mai 2010.
  12. Mödling auf einen Blick. (…) Friedhof. In: moedling.at, PDF, Blatt 11, links, abgerufen am 10. Oktober 2010.
  13. 1 2 NÖ Landesrechnungshof. Bericht 5/2006. Dr. Josef Hyrtl – Waisenstiftung. Nachkontrolle. (…) 3 Allgemeines. PDF, S. 4, abgerufen am 11. Mai 2010.
  14. Correspondenzen. (…) Ein Hyrtl-Denkmal (…). In: Badener Zeitung, 10. August 1898, S. 3. Mitte unten. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/bzt
  15. Sanierung der historischen Bausubstanz abgeschlossen (Memento vom 23. November 2007 im Internet Archive) abgerufen am 11. Mai 2010
  16. Schulchronik auf hla-moedling.at abgerufen am 6. Dezember 2020
  17. Christoph Dworak: Projektpräsentation: Hyrtlplatz putzt sich heraus. In: NÖN.at. 20. Februar 2019. Abgerufen am 1. August 2020.
  18. Permalink Österreichischer Bibliothekenverbund.
  19. Permalink Österreichischer Bibliothekenverbund.