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vom 21.09.2020, aktuelle Version,

Palais Epstein

Palais Epstein, vom Ring (rechts) aus gesehen, links die Bellariastraße; um das Palais verläuft die Schleife der Straßenbahnlinien 46 und 49 und der Autobuslinie 48A, unter der Kreuzung im Vordergrund ein Abgang zur U-Bahn-Station Volkstheater der Linien U2 und U3

Das Palais Epstein in Wien wurde im typischen Stil des Historismus an der kurz zuvor angelegten Wiener Ringstraße errichtet und befindet sich zwischen dem Parlament, dem ehemaligen k.k. Reichsratsgebäude, und dem Naturhistorischen Museum am Dr.-Karl-Renner-Ring 1 (früher Burgring 9), Ecke Bellariastraße.

Geschichte

Gustav Ritter von Epstein, Gemälde eines unbekannten Künstlers um 1870

Im Auftrag des aus Prag stammenden jüdischen Bankiers Gustav von Epstein wurde das Palais Epstein vom dänischen Baumeister Theophil von Hansen im historistischen Stil der Neorenaissance zwischen 1868 und 1871 gebaut. Damals bestanden die prominenten Nachbargebäude noch nicht einmal als Baustellen. Als Bauleiter war der junge Otto Wagner tätig. Im Erdgeschoß wurden die Bankräume eingerichtet, in der darüber liegenden Beletage die prunkvollen Wohnräume der Familie Epstein mit Details wie in die Wände versenkbaren Schiebetüren zwischen den Salons. Auch die nicht marmorgetäfelten Teile der Stiegenhauswände haben eine Oberfläche aus Stucco Lustro (ein u. a. mit Wachs hergestellter Marmor täuschend imitierender Stuck mit einer Tradition über Venedig bis zum antiken Pompeji), der bis heute auch viele Räume des Reichsrats- bzw. Parlamentsgebäudes kennzeichnet. An Stelle des Palais hätte ursprünglich das Adelige Casino entstehen sollen, doch der hohe Preis verhinderte dieses Projekt, – das Grundstück war wegen seiner Einzellage zwischen Bellariastraße und Schmerlingplatz, gegenüber dem Volksgarten, und seiner Nähe zur Hofburg und anderen kaiserlichen Bauten das damals teuerste an der Ringstraße und nur für den Bankier finanzierbar.

Palais Epstein um 1889

Als Folge des Börsenkrachs von 1873 musste Epstein sein Palais verkaufen, um den Konkurs der Bank abzuwenden. Gekauft wurde es 1876 von der Imperial Continental Gas Association, London, die in Wien Gaswerke und öffentliche Gasbeleuchtung betrieb und 1883 ihre Wiener Niederlassung ins Palais übersiedelte. Ihr Direktor Henry James Drory wohnte und arbeitete dann hier bis 1899.

1902 gelangte das Gebäude in Staatsbesitz (k.k. Ärar) und wurde Sitz des Verwaltungsgerichtshofs. 1922 musste dieser dem Stadtschulrat für Wien weichen, einer politisch vom Roten Wien dominierten Bundesbehörde, für die die Stadtverwaltung vom Bund einen Sitz möglichst nahe dem Wiener Rathaus verlangt hatte. Dazu wurde das Innere des Palais adaptiert, Wanddekorationen wurden dabei verdeckt und blieben so erhalten.[1]

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Palais Sitz des Bauamtes der Reichsstatthalterei. In dieser Zeit verlor das Gebäude sehr viel an noch vorhandenen jüdischen Einrichtungsgegenständen und Einbauten.

Nach dem Krieg wurde das Palais von der sowjetischen Besatzungsmacht als Zentralkommandantur verwendet. Brigitte Hamann: „Das Palais wurde zum Schauplatz blutiger Verhöre, vieler Selbstmorde Verzweifelter.“[2] Nach einem Fenstersturz eines Arrestanten wurden die Fenster der Arrestzellen im dritten Stock vergittert.[3] (Die Wiener Polizei durfte das Gebäude bis 1955 nicht betreten.)

Nach dem Staatsvertrag 1955 und dem Abzug der Besatzungsmächte wurde es im Studienjahr 1957/58 kurz als Dependance der Akademie für Musik und darstellende Kunst und danach wieder als Sitz des Stadtschulrats genutzt.

Bevor dieser im Jahr 2000 auszog, schlug Leon Zelman, Leiter des Jewish Welcome Service Vienna, vor, das Palais auf Grund seiner wechselhaften, für Österreich nicht untypischen Benützergeschichte zum Haus der österreichischen Geschichte auszugestalten. Er hatte dabei vor allem die Geschichte des 19. und des 20. Jahrhunderts im Blick, der bis heute kein Wiener Museum speziell gewidmet ist. Der damalige Nationalratspräsident Heinz Fischer hielt aber wegen der Raumnot des Parlaments daran fest, das Palais Epstein vor allem für den Nationalrat zu nutzen, – ohne seine historische Dimension auszublenden.

Das Gebäude wurde im Auftrag der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) von Jänner 2004 bis Oktober 2005 von Grund auf renoviert und vor allem die Beletage in den Originalzustand versetzt;[4] seither dient es als Nebengebäude des Parlaments. Im Erdgeschoß wurde eine permanente Ausstellung über die Familie Epstein und die Geschichte des Hauses eingerichtet. Durch die Beletage werden (wahlweise kombiniert mit dem Parlament) Führungen veranstaltet. Die Salons werden für Kulturveranstaltungen und Preisverleihungen genützt.

Außengestaltung

Der dreiseitig freistehende Baublock des Palais Epstein weist vier Geschoße auf. Die Fassade ist Formen der römischen Renaissance nachempfunden. Sie ist betont horizontal gegliedert. Über dem Hauptportal befindet sich ein Balkon, der von vier Karyatiden getragen wird, die 1871 von Vincenz Pilz geschaffen wurden. Straßenseitige Gedenktafeln erinnern an Karl und Charlotte Bühler, Otto Glöckel (mit einer Reliefbüste von Erich Pieler aus 1954), Leon Zelman sowie die sowjetische Zentralkommandantur. Der Innenhof ist glasgedeckt. In einer Ädikula im Hof steht eine Hygieia-Brunnenfigur von Vincenz Pilz aus dem Jahr 1871.[5]

Innenräume

Fest- oder Tanzsaal

Das Vestibül des Palais führt rechter Hand zu einem einfach gestalteten Stiegenhaus und linker Hand zu einer üppig ausgestatteten, freitragenden Marmorstiege mit einer Kassettendecke.

In der Mitte der Beletage befindet sich der ehemalige Fest- oder Tanzsaal, der auf einen nicht ausgeführten Entwurf von Theophil von Hansen und Carl Rahl für das Schloss Oldenburg zurückgeht. Der Raum, der 1922 zu einem Verhandlungssaal umgestaltet wurde, ist ein Musterbeispiel für historistische Innenraumgestaltung. Die hellen Wände kontrastieren mit der dunklen, teilweise vergoldeten Kassettendecke. Die elf Gemälde nach Entwürfen von Carl Rahl auf der Kassettendecke stellen einen festlichen mythologischen Zyklus dar, mit der Geburt der Venus im ovalen Mittelfeld. Vom Bildhauer Franz Melnitzky stammen Darstellungen von Bacchantinnen. Anton Detoma entwarf Pilaster-Schäfte, die den Chorpfeilern der Kirche Santa Maria dei Miracoli in Venedig nachempfunden sind.

Der an den Fest- oder Tanzsaal anschließende Wintergarten in der Beletage weist ebenfalls eine Kassettendecke auf. Im Fries ist eine Kopie des Alexanderzugs von Bertel Thorvaldsen zu sehen. Auf der Stuckkassettendecke im Empfangssalon in der Beletage befinden sich Gemälde von Christian Griepenkerl. Das Boudoir hinter dem Empfangssalon weist eine Stuckdecke mit Abgüssen der Vier-Jahreszeiten-Tondi von Bertel Thorvaldsen auf. Die Kassettendecke im Speisezimmer in der Beletage ist nach dem Vorbild jener von San Lorenzo fuori le mura in Rom und die Kassettendecke im an das Speisezimmer anschließenden Spielzimmer nach dem Vorbild jener von Santa Maria dei Miracoli in Venedig gestaltet.[6]

Literatur

Commons: Palais Epstein  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Österreichisches Parlament: Gleiche Bildungschancen für alle: Die Schulreformer Otto Glöckel, Charlotte und Karl Bühler im Palais Epstein
  2. Text auf der Website des Parlaments, Wien 2005
  3. Foto von 1956 der ehemaligen Arrestfenster im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek
  4. Website der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG)@1@2Vorlage:Toter Link/www.big.at (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  5. Bundesdenkmalamt (Hrsg.): Dehio-Handbuch Wien. I. Bezirk – Innere Stadt. Berger, Horn/Wien 2003, ISBN 3-85028-366-6, S. 338.
  6. Bundesdenkmalamt (Hrsg.): Dehio-Handbuch Wien. I. Bezirk – Innere Stadt. Berger, Horn/Wien 2003, ISBN 3-85028-366-6, S. 338–339.