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vom 09.02.2022, aktuelle Version,

Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich

Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich – IGGÖ
Rechtsform Körperschaft öffentlichen Rechts (Anerkannte Religionsgesellschaft)
Zweck Vertretung und Verwaltung der religiösen Belange in Österreich lebender Muslime
Sitz Wien 7, Bernardgasse 5 Welt-Icon
Gründung 1979
Präsident Ümit Vural[1]
Website www.derislam.at

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ / IGGÖ) ist als Körperschaft öffentlichen Rechts Vertretung und zuständig für die Verwaltung der religiösen Belange der in Österreich lebenden Muslime. Sie ist eine gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft im Sinne des Art. 15 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. Nr. 142/1867 und wurde mit Art. I Islamgesetz, RGBl. Nr. 154/1912 gesetzlich anerkannt.

Neben der IGGÖ existieren weitere Islamische Organisationen in Österreich, die teilweise in ihrem Beirat vertreten sind. Mit der Islamischen Alevitischen Glaubensgemeinschaft (IAGÖ/ALEVI) wurde 2013 eine weitere Religionsgemeinschaft offiziell anerkannt.

Organisation

Die IGGÖ hat als Exekutivorgan den Obersten Rat und als legislatives Organ den Schura-Rat.

Der Schura-Rat wird von den Kultusgemeinden der IGGÖ beschickt und wählt aus seiner Mitte die 15 Mitglieder des Obersten Rates, aus dessen Mitte wiederum der Präsident der IGGÖ gewählt wird. Das einzelne Mitglied kann den Schura-Rat, den Obersten Rat, den Mufti und den Präsidenten der IGGÖ nicht direkt wählen. Die Verfassung von 1985 (geändert 1988) wurde 1999/2000 reformiert, um einen IGGÖ-Beirat einzuführen, dem nach Ernennung durch den Schura-Rat die Vertreter verschiedener islamischer Vereine und Verbände in Österreich angehören können und der lediglich beratende Funktion hat. Weitere Verfassungsänderungen gab es 2015/2016, 2017, 2019 und 2020.

Die letzte Beschickung des Schura Rates durch die Kultusgemeinden, Moscheegemeinden und Fachvereinen fand 2018 statt. Er wählte im Dezember 2018 den Juristen Ümit Vural zum neuen Präsidenten der IGGÖ.[1]

Mitglieder und Wahlen

Laut Artikel 1 der Verfassung der IGGÖ[2] gehören ihr alle Anhänger des Islams an, welche in der Republik Österreich ihren Aufenthalt haben (ca. 500.000). Wahlberechtigtes Mitglied ist jedoch nur, wer gemäß Artikel 16 und 45 älter als 14 Jahre ist, in das vom Gemeindeausschuss geführte Mitgliederverzeichnis (Registerblätter) mindestens sechs Monate eingetragen ist und den jährlichen Mitgliedsbeitrag von 43,60 Euro zahlt. Laut Artikel 20 finden alle sechs Jahre Wahlen der Gemeindeausschüsse statt, die in Folge in indirekter Wahl das oberste Gremium – den Schura-Rat –, dieser den Obersten Rat und dieser wiederum den Präsidenten der IGGÖ wählen.

Die letzte Wahl fand 2011 statt und war seit dem April 2007 überfällig. Im Rahmen der Wahlvorbereitung lief seit Juni 2010 eine Mitgliederregistrierung. Bis Anfang November 2010 haben sich mehr als 45.000 Muslime als Mitglieder registrieren lassen,[3] wobei hier die Zahlen von Wien nicht enthalten sind.

Laut der Diplomarbeit von Farid Hafez, der Vertreter aller vier Religionsgemeinden der IGGÖ interviewt hat, haben an der Wahl 2001 insgesamt 5.500 Personen teilgenommen (in Vorarlberg/Tirol 1.200, in Oberösterreich/Salzburg 2.500, Steiermark/Kärnten 1.000 und in Wien/Niederösterreich/Burgenland 800).[4]

Geschichte

Die IGGÖ konstituierte sich 1979 als anerkannte Religionsgemeinschaft in Österreich aufgrund des Islamgesetzes von 1912[5], das auf dem „Anerkennungsgesetz“ von 1874[6] basiert, und das von der Islam-Verordnung von 1988[7] präzisiert wird.

Präsident der IGGÖ war Ibrahim Olgun von der Türkisch-islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich (Atib); seine Wahl führte zu Kontroversen.[8] Olgun löste den gebürtigen Türken Fuat Sanaç als Präsident ab, der seit 2011 das Amt innehatte. Im November 2018 beschloss der Schurarat auf Antrag der beiden Vizepräsidenten vorgezogene Neuwahlen am 8. Dezember 2018. Ibrahim Olgun kündigte an, nicht mehr zu kandidieren.[9] Vorausgegangen waren Konflikte rund um die Anzeige der Arabischen Kultusgemeinde durch Olgun beim Kultusamt, da diese nicht über die erforderlichen zehn Moscheen verfügte, um nach dem Islamgesetz 2015 als Kultusgemeinde anerkannt zu werden.[10]

Nach dem Terroranschlag in Wien 2020 am 2. November wurde am 6. November die 2016 von der IGGÖ eingerichtete Tewhid-Moschee in Meidling geschlossen. Der Täter war in den Moscheen den Angaben der Behörden zufolge aktiv und dürfte sich dort auch radikalisiert haben.[11]

Reform der IGGÖ-Verfassung

Präsident Schakfeh erklärte im Oktober 2006, dass eine Verfassungsreform der IGGÖ geplant sei, bereits ein Entwurf im Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur liege und auf die Bewilligung durch das Kultusamt (§ 2 Abs. 2 Islam-Verordnung) warte.[12] Durch IGGÖ-Sprecherin Carla-Amina Baghajati[13] wurde bisher folgendes über die Verfassungsreform bekannt:

  • Zahl der Religionsgemeinden soll auf acht erhöht werden
  • Stimmabgabe in jeder Moschee, die mit der IGGÖ assoziiert ist (bisher pro Religionsgemeinde nur in einem einzigen Lokal)
  • neues Wahlrecht: Jede Moschee soll sich auf eine Wahlperson einigen, die diese in den Abstimmungen zu den beiden wichtigsten Institutionen der IGGÖ vertritt, u. a. das Budget erstellt und den Obersten Rat und den Präsidenten wählt

Der Entwurf der neuen Verfassung wurde im März 2008 vorgestellt,[14] jedoch vom Bundesministerium an die Islamische Glaubensgemeinschaft zur Nachbesserung zurückgewiesen.[15]

Die Amtszeit von Präsident Anas Schakfeh ist mittlerweile ausgelaufen, er amtiert jedoch bis zu den Neuwahlen (voraussichtlich 2011) provisorisch weiter. Im Juni 2009 wurde eine überarbeitete Verfassung vom Schurarat beschlossen.[16] Im November 2009 wurde die neue Verfassung der Islamischen Glaubensgemeinschaft vom Kultusamt im Bildungsministerium genehmigt.[17]

Präsidenten der Glaubensgemeinschaft

Aufgaben

Zu ihren Aufgabenfeldern zählt die IGGÖ unter anderem[18] die Errichtung und Verwaltung islamischer Friedhöfe, Service bei muslimischen Angelegenheiten wie Eheschließungen nach islamischem Ritus (unter Ausschluss von Mehrehen[19]), Ausstellung von Bescheinigungen (bei Namensgebung, vor Antritt des Militärdienstes, im Todesfall usw.) oder Beaufsichtigungen von Schächtungen sowie die Organisation von Symposien und Imamekonferenzen, dem interreligiösen Dialog, Besuchs- und Sozialdienst in Spitälern und Haftanstalten, Islamunterricht an Schulen und der Ausbildung von Islamlehrern.

Islamischer Schulunterricht

Islamischen Religionsunterricht an den Schulen gibt es seit dem Schuljahr 1982/1983.[20] Im Jahr 2007 erteilten ca. 350 Islamlehrer rund 48.000 Schülern Religionsunterricht.[21] 55 Prozent der muslimischen Schüler meldeten sich vom Unterricht ab.[22] Der Religionsunterricht[23] wird in Pflichtschulen und höheren Schulen als Pflichtfach angeboten. Es ist möglich, im Fach islamische Religion zu maturieren.

Im Januar 2009 gerieten die islamischen Religionslehrer öffentlich in die Kritik, nachdem der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide in einer Studie zum Schluss kam, dass ein Teil der Islamlehrer Demokratie ablehnt, weil sie sich nicht mit dem Islam vereinbaren lasse.[24]

Aus- und Weiterbildung der Religionslehrer

Der staatlich anerkannte Ausbildung wurde 1998 als Islamische Religionspädagogische Akademie (IRPA) gegründet und wurde infolge der Neugestaltung des Hochschulwesens aufgrund des Bologna-Abkommens zu einem Privaten Studiengang im tertiären Sektor weiterentwickelt. Unterrichtssprache ist Deutsch. Die Bewerber des Studienganges müssen sich einem Aufnahmeverfahren unterziehen, in welchem sowohl ihre sprachlichen Fähigkeiten als auch pädagogische Begabungen festgestellt werden. Das daneben bestehende Islamische Religionspädagogische Institut (IRPI) war für die Fortbildung der islamischen Religionslehrer zuständig, die jährlich zu mindestens 24 Stunden Schulung verpflichtet sind.[25]

Mit dem Inkrafttreten des Hochschulgesetzes 2005 wurden die Pädagogischen Akademien und Pädagogischen Institute in die neu gegründeten Pädagogischen Hochschulen eingegliedert. Die Ausbildung der islamischen Religionslehrer erfolgte dann in der Form des privaten Studienganges für das Lehramt für Islamische Religion an Pflichtschulen in Wien. Dabei handelte es sich um ein nach dem Hochschulgesetz 2005 anerkanntes Bachelorstudium, das mit dem akademischen Grad Bachelor of education abgeschlossen wurde. Studierende sollten eine wissenschaftlich fundierte und praxisorientierte Lehrerausbildung auf Hochschulniveau, sowie islamisch-theologisches Wissen, pädagogisches und didaktisches Fachwissen und Informationen zum Schulrecht erhalten.[26] Leiterin ist die Theologin und Religionspädagogin Amena Shakir.[27]

Außerhalb des regulären Studiums finden im monatlichen Rhythmus öffentliche Vortragsveranstaltungen statt, etwa vom Dekan der katholisch-theologischen Fakultät, Martin Jäggle, wie etwa auch vom Musiker und Künstler André Stern, aber auch dem US-Botschafter William Eacho.[28][29] Seit dem Wintersemester 2007/2008 haben Absolventen die Möglichkeit, an der Universität Wien ein Masterstudium "Islamische Religionspädagogik" zum Religionslehrer für höhere Schulen zu absolvieren.[30]

Laut einer Studie[31] des internationalen Extremismusforschers Lorenzo Vidino, die von der George Washington Universität in Kooperation mit der Universität Wien (Institut für Orientalistik), dem Verfassungsschutz sowie dem Österreichischen Integrationsfonds erstellt wurde „steht die IRPA – verantwortlich für die Ausbildung von islamischen Religionslehrer/innen – aufgrund verschiedener Verbindungen zur Muslimbruderschaft zweifellos unter deren Einfluss.“[32]

Ab 2016 wurde die Aus- und Weiterbildung der islamischen Religionslehrer in die Kirchliche Pädagogische Hochschule Wien/Krems eingegliedert.[33][34]

Finanzierung

Die IGGÖ wird für die Verwaltung des Religionsunterrichtes an den österreichischen Schulen mit Geldmitteln durch die öffentliche Hand finanziert.[35] Die Gehälter von Islamlehrern, Schulfachinspektoren und Dozenten an IRPA und IRPI bezahlt der Bund. Die Finanzierung des Islamischen Friedhofs Wien in Höhe von rund 1,4 Mio. Euro wird fast ausschließlich[36] von Großspendern getragen, darunter des OPEC-Fonds und die Botschaft von Katar.[37] Von der Möglichkeit zur eigenen Steuererhebung macht die IGGÖ nicht Gebrauch. Sie erhebt jedoch einen jährlichen Mitgliedsbeitrag von 43,60 Euro.

Moscheen und Gebetsräume werden nicht von der IGGÖ finanziert, sondern durch Beiträge und Spenden der jeweiligen Vereine.[20]

Positionen

Islamische Strömungen

Es wurde kritisiert, dass die IGGÖ ihrem ursprünglichen gesetzlichen Auftrag – der offiziellen Vertretung aller in Österreich lebenden Muslime – nicht ausreichend nachkam, denn einige islamische Richtungen wie Ahmadiyya, Aleviten und Schiiten fühlten sich durch die Glaubensgemeinschaft nicht oder nur unzureichend repräsentiert. Die Aleviten haben seit Ende 2010 eine eigene staatlich eingetragene Bekenntnisgemeinschaft,[38] die 2013 als Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich gesetzlich anerkannt wurde.[39]

Islam und Demokratie

Im Herbst 2008 erschien in einem Handbuch des politischen Islam eine Kritik junger säkularer Muslimas an führenden Funktionsträgern der Glaubensgemeinschaft, insbesondere an Amir Zaidan, Adnan Ibrahim und El-Sayed El-Shahed, denen eine inhaltliche Nähe zu demokratiefeindlichen Positionen vorgeworfen wurde.[40]

Weiters wurde die IGGÖ dafür kritisiert, radikale Kräfte in Österreich zu unterstützen. Unter anderem unterstütze sie einen Prediger, der in einer Moschee in Wien-Leopoldstadt im August 2014 zum Jihad aufgerufen hatte. Die IGGÖ hatte den Prediger 2006 noch verteidigt.[41] Der Präsident des IGGÖ bezeichnete wenige Wochen nach diesem Vorfall den Einfluss auf radikale Muslime als „begrenzt“.[42]

Israel und Antisemitismus

Der ehemalige Präsident des IGGÖ, Anas Schakfeh, nannte 2009 das Ziel der Hamas, Israel von der Landkarte zu tilgen, eine „Utopie“ und behauptete, man kenne keinen Antisemitismus im Nahen Osten.[43] Die IGGÖ unterstützte 2014 offiziell eine Anti-Israel Demonstration.[44]

Evolutionstheorie

Ibrahim Olgun, der ehemalige Präsident der IGGÖ, ist für die Behandlung der Evolutionslehre in den Schulen, lehnt aber persönlich die Evolutionstheorie ab.[45]

Kritik

Verhältnis zur Türkei

Die große Nähe der IGGÖ zur türkischen Regierung wird regelmäßig kritisiert. Der Professor für islamische Religionspädagogik Ednan Aslan bezeichnet die IGGÖ sogar als "außenpolitische Organisation der Türkei".[46]

Die personelle Dominanz des Vereins ATIB, der als "der österreichische Arm des Amtes für Religiöse Angelegenheiten der türkischen Regierung" gilt, wird kritisiert. Diese werde auch in der Person des Präsidenten Olgun, der Mitglied des Vereins ist, in der AKP groß geworden und zur „Generation Erdoğan“ zu zählen sei, sichtbar.[47] Olgun hat auch nach Kritik aus der Türkei bereits mehrmals offizielle Positionen der IGGÖ geändert: Die Evolutionstheorie akzeptierte er in einem Interview zunächst[48] und lehnte sie nach türkischer Kritik ab, auch seine Gülen-freundliche Haltung revidierte er auf türkischen Zuruf.[49] Nach Meinung IGGÖ-interner Kritiker geht diese personelle Verflechtung jedoch weit über die Person des Präsidenten hinaus und wird kontinuierlich ausgebaut. So meinte IGGÖ-Vizepräsident Abdi Tasdögen aus Anlass von Postenbesetzungen für den Hochschul-Studiengang für das Lehramt für Islamische Religion, dass "die IGGiÖ eine staatliche Einrichtung Österreichs und kein Zweigeinrichtung des Herrn Botschaftsrats [der Türkei]" sein solle.[50]

Auch die im November 2018 überraschend ausgerufenen Neuwahlen wurden als Machtkampf zwischen dem aufgrund der großen Türkei-Nähe umstrittenen Dachverband Atib und der türkisch-nationalistischen Millî Görüş Bewegung interpretiert.[51]

Einfluss der Muslimbrüder

Im Jahr 2017 dokumentierte eine Studie der George Washington Universität in Kooperation mit der Universität Wien, dass die IGGÖ unter Einfluss der islamistischen Muslimbrüder stehe. Die IGGÖ habe eine "zentrale Rolle" bei der Verbreitung der Positionen des Milieus der Muslimbrüder gespielt.[52] Kritik am Islam würde von der IGGÖ in Übereinstimmung mit der Strategie der Muslimbrüder pauschal als "Islamophobie" abgelehnt.[53] Bereits davor gab es den wiederholten Verdacht, dass unter anderem die Jugendorganisation der IGGÖ, die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ), aber auch der frühere Vorsitzende der IGGÖ Anas Schakfeh der Muslimbruderschaft nahestünden.[54][55][56]

Auch der aktuelle Präsident der IGGÖ, Ümit Vural, weist eine Nähe zur Muslimbruderschaft auf. So wird seine Teilnahme (gemeinsam mit seinem Vize Seyfi Recalar und dem Mitglied des Obersten Rates der IGGÖ, Muhammed al-Khoutanian) an einer prominent mit Muslimbrüdern besetzten Veranstaltung in Köln genauso wie seine fehlende Distanzierung von der Muslimbruderschaft kritisiert.[57]

Islamismus im Schulunterricht

Die Recherche-Plattform Addendum hat den durch die IGGÖ organisierten Islamunterricht an österreichischen Schulen untersucht. Dabei wurden vielfache Belege für die politisch-islamische Ideologie festgestellt.[58]

Das im Islamunterricht verwendete Buch "Islamstunde" (herausgegeben von Amena Shakir, die der Muslimbruderschaft nahestehen soll) wird vom Verlag Veritas im Auftrag der IGGÖ herausgegeben. Da Religionsbücher im Gegensatz zu allen anderen Schulbüchern nicht staatlich genehmigt werden, bestimmt die IGGÖ allein Inhalt, Form und Ausrichtung der Lehrmaterialien. Ein vom Verlag Veritas beim Religionspädagogen Ednan Aslan in Auftrag gegebenes Gutachten beurteilte das Schulbuch sehr negativ. So kritisiert Aslan die Reduktion des Moslem-Seins auf "das Kopftuch und politisch-muslimische Persönlichkeiten" genauso wie die theologisch unhaltbare Arabisierung der islamischen Religion als Hindernisse für einen Islam europäischer Prägung. Die sehr detaillierte und konkrete Kritik Aslans wurde von der IGGÖ bisher weitestgehend ignoriert.

Auch die Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums „Globaler Islam“ Susanne Schröter kritisiert die in dem Schulbuch angewandte schwarze Pädagogik. Man arbeite mit Angst, um "autoritätshörige Untertanen zu schaffen, die nichts kritisch hinterfragen, sondern einfach alles nachbeten". Da Muslime in der "Islamstunde" mehrfach als Opfer einer diskriminierenden Gesellschaft dargestellt werden (ohne auf Vorurteile von Muslimen der Mehrheitsgesellschaft gegenüber einzugehen), wird durch die Opferrolle eine Identifikation der Schüler mit Österreich zunehmend erschwert. Auch etliche der im Schulbuch vorkommenden Autoren und Persönlichkeiten (z. B. Tariq Ramadan, Enkel des Gründers der Muslimbruderschaft; Ahmad von Denffer, selbsterklärter Gegner der freiheitlich-demokratischen Grundordnung; Muhammad Asad, Anhänger einer fundamentalistischen Auslegung des Islam) unterstützen diese „Ideologie der antiwestlichen Ressentiments“, die in dem Buch vorherrscht.

Der Religionspädagoge Mouhanad Khorchide kritisiert vor allem die Fokussierung der IGGÖ auf das Kopftuch, wodurch eine sehr stark konservative Leseart des Islams dominiere, die nicht integrationsfördernd sei. Auch werden problematische Aussagen teilweise mit unsicheren Quellen aus der islamischen Lehre belegt und unkritisch übersetzt. Da die Quellen mit Absolutheitsanspruch dargestellt werden bleibt den Schülern kein Spielraum, diese zu hinterfragen. Es wird kritisiert, dass diese Art des in den Büchern vermittelten unkritischen Islamverständnisses von Extremisten genutzt werden könne. Schließlich wird an dem Buch auch der Zwang zum Arabischen als ein weiterer Hinweis für eine theologisch konservative Grundhaltung kritisiert, zumal dies theologisch nicht notwendig wäre. Da die meisten Muslime in Österreich kein Arabisch sprechen, handelt es sich dabei auch um ein problematisches Machtargument einer kleinen Gruppe, die für sich die Deutungshoheit über den Koran beansprucht.[59]

Anhand von Analysen in sozialen Netzwerken wurde weiters festgestellt, welche Islam-Lehrer durch Sympathiebekundungen für den türkischen Präsidenten Erdoğan oder anderer Führer des politischen Islam auffielen, bzw. wurden mögliche Verbindungen zu politisch-islamischen Organisationen überprüft. Es stellte sich heraus, dass jeder 13. Wiener Islam-Lehrer mit der Muslimbruderschaft, Millî Görüş oder dem türkischen Präsidenten Erdogan sympathisiert. Da sich die politisch-islamische Ideologie in ihren Grundzügen gegen den liberal-demokratischen Verfassungsstaat richte, wird dies als sehr problematisch kritisiert.[60]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 orf.at: Rechtsanwalt Vural ist neuer IGGÖ-Präsident. Artikel vom 8. Dezember 2018, abgerufen am 9. Dezember 2018.
  2. Verfassung der IGGÖ. derislam.at. Abgerufen am 22. Mai 2013.
  3. Muslime werben Mitglieder mit allen Mitteln, diepresse.com
  4. Farid Hafez: Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich. Eine Analyse der Organisationsstruktur unter Berücksichtigung muslimischer Spitzenverbände, Diplomarbeit Universität Wien, 2006.
  5. Islamgesetz von 1912 (Deutsch, Englisch, Französisch) Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich. 31. Oktober 2003. Abgerufen am 28. Dezember 2010.
  6. Gesetz, betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften von 1874
  7. Islam-Verordnung des BMUKS vom 2. August 1988 (Memento vom 30. September 2007 im Internet Archive)
  8. Die Presse: Araber wollen Wahl des neuen IGGiÖ-Präsidenten anfechten; abgerufen am 23. März 2017
  9. orf.at: IGGÖ: Olgun kandidiert nicht mehr. Artikel vom 12. November 2018, abgerufen am 12. November 2018.
  10. diepresse.com: Islam: Das Ende der kurzen Ära Olgun. Artikel vom 11. November 2018, abgerufen am 12. November 2018.
  11. Österreich schließt zwei MoscheenTagesschau am 6. November 2020
  12. Peter Draxler, Solmaz Khorsand: Fast eine für alle (Memento vom 9. November 2014 im Internet Archive), Datum 10/06
  13. Neue Verfassung für Muslime in Österreich. In: Die Presse. 23. November 2006
  14. orf.at: Neue Verfassung der Islamischen Glaubensgemeinschaft (13. März 2008)
  15. ots.at: Kultusamt kritisiert neue Statuten
  16. derStandard.at: Islamische Glaubensgemeinschaft segnet neue Verfassung ab, 27. Juni 2009.
  17. Erich Kocina: Neue Verfassung für Muslime. In: Die Presse, 27. November 2009. Abgerufen am 22. Mai 2013. 
  18. Übersicht aus Broschüre zu Religionsgemeinschaften in Niederösterreich (Memento vom 30. September 2007 im Internet Archive), 2004
  19. Martina Schmied: Islam in Österreich (PDF; 117 kB) siehe erläuternde Bemerkungen zum Islamgesetz vom 15. Juli 1912
  20. 1 2 Moslems in Österreich, Wiener Zeitung vom 16. Mai 2006
  21. Neue islamische Pädagogikkonzepte, Wiener Zeitung vom 19. Oktober 2007
  22. "Vertuschen von Problemen hilft Muslimen nicht" Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide kritisiert konservativen Religionsunterricht – 55 Prozent melden sich ab. Die Presse vom 15. November 2007
  23. BGBl. II Nr. 234/2011: Lehrplan für islamischen Religionsunterricht laut Bekanntmachung des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 29. Juli 1983
  24. derstandard.at: Wirbel um Studie über muslimische Religionslehrer, 27. Jänner 2009 (aufgerufen am 31. Jänner 2009)
  25. Dienstvertrag der IGGiÖ Islamlehrer (Memento vom 27. März 2008 im Internet Archive)
  26. IRPA-Eigendarstellung (Memento vom 22. Dezember 2011 im Internet Archive)
  27. Religion aktuell, Ö1
  28. Veranstaltungskalender, IRPA (Memento vom 22. Dezember 2011 im Internet Archive)
  29. Remarks at the Islamic Teachers’ Academy (IRPA), US Embassy (Memento vom 15. Februar 2013 im Internet Archive)
  30. Islamische Religionspädagogik, Universität Wien
  31. Lorenzo Vidino: The Muslim Brotherhood in Austria. Hrsg.: GW Program on Extremism. August 2017 (Online [PDF]).
  32. Internationaler Extremismus-Forscher: Muslimbruderschaft auch in Österreich aktiv und stark vernetzt. In: OTS.at. 14. September 2017 (Online [abgerufen am 26. April 2018]).
  33. Institut Islamische Religion. Kirchliche Pädagogische Hochschule Wien/Krems, abgerufen am 10. April 2021.
  34. KPH bildet ab 2016 islamische Religionslehrer aus. Nön.at, abgerufen am 10. April 2021.
  35. IGGiÖ Website (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive)
  36. laut Omar Al-Rawi in "Liesing: Gräberfeld nur für Muslime" Der Standard vom 23. Mai 2007
  37. Islamischer Friedhof erst ab 2008 wien.ORF.at, 5. November 2006
  38. Irene Brickner: „Kleine Revolution“ für Muslime, made in Austria. In: Der Standard, 21. Dezember 2010. Abgerufen am 22. Mai 2013. 
  39. Staatliche Anerkennung für Aleviten fixiert. In: religion.ORF.at, 23. Mai 2013. 
  40. Larise, Dunja / Schmidinger, Thomas (Hrsg.): Zwischen Gottesstaat und Demokratie. Handbuch des politischen Islam. Wien 2008. ISBN 978-3-552-06083-8
  41. Hassprediger wirbt für „wahren Dschihad“ in Wien. 23. November 2014. 
  42. IGGiÖ-Vorsitzender: Einfluss auf radikale Kreise begrenzt. In: wien.ORF.at, 1. September 2014. Abgerufen am 23. November 2014. 
  43. Nina Weißensteiner: Anas Schakfeh rügt Israel für Gewalteinsätze. In: Der Standard. 2. Jänner 2009.
  44. Tausende bei Demo für Frieden in Gaza. In: wien.ORF.at, 23. November 2014. Archiviert vom Original am 23. Juli 2014.  In: ORF.
  45. Glaube versus Evolution: Das Kreuz mit Darwin, in: ORF Religion am 28. Juli 2017. - Islamische Glaubensgemeinschaft gegen Evolutionstheorie in Die Presse am 21. Juli 2017.
  46. Geringes Interesse an Austro-Imamen. 15. Mai 2018 (Online [abgerufen am 16. Mai 2018]).
  47. Stefan Kaltenbrunner: Interview: Der neue IGGiÖ-Präsident und der Einfluss des türkischen Vereins Atib. 20. Juni 2016 (Online [abgerufen am 16. Mai 2018]).
  48. ATIB distanziert sich von Darwinismus-Bann in der Türkei. 13. Juli 2017 (Online [abgerufen am 16. Mai 2018]).
  49. Bilal Baltaci: Muslime-Chef Olgun lehnt nach Protest die Evolutionstheorie doch ab. 21. Juli 2017 (Online [abgerufen am 16. Mai 2018]).
  50. Thomas Trescher: "Die IGGiÖ ist kein Zweig vom Herrn Botschaftsrat". 30. August 2016 (Online [abgerufen am 16. Mai 2018]).
  51. Islam: Das Ende der kurzen Ära Olgun. In: Die Presse. 11. November 2018 (Online [abgerufen am 15. November 2018]).
  52. Lorenzo Vidino: The Muslim Brotherhood in Austria. Hrsg.: GW Program on Extremism. August 2017, S. 23 (Online [PDF]).
  53. Wiener Zeitung Online: Muslimbrüder laut Studie in Österreich gut vernetzt. 15. September 2017, abgerufen am 14. Februar 2019.
  54. Heiko Heinisch: Im Dunstkreis der Muslimbruderschaft? In: Kurier. 4. März 2015, abgerufen am 14. Februar 2019.
  55. Nina Scholz: Die Muslimische Jugend und die Muslimbruderschaft. 20. Oktober 2016, abgerufen am 14. Februar 2019.
  56. Wiener Zeitung Online: Anas Schakfeh. 17. Oktober 2007, abgerufen am 14. Februar 2019.
  57. Der IGGÖ-Präsident und die Muslimbruderschaft. In: Addendum.org. 4. Februar 2019, abgerufen am 14. Februar 2019.
  58. Wie politisch ist der Islamunterricht in Österreich? In: Addendum. Abgerufen am 21. Juni 2019.
  59. „Islamstunde“: Propagandaheft für den politischen Islam? 17. Juni 2019, abgerufen am 21. Juni 2019.
  60. Die Islamlehrer, die Muslimbruderschaft, Millî Görüş, Erdoğan nahestehen. 17. Juni 2019, abgerufen am 21. Juni 2019.