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vom 28.04.2021, aktuelle Version,

Otto Bene

Bene (links) und Tobias Goedewaagen nach dem Krieg (1947)

Otto Bene (geboren 20. September 1884 in Altenberg (Bergisches Land); gestorben 16. April 1973 in Hamburg) war ein deutscher Diplomat in der Zeit des Nationalsozialismus.

Leben

Der Sohn des Domänenpächters Adolf Bene besuchte das humanistische Gymnasium in Marburg. Nach einer kaufmännischen Ausbildung bei einem Tuchhändler in Frankfurt am Main war er in Canton (China) und in Hamburg tätig. Bene war Teilnehmer am Ersten Weltkrieg. Er meldete sich im August 1914 als Kriegsfreiwilliger und kam Ende Oktober 1914 zum Feldartillerie-Regiment Nr. 45 an die Westfront. Dort wurde er später zum Leutnant der Reserve ernannt, und diente von Dezember 1916 bis zur Auflösung des Regiments im Januar 1919 als Ordonnanzoffizier im Regimentsstab.

Nach Kriegsende wurde Bene Prokurist und Teilhaber einer Export-/Importfirma in Hamburg und London. 1923 verfasste er im Auftrag der ehemaligen Angehörigen seines Regiments eine Regimentschronik. In London trat Bene am 1. Dezember 1931 der NSDAP bei und wurde in der Auslandsorganisation Ortsgruppenleiter der NSDAP in London und ab 1934 Landesgruppenleiter in Großbritannien und Irland. Seit dem 1. Juni 1937 hatte er in der NSDAP eine Stelle als Gauamtsleiter. In der SS war er 1939 SS-Standartenführer und avancierte 1942 zum SS-Brigadeführer (General).

Zugang ins Auswärtige Amt

Die Umstände, unter denen Bene, der über kein abgeschlossenes Universitätsstudium verfügte, die hohen personellen Anforderungen des Auswärtigen Amts (AA) überwand und den Weg in den höheren auswärtigen Dienst fand, lassen sich nur bedingt ausloten. Zwar gelangten im Rahmen der Schülerschen Reform von 1921 auch Bewerber ohne Universitätsabschluss in den auswärtigen Dienst, diese Zugangsmöglichkeit endete jedoch mit einer Novellierung der neuen Ausbildungsordnung im Rahmen dieser Reform bereits im Jahre 1924 (vgl. Keipert XXXV/XXXVI); auch in den dreißiger Jahren galten die hohen Aufnahmekriterien des AA fort.

Da Bene seinen Amtsantritt in Friedenszeiten sogleich als Generalkonsul mehr als ein Jahr vor der Absolvierung der Diplomatisch-konsularischen Prüfung beging, lässt jedoch die Vermutung zu, dass Benes Einstellung eine gewisse Hastigkeit zu Grunde lag – oder die Protektion eines hochrangigen Parteimitglieds bzw. Netzwerks innerhalb der NSDAP, was wahrscheinlich ist. Beides lässt sich bislang jedoch nicht mit letzter Gewissheit sagen.

Ein Zusammenhang mit der Ernennung von Ernst Wilhelm Bohle zum Staatssekretär und Chef der Auslandsorganisation im AA, der in seiner Funktion ein neu geschaffenes Veto bei den Neueinstellungen ins AA hatte und einen Kreis von linientreuen Kandidaten mit ähnlichem Profil wie dem von Bene ins AA verhalf, lässt sich nicht herstellen. Seine Ernennung und Dienstantritt im Range eines Staatssekretärs wurde durch direkten Erlass Hitlers erst ein Dreivierteljahr nach dem Eintritt Benes in das AA ermöglicht, nämlich am 30. Januar 1937. Erst mit Ernst Wilhelm Bohle im AA hatte sich die NSDAP ein Einspruchsrecht gegenüber der Dienstaufnahme unliebsamer und politisch als unzuverlässig angesehener Diplomaten geschaffen und verankert.[1] Dessen ungeachtet weisen die Biographien von Bene und Bohle verblüffende Ähnlichkeiten auf. So waren beide frühe Mitglieder der NSDAP-AO, Kaufleute, lebten zeitweise in England und hatten weitere Stationen im Ausland.

Tätigkeiten für das Auswärtige Amt in Italien und in den besetzten Niederlanden

Seit dem 14. März 1936 wurde er als Generalkonsul Mitglied des Auswärtigen Dienstes und ab Juni 1937 in Mailand eingesetzt. Von 1939 bis 1. Oktober 1941 war er Beauftragter der Reichsregierung für die Umsiedlung der Südtiroler, seit Januar 1940 im Range eines Gesandten. Am 28. Mai 1940 wurde er statt des vormaligen Amsterdamer Konsuls Felix Benzler bis Kriegsende der Vertreter des Auswärtigen Amtes beim Reichskommissar für die besetzten Niederländischen Gebiete, Reichsminister Arthur Seyß-Inquart. Otto Bene gehörte dem Stab des Reichskommissars Seyß-Inquart an und war dort als höchstrangiger ständiger Vertreter des AA den Generalkommissaren gleichgestellt, jedoch ohne eigene Dienststelle. Politisch einflusslos galt er lediglich als das „Auge und Ohr“ Ribbentrops (so Bene nach dem Krieg).[2]

Dort entwickelte er eigene Initiativen[3] zur Ausbürgerung und Deportation der niederländischen Juden.[4] Dem Leiter des „Referats III/Judenfrage, Rassenpolitik“ Fritz Gebhardt von Hahn lieferte er eine Liste der ausländischen Juden, die sich noch in den Niederlanden aufhielten.[4]

Er berichtete sowohl über den Verlauf der Judenverfolgung in den besetzten Niederlanden als auch über die dortige innenpolitische Entwicklung mit Blick auf eine erhoffte Selbstnazifizierung der niederländischen Bevölkerung:

Kabel Otto Benes ex Den Haag an das Auswärtige Amt:

An das Judenreferat in der Abteilung Deutschland des AA vom 16. November 1942 über den Stand der „Endlösung“ der Judenfrage:

„...getaufte Juden können selbstredend nicht als Überzeugungschristen angesehen und etwa von dem Abtransport freigestellt werden. Sie werden wie alle anderen im Laufe der Zeit abrollen.“[5]

Bericht an die Abteilung Inland II des AA vom 10. Juli 1944 über die Deportation jüdischer Bürger aus den Niederlanden:

„Die Judenfrage kann für die Niederlande als gelöst bezeichnet werden, nachdem das Gros der Juden außer Landes verbracht worden ist. Die noch hier befindlichen Juden befinden sich in Lagern oder stehen sonst unter ständiger Kontrolle. Von den untergetauchten Juden werden fast täglich einige ausgehoben und in Lager verbracht. Von ausländischen Juden leben lediglich noch 11 mit argentinischer Staatsangehörigkeit im Lande. Es wäre erwünscht, wenn auch diese abgeschoben werden könnten, obwohl sie an sich keine Schwierigkeiten bereiten und sich zurückhaltend benehmen. Die Zahlen sind nach dem heutigen Stand wie folgt: (...)“[6]

Nachkriegszeit

Bene war von 1945 bis zum 11. Februar 1948 in den Niederlanden unter verschärften Bedingungen inhaftiert, es kam aber zu keinem Prozess. Über seine Entnazifizierung in der Bundesrepublik ist nichts bekannt. Bei der Staatsanwaltschaft in Hamburg kam es Anfang der 1960er Jahre noch zu Vorermittlungen wegen der Beteiligung an den Verbrechen.[7]

Beruflich war Bene nach dem Krieg für den bekannten Rüdesheimer Weinbrand-Hersteller Asbach Uralt tätig.

Trivia

Bene absolvierte seine kaufmännische Ausbildung bei einem Tuchhändler in Frankfurt am Main, bei dem auch der damals noch unbekannte Hans Albers eine kaufmännische Ausbildung durchlief. Zu der Zeit waren beide gut miteinander bekannt, und es gab verschiedentlich gemeinsame Unternehmungen.

Schriften

  • Das Lauenburgische Feldartillerie-Regiment Nr 45, Oldenburg i. O. : Gerh. Stalling, 1923.
  • Fünfbändiges Manuskript zur südtiroler Umsiedlung, 1952. Aufbewahrt im Bundesarchiv Koblenz[8]

Literatur

  • James R. Dow: Gesandter Otto Bene. Von der Volksdeutschen-Umsiedlung aus Südtirol zur Juden-Deportation aus Holland. In: Burkhard Pöttler, Katharina Eisch-Angus, Johann Verhovsek (Hrsg.): Fundstücke europäisch-ethnologischen Forschens. Eine Festschrift für Helmut Eberhart. Waxmann, Münster 2018, ISBN 978-3-8309-3870-5, S. 97–113.
  • Christopher R. Browning: Die "Endlösung" und das Auswärtige Amt: das Referat D III der Abteilung Deutschland 1940–1943. Wiss. Buchges, Darmstadt 2012, ISBN 978-3-534-22870-6 (Veröffentlichungen der Forschungsstelle Ludwigsburg der Universität Stuttgart 16)
  • Christopher R. Browning: The final solution and the German Foreign Office. A study of referat D III of Abteilung Deutschland 1940–43. Holmes & Meier, New York NY u. a. 1978, ISBN 0-8419-0403-0.
  • Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes und Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. Karl Blessing Verlag, München 2010, ISBN 978-3-89667-430-2.
  • Maria Keipert (Red.): Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst. Band 1: Johannes Hürter: A–F. Schöningh, Paderborn u. a. 2000, ISBN 3-506-71840-1, S. 102f.

Einzelnachweise

  1. Hans Jürgen Döscher: Das Auswärtige Amt im Dritten Reich. Diplomatie im Schatten der "Endlösung". Siedler Verlag, Berlin 1987, S. 160
  2. vgl. Gerhard Hirschfeld: Fremdherrschaft und Kollaboration. Die Niederlande unter Deutscher Besatzung 1940–1945. Studien zur Zeitgeschichte Band 25. DVA Stuttgart 1984, S. 211 (Fußnote 81).
  3. Christopher R. Browning: The final solution and the German Foreign Office. A study of referat D III of Abteilung Deutschland 1940–43. New York 1978, S. 88.
  4. 1 2 Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes und Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. München 2010, S. 240.
  5. Wolfgang Schumann, Ludwig Nester, et al. (Hrsg.): Europa unterm Hakenkreuz. Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus (1938–1945). Achtbändige Dokumentenedition. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften. Für den Band ISBN 3-326-00296-3. Berlin 1990, S. 194
  6. Wolfgang Schumann, Ludwig Nester, et al. (Hrsg.): Europa unterm Hakenkreuz. Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus (1938–1945). Achtbändige Dokumentenedition. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften. Für den Band ISBN 3-326-00296-3. Berlin 1990, S. 254
  7. Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes und Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. München 2010, S. 666.
  8. "Kleine Erwerbungen 27–1/5". Vier der fünf Bände bestehen aus Kopien von Berichten, Briefen, Dokumenten, Kommentaren etc. Siehe: Conrad F. Latour: Südtirol und die Achse Berlin–Rom 1938–1945. Stuttgart : DVA, 1962, S. 7