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vom 09.11.2019, aktuelle Version,

Otto-Wagner-Spital

Das Otto-Wagner-Spital (genauer: Sozialmedizinisches Zentrum Baumgartner Höhe Otto-Wagner-Spital und Pflegezentrum[1], ab 2020 Klinik Penzing[2]) befindet sich im 14. Wiener Gemeindebezirk Penzing auf der Baumgartner Höhe. Es ist ein Krankenhaus, das in dieser Form am 1. August 2000 gegründet wurde. Fünf bis dahin selbständige Einrichtungen des Wiener Gesundheitswesens wurden zusammengelegt: das Förderpflegeheim (jetzt Sozialpädagogisches Zentrum) Baumgartner Höhe, das Neurologische Krankenhaus der Stadt Wien Maria Theresien-Schlössel, das Pflegeheim Sanatoriumstraße, das Psychiatrische Krankenhaus Baumgartner Höhe und das Pulmologische Zentrum Baumgartner Höhe. Die Abteilungen blieben unverändert und wurden zu Zentren zusammengefasst.

Otto-Wagner-Spital

Geschichte

Leopold-Steiner-Denkmal unterhalb der Kirche mit der Inschrift: Dem Schöpfer der Anstalt Leopold Steiner Mitglied des n. ö. Landesausschusses, 1907

Die Eröffnung der Anlage erfolgte nach drei Jahren Bauzeit am 8. Oktober 1907 als Niederösterreichische Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke Am Steinhof[3] und war damals eine der modernsten und auch größten solcher Anstalten in Europa. Sie wurde in der Bauabteilung der Niederösterreichischen Landesregierung unter der Leitung von Carlo von Boog geplant und von Otto Wagner, dem führenden Wiener Architekten der Zeit, überarbeitet. Als Vorbild galt die einige Jahre zuvor errichtete Nervenheilanstalt Mauer bei Amstetten, die ebenfalls von Carlo von Boog geplant wurde. Die Bauausführung hatte das Niederösterreichische Landesbauamt inne und die Oberbauleitung oblag Leopold Steiner, dem späteren Landeshauptmann von Niederösterreich.[4]

Langjähriger Direktor der Anstalt war Julius Wagner-Jauregg.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die im Westen gelegene Sanatoriumsabteilung (für Privatpatienten) geschlossen und in ihrem Bereich eine von der psychiatrischen Anstalt unabhängige Lungenheilstätte errichtet.

Zeit des Nationalsozialismus

In der Zeit des Nationalsozialismus diente die Anstalt der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Eine unbestimmte Zahl von als erbkrank eingestuften Patienten wurde zwangssterilisiert. 1940 wurden aus der mit 4.300 Patienten völlig überbelegten Heil- und Pflegeanstalt im Rahmen der Aktion T4 etwa 3.200 Patienten in Vernichtungsanstalten abtransportiert. Ein Großteil von ihnen wurde in der Tötungsanstalt Hartheim umgebracht. Neun der nun leergeräumten Pavillons wurden zur Jugendfürsorgeanstalt Am Spiegelgrund umfunktioniert, zu der auch eine sog. Kinderfachabteilung gehörte und in der Kinder-Euthanasie betrieben wurde. Im ebenfalls durch die Aktion T4 frei gewordenen Pavillon 23 wurde am 1. November 1941 eine „Arbeitsanstalt für asoziale Frauen“ eröffnet, denen „Arbeitstherapie“ vom Küchendienst bis zu schweren Arbeiten wie Kohletransporten oder Straßenpflasterung verordnet wurde. Bei Übertretung der rigiden Disziplinarregeln wurden den Frauen Übelkeit, Erbrechen und Durchfall auslösende Apomorphin-Injektionen verabreicht und sie wurden in vollständig aus Beton bestehende Korrektionszellen gesperrt. In den Karteikarten der Anstalt sind drei Fälle ausgewiesen, in denen Insassen in ein Konzentrationslager geschickt wurden[5]. Im Zuge der Aktion Brandt fanden 1943 abermals zahlreiche psychiatrische Pfleglinge den Tod.[6]

Direktionsgebäude

Nachkriegszeit und Gegenwart

Aus der Lungenheilstätte entstand seit den 1960er Jahren die Krankenanstalt mit dem Namen Pulmologisches Zentrum, aus der wichtige und innovative Entwicklungen in diesem Fachbereich hervorgegangen sind. Das Gleiche gilt für die Orthopädische Abteilung, die sich aus einer Einrichtung zur Behandlung der Knochentuberkulose zu einer modernen Orthopädischen Abteilung mit einem chirurgisch-orthopädischen Schwerpunkt im Bereich des Gelenkersatzes entwickelt hat. Aus der Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke wurde auch in den 1960er-Jahren das Psychiatrische Krankenhaus Baumgartner Höhe.

2012 wurde bekannt, dass der Medizinische Betrieb spätestens 2020 abgesiedelt werden wird. Über die Nachnutzung entspann sich eine breite Meinungsbildung unter Einbindung der Massenmedien. Im Rahmen einer Mediation mit den Bürgerinitiativen zur Erhaltung des Areals wurde von der Stadt Wien eine Expertengruppe zur Baulichen Zukunft des Geländes eingesetzt. Am 3. April 2013 gab die Expertengruppe Empfehlungen zum weiteren Vorgehen ab, die vor allem einen Verkauf auch von Teilen des Geländes ausschließt.

Im März 2018 wurde bekannt, dass das Otto-Wagner-Spital neuer Standort der Central European University (CEU) werden soll, da diese von Budapest nach Wien übersiedelt.[7] Der künftige Campus der CEU wird ein Drittel des Areals belegen. Der Betrieb wurde im Herbst 2019 zunächst in der Quellenstraße im Wiener Gemeindebezirk Favoriten aufgenommen,[8] der Vollbetrieb soll im Wintersemester 2022/23 starten.[9][10]

Kultur

Anlage

Flugaufnahme 1932
Mahnmal und Jugendstiltheater

Die weitläufige Anlage des früheren Psychiatrischen Krankenhauses von 26 Krankenpavillons und Nebengebäuden, die den östlichen Teil des Geländes einnimmt (Eingang: Baumgartner Höhe 1), ist am Südhang des Gallitzinbergs terrassenförmig zu beiden Seiten einer Mittelachse errichtet. Auf der Mittelachse sind hangaufwärts das Verwaltungsgebäude, das einen Vorplatz in Art eines Ehrenhofs U-förmig umschließt, dahinter das hinter einen breiten Rampe und einer Freitreppe errichtete Gesellschaftshaus und Theater (so genanntes „Jugendstiltheater“), oberhalb davon der breit gelagerte Küchenbau und zuoberst die nach Plänen Otto Wagners erbaute Kirche hl. Leopold, die über zwei Treppenrampen entlang der Mittelachse zu erreichen ist, angeordnet. Östlich und westlich der Mittelachse sind auf jeder Terrasse je drei Pavillons über vorwiegend U-förmigen Grundrissen gruppiert, die in Rohziegelbauweise mit Anklängen an das Neo-Biedermeier sowie Rückgriffen auf den Klassizismus gestaltet sind, wobei glatte Flächen und klare Formen dominieren. Einige der Pavillons weisen an der Südseite über ein bis zwei Geschoße reichende Gitterveranden auf. Die mittig angeordneten Eingänge sind durch originale Vordächer geschützt. Gittertüren und Stiegenhausgitter sind in secessionistischen Formen ausgeführt.

Auf dem Grünareal vor dem Jugendstiltheater erinnern die 772 Licht-Stelen des Mahnmals für die Opfer vom Spiegelgrund an die Kinder und Jugendlichen, die in den Jahren 1940 bis 1945 in der nationalsozialistischen Euthanasie-Anstalt „Am Spiegelgrund“ ermordet wurden. Die Dauerausstellung Der Krieg gegen die Minderwertigen des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes befindet sich im Pavillon V.

Kurhaus des ehemaligen Pulmologischen Zentrums

Der ursprünglich als Sanatorium für begüterte Kranke konzipierte westliche Teil der Heil- und Pflegeanstalt (später Pulmologisches Zentrum) nimmt den westlichen Teil des Areals ein (Eingang: Sanatoriumstraße 1). Entlang der Mittelachse, auf der auf einer Anhöhe das Kurhaus mit Festsaal und Hallenbad und oberhalb davon das Küchengebäude angeordnet sind, sind auf vier Terrassen zehn Pavillons symmetrisch gruppiert; lediglich das Verwaltungsgebäude ist Richtung Osten aus der Achse gerückt. Die Pavillons sind in Grundriss und Gliederung ähnlich denen des Psychiatrischen Krankenhauses, aber wie die Hauptgebäude mit Putzfassaden und Fliesenapplikationen ausgeführt; an den Südseiten sind Gitterveranden angeordnet.

Eine entlang des Heschwegs verlaufende Mauer umgibt die Steinhofgründe, die sich nördlich des Otto-Wagner-Spitals erstrecken, und wurde wie die ganze Anlage 1904–07 errichtet.

Kirche zum Heiligen Leopold

Kirche am Steinhof

Die Kirche zum „Hl. Leopold“, besser bekannt als Kirche am Steinhof, die in 310 m Seehöhe an den Hängen des Gallitzinberges als Krönung der gesamten Anlage prangt, gilt als die bedeutendste sakrale Bauschöpfung des Jugendstils. Sie wurde in den Jahren 1904–1907 erbaut und gilt als Hauptwerk von Otto Wagner.

Jugendstiltheater

Das Jugendstiltheater war ursprünglich als Gesellschaftshaus konzipiert, später für Theateraufführungen, Konzerte und Veranstaltungen genutzt, und steht seit Jahren leer.

Otto Wagner Galerie

Die Otto Wagner Galerie hat sich zur Aufgabe gemacht, Kunst in die Psychiatrie zu bringen. In enger Zusammenarbeit mit Künstlern und Patienten entstehen stetig neue Vernissagen und Projekte.

Transport

Wie in größeren österreichischen Krankenhausanlagen nicht ungewöhnlich, wurde auch auf diesem Krankenhausgelände eine anstaltsinterne Schmalspurbahn für den Transport von Speisen, Müll und Wäsche von und zu den einzelnen Pavillons betrieben. Eine Besonderheit (z. B. im Vergleich zu einer ähnlichen Bahn in Lainz) war hier, dass die Lokomotiven elektrisch über eine Fahrleitung betrieben wurden. Die Schmalspurbahn wurde nach etwa sechzigjährigem Betrieb im Jahr 1965 stillgelegt. Je eine Originallokomotive befindet sich im Technischen Museum Wien (restauriert) und im Eisenbahnmuseum Schwechat (unrestauriert). Einige Waggons (zwei Speisentransportwagen und ein Wäschetransportwagen) sind im Feld- und Industriebahnmuseum in Freiland ausgestellt.[11]

Literatur

nach Autoren alphabetisch geordnet

  • Maria Auböck, Mara Reissberger: Die Gärten des Otto-Wagner-Spitals in Wien. Ein Bericht zur Untersuchung der Gartengeschichte. In: Die Gartenkunst 14 (1/2002), S. 91–122.
  • Eberhard Gabriel: 100 Jahre Gesundheitsstandort Baumgartner Höhe: Von den Heil- und Pflegeanstalten am Steinhof zum Otto-Wagner-Spital. Facultas Universitätsverlag, ISBN 978-3-7089-0061-2.
  • Christian Schuhböck: Otto-Wagner-Spital „Am Steinhof“, Kral-Verlag, ISBN 978-3-99024-208-7.
Commons: Otto-Wagner-Spital  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Genaue Bezeichnung laut Webseite des Spitals im Internetauftritt des Wiener Krankenanstaltenverbundes, abgerufen am 20. Jänner 2018
  2. Neue Namen für Krankenhäuser: KH Nord ab 2020 "Klinik Floridsdorf". Abgerufen am 6. April 2019.
  3. Die Eröffnung der neuen Landesheil- Pflegeanstalt für Geisteskranke. (Mit einer photographischen Aufnahme). In: Wiener Bilder, Nr. 42/1907 (XII. Jahrgang), 16. Oktober 1907, S. 4 Mitte. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/wrb;
    Eröffnung der Niederösterreichischen Landesheil- Pflegeanstalt für Geisteskranke. In: Neue Freie Presse, Abendblatt, Nr. 15492/1907, 8. Oktober 1907, S. 3, unten rechts. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp.
  4. Wien.gv.at: Leopold Steiner, Kunstwerk im öffentlichen Raum; abgerufen am 24. Juni 2015
  5. Helga Amesberger: Arbeitsscheu und moralisch verkommen. mandelbaum Verlag, wien/berlin 2019, ISBN 978-3-85476-596-7, S. 103.
  6. Susanne Mende: Die Wiener Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof“ in der Zeit des NS-Regimes in Österreich. (PDF) Abgerufen am 20. Januar 2014 (Auszug aus dem Buch NS-Euthanasie in Wien von Eberhard Gabriel und Wolfgang Neugebauer (Hg.), S. 61–73).
  7. derstandard.at: Central European University übersiedelt von Budapest nach Wien - derstandard.at/2000093002537/Central-European-University-uebersiedelt-von-Budapest-nach-Wien. Artikel vom 3. Dezember 2018, abgerufen am 3. Dezember 2018
  8. orf.at: CEU zieht zunächst nach Favoriten. Artikel vom 22. März 2019, abgerufen am 22. März 2019.
  9. orf.at: Soros-Uni kommt ins Otto-Wagner-Spital. Artikel vom 12. März 2018, abgerufen am 12. März 2018.
  10. orf.at: Soros-Uni: Mietvertrag für 99 Jahre. Artikel vom 9. April 2018, abgerufen am 9. April 2018.
  11. Feld- und Industriebahnmuseum: Elektrische Materialbahn Steinhof; abgerufen am 15. März 2016
    Herbert Loskott, Johann Kössner: Materialbahnen in Wiener Spitälern. In: Eisenbahn. ISSN 0013-2756 ZDB-ID 162227-4. Jahrgang 1959, Heft 8, S. 123–128 (mit Gleisplan).