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vom 30.04.2022, aktuelle Version,

Otto Frisch

Otto Frisch, Kopenhagen 1963

Otto Robert Frisch (* 1. Oktober 1904 in Wien, Österreich-Ungarn; † 22. September 1979 in Cambridge) war ein österreichischer Physiker, der später, nach Flucht vor den Nazis, britischer Staatsbürger wurde.

Leben

Er wurde als Sohn des jüdischen Juristen und Übersetzers Justinian Frisch und der Pianistin Auguste Frisch geb. Meitner geboren. 1922 begann er sein Physikstudium an der Universität Wien und promovierte 1926 mit einer Arbeit über den Effekt der neu entdeckten Elektronen auf Salze. Nach mehrjährigem Aufenthalt an der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Berlin erhielt er bei Otto Stern am Institut für Physikalische Chemie in Hamburg eine Anstellung. Nach der Machtübernahme Hitlers emigrierte er im Sommer 1933 nach London an das Birkbeck College, wo er beim Physiker Patrick Maynard Stuart Blackett über die Technologie der Nebelkammer und über künstliche Radioaktivität arbeitete. Ab 1934 arbeitete er fünf Jahre in Kopenhagen bei Niels Bohr an Fragen der Kernphysik, insbesondere an Neutronenphysik. 1936 konnte Bohr auch den Deutschen Hans von Halban von der ETH Zürich zur Mitarbeit gewinnen.

Ausweisfoto von Otto Frisch, Los Alamos National Laboratory.

Während der Weihnachtsferien 1938 bei seiner Tante Lise Meitner in Kungälv erhielt diese die Nachricht, dass Otto Hahn und Fritz Strassmann in Berlin bei der Kollision von Neutronen mit Uran-Atomkernen das Element Barium identifiziert hatten. Hahn konnte diese radiochemische Entdeckung, deren Nachweis er bereits am 6. Januar 1939 in der Zeitschrift Die Naturwissenschaften publizierte, zunächst nicht physikalisch interpretieren. Er hatte den Prozess sehr anschaulich als ein „Zerplatzen“ des Urankerns bezeichnet. Bei einem berühmt gewordenen Schneespaziergang fanden Meitner und Frisch eine erste physikalische Deutung für das Ergebnis des Experiments. Sie stellten als Erste die Hypothese auf, dass hier eine Spaltung des Uranatoms in zwei Teile, also eine „Kernspaltung“ erfolgt sein müsse. Wie Frisch und Meitner damals richtig abschätzten, musste bei diesem Vorgang mehr Energie freigesetzt worden sein als irgendein anderer Prozess zu liefern vermag, nämlich 200 MeV – 200 Millionen Elektronenvolt. Frisch beobachtete als Erster die energiereichen Bruchstücke durch ein physikalisches Experiment am 13. Januar 1939 in Kopenhagen und bestätigte so die Kernspaltung auf ganz andere Weise. Der radiochemischen Beschreibung der entdeckten Phänomene von Hahn und Strassmann folgte am 11. Februar 1939 eine getrennte Publikation von Meitner und Frisch in „Nature“, die die Physik der Kernspaltung hinter diesen Beobachtungen erklärte. Otto Hahn erhielt später den Chemie-Nobelpreis 1944 für den radiochemischen Nachweis der Kernspaltung. Dazu bemerkte Frisch:

„Das ist auch nach meiner Meinung ganz richtig. Die Entdeckung der Uranspaltung [...] war die entscheidende Beobachtung, aus der sich alles weitere sehr rasch entwickeln musste.“

Universität Birmingham, Erinnerungstafeln am Poynting Physics Building

Nach einer Reise im Sommer 1939 von Dänemark nach England konnte Frisch wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs nicht mehr zurückkehren und forschte an der Universität Birmingham. Mit den aufkommenden Gefahren der Nazi-Diktatur entwarf er zusammen mit dem Physiker Rudolf Peierls das Frisch-Peierls-Memorandum. Es wird als erstes theoretisch-technisches Dokument angesehen, das beschreibt, wie eine Atombombe mittels 235U konstruiert werden könnte. Dieses Memorandum stellte sowohl die Grundlage der britischen Arbeit zum Bau einer Atombombe (the Tube Alloys project) als auch des Manhattan-Projekts in den USA dar. Hier arbeitete Frisch 1943 nach Erhalt der britischen Staatsbürgerschaft in der britischen Delegation mit.

1946 kehrte er nach England zurück, wo er dann die kernphysikalische Abteilung der Atomic Energy Research Establishment in Harwell leitete. Zugleich verbrachte er die folgenden 30 Jahre, bis zu seiner Emeritierung 1972, in Cambridge als „Jacksonian Professor of Natural Philosophy und fellow“ des Trinity College. Er entwickelte ein Laser-Scan Verfahren zur Registrierung der Teilchenbahnen in Blasenkammern (Sweepnik) und da dies weitere Anwendungen hatte gründete er mit Kollegen 1969 die Firma Laser Scan.[1]

Er war seit 1951 mit der Künstlerin Ursula (Ulla) Blau verheiratet und hatte mit ihr einen Sohn Tony und eine Tochter Monica. Sein Sohn Tony Frisch war auch Physiker.[2][3]

Bedeutung

  • Er entdeckte 1933 zusammen mit Otto Stern das anomale magnetische Moment des Protons. Damit war ein erster Hinweis darauf gefunden, dass es sich bei diesem Teilchen nicht um ein Elementarteilchen handelt.
  • Mit seiner Tante Lise Meitner schrieb er 1939 die erste theoretische Deutung der Kernspaltung.
  • Er erstellte das erste theoretisch-technische Dokument zum Bau einer Atombombe mittels Uran-235.

Schriften (Auswahl)

  • Products of Fission of the Uranium Nucleus. In: Nature. 143, 1939, S. 471 f. (mit Lise Meitner).
  • Meet the Atoms. 1947
  • Progress in Nuclear Physics. 4 Bände. 1950–1955.
  • Atomic Physics Today. 1961.
  • Die Elementarteilchen der Physik. Westdeutscher Verlag, Köln/Opladen 1963.
  • Working with Atoms. 1965.
  • Profession in Nuclear Physics. 1950–65 (Hrsg.).
  • What Little I Remember. 1979.
    • Dt. Ausgabe: Woran ich mich erinnere. Physik und Physiker meiner Zeit. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1981, ISBN 3-8047-0614-2.

Literatur

  • Rudolf Peierls: Otto Robert Frisch, Biographical Memoirs Fellows Royal Society, Band 27, 1981, S. 283–306, Online
  • Mark Walker: Otto Hahn - Verantwortung und Verdrängung. Max-Planck-Gesellschaft, Berlin 2003 (online [PDF; 442 kB; abgerufen am 1. Oktober 2014] Forschungsprogramm „Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus“, Ergebnisse 10).
  • Roger Stuewer: The Age of Innocence. Nuclear Physics between the First and Second World Wars, Oxford UP 2018 (mit Biographie von Frisch)
Commons: Otto Frisch  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Laser-Scan, Firmengeschichte
  2. Peierls, Otto Robert Frisch, Biogr. Memoirs Royal Society, 1981, S. 301
  3. Name von Sohn und Tochter in Roger Stuewer, Age of Innocence, Oxford UP, 2018, S. 266