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vom 09.01.2022, aktuelle Version,

Pillersdorfsche Verfassung

Die Pillersdorfsche Verfassung, von Franz von Pillersdorf ausgearbeitet und nach ihm benannt, ist die erste österreichische Verfassung, die auf dem Prinzip des Frühkonstitutionalismus beruht. Sie wurde am 25. April 1848 erlassen, aber bereits am 16. Mai desselben Jahres durch eine Verfassungsnovelle zum Provisorium erklärt.[1]

Sie war nur für die sogenannten Erblande bestimmt und galt aufgrund der dortigen Radikalisierungsprozesse nicht für das Königreich Ungarn und die italienischen Gebiete. Die Pillersdorfsche Verfassung wurde von den liberalen Kräften als zu wenig demokratisch abgelehnt. Nach der Überbringung einer „Sturmpetition“ der Nationalgarden, Arbeiter und Studenten in Wien wurde durch kaiserliche Proklamation am 16. Mai 1848 diese Verfassung als provisorisch erklärt (mit Zusage des allgemeinen und gleichen Wahlrechts) und im Juli schließlich ganz zurückgenommen.

Vorgeschichte

Nachdem die französische Februarrevolution Unruhen in Mailand, Prag und Ungarn initiierte, griffen diese schließlich am 13. März auf Wien über. An diesem Tag musste Staatskanzler Metternich unter dem Druck der Verhältnisse zurücktreten und floh nach Großbritannien. Am 15. März 1848 kam es unter Druck der Märzrevolution zur Aufhebung der Zensur sowie zur kaiserlichen Zusage einer Konstitution des Vaterlandes. Des Weiteren wurden die akademischen Grundrechte (Lehr- und Lernfreiheit) garantiert und die Dispenspflicht des Toleranzpatents aufgehoben. Am 21. März 1848 nannte die Wiener Zeitung, das amtliche Verlautbarungsorgan, Graf Franz Anton von Kolowrat-Liebsteinsky als Ministerpräsidenten; als Innenminister fungierte interimistisch Pillersdorf, der im Mai selbst provisorischer Ministerpräsident wurde; sein Ministerium übernahm die Kompetenzen der Vereinigten Hofkanzlei, der Pillersdorf vorgestanden war. Vertrauensmänner der Stände (sog. Ständische Zentralausschuß) und die Regierung arbeiteten unter der Federführung von Innenminister Pillersdorf gemeinsam eine Verfassung aus. Diese „Verfassungsurkunde des österreichischen Kaiserstaates“ trat am 25. April 1848 (PGS 49) in Kraft. Als Vorbild dienten die Verfassungen der deutschen Staaten sowie Belgiens von 1830.[1]

Bestandteile

Die Verfassung sah eine Zusammenfassung aller Länder diesseits der Leitha zu einer konstitutionellen Monarchie „Österreichischer Kaiserstaat“ vor. Ungarn war von der Pillersdorfschen Verfassung ausgenommen, da Kaiser Ferdinand bereits am 11. April die vom ungarischen Reichstag beschlossenen 31 Gesetzesartikel und Reformen als Verfassung anerkannte und somit Ungarn nur noch in Personalunion mit den übrigen Teilen der Monarchie verbunden war. Das am 8. April gegenüber Böhmen abgegebene Versprechen einer eigenen Verfassung wurde hingegen nie eingelöst.[2] Es bestand lediglich ein internes Handschreiben des Kaisers mit dem Verfassungsversprechen an Minister Pillersdorf, das die Tschechen in ihre böhmische Provinzialgesetzsammlung aufnahmen und es Böhmische Charta nannten.

Als Volksvertretung sah sie ein Zweikammersystem vor:

  • Senat
    • Prinzen des Hauses, welche das 24. Lebensjahr vollendet haben
    • vom Kaiser ernannte Minister
    • gewählte Großgrundbesitzer
  • Kammer der Abgeordneten
    • bestand aus 383 Mitgliedern, die vom Volk gewählt wurden

Dieses Parlament hatte kein Selbstversammlungsrecht, dafür aber das Recht zur Gesetzesinitiative und war zusammen mit dem Kaiser an der Gesetzgebung beteiligt.

Wählen durften alle großjährigen Männer (welche das 24. Lebensjahr vollendet haben) ausgenommen Dienstboten, Fürsorgeempfänger und Arbeiter gegen Tages- und Wochenlohn.

Träger der Staatsgewalt war der Kaiser, seine Anordnungen mussten jedoch von einem verantwortlichen Minister gegengezeichnet werden. Der Kaiser sollte allerdings ein absolutes Vetorecht gegen die Beschlüsse dieses Parlaments besitzen. Um weitere Aufstände zu verhindern, fühlte sich der Kaiser daran gebunden.

Die Gerichtsbarkeit war durch unabhängige Gerichte gegeben. Verfahren waren öffentlich und mündlich, in Strafprozessen musste ein Schwurgericht einberufen werden.

Die Verfassung beinhaltete unter anderem auch einen Grundrechtskatalog, was damals als ziemlich fortgeschritten galt. Dieses unterschied zwischen Menschenrechten und Staatsbürgerrechten, die als Staatszielbestimmungen galten (so z. B. Schutz von Gleichheit und Freiheit, Glauben und Gewissen sowie des Eigentums). Der Föderalismus hingegen war noch immer schwach ausgeprägt. So gab es noch immer Landstände, die kein eigenes Gesetzgebungsrecht besaßen und an dem des Gesamtstaates auch nicht teilnahmen. Sie hatten lediglich die „Wahrnehmung der Provinzialinteressen“ (§ 54) zur Aufgabe und hatten den Reichstag über „zeitgemäße Änderungen der bisherigen Verfassung und über die Grundentlastung Vorschläge zu erstatten“ (§ 55). Die Verfassung sah außerdem „Kreise mit Municipaleinrichtungen“ (§ 56) und „Gemeindeverfassungen“ (§ 57) vor.

Der auf Grund der Verfassungsnovelle vom 16. Mai gewählte Reichstag mit nur einer Kammer erarbeitete eine neue Verfassung unter Festschreibung der Volkssouveränität („Kremsierer Entwurf“), doch der neue Kaiser Franz Joseph I. zwang dem Kaiserreich im März 1849 eine Verfassung auf (oktroyierte Verfassung), die aber 1851 mit dem Silvesterpatent wieder außer Kraft gesetzt wurde. Bis 1859 regierte der Kaiser allein (Neoabsolutismus).

Einzelnachweise

  1. 1 2 Wilhelm Brauneder: Österreichische Verfassungsgeschichte, 10. Auflage 2005, S. 115 ff.
  2. Thomas Olechowski: Österreichische Rechtsgeschichte, 2. Auflage 2008, S. 50.