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vom 20.06.2022, aktuelle Version,

Siegmund Bosel

Max Fenichel: Siegmund Bosel (um 1930)

Siegmund Bosel, auch Sigmund, (geboren 10. Jänner 1893 in Wien; gestorben am 8. Februar 1942 oder 8. April 1945) war ein österreichischer Großkaufmann, Bankier und Börsenspekulant, der eine bedeutende, aber umstrittene Rolle im Wirtschaftsleben in der Ersten Republik spielte.

Leben

Der in Wien geborene Textilkaufmann jüdischer Herkunft arbeitete sich während des Ersten Weltkriegs zum größten Heereslieferanten hoch. Während der Nachkriegsinflation bewahrte und vergrößerte Bosel durch gewagte Börsengeschäfte sein Vermögen, übernahm 1923 die Union-Bank und wurde kurzfristig zu einem der reichsten Männer des Landes.

1925 hatte Bosel allerdings starke Verluste durch Fehlspekulationen hinzunehmen und riss beinahe auch die Postsparkasse, die Bosels Abenteuer finanziert hatte, mit in den Abgrund.[1] Ein großer Teil dieser Schuld wurde ihm 1933 durch Finanzminister Karl Buresch erlassen. Bereits 1926 hatte die in diesem Zusammenhang stehende Flucht des Finanzministers Jakob Ahrer nach Kuba für großes Aufsehen gesorgt.[1] Aufgrund der Verwicklung Bosels in den Postsparkassenskandal begann eine Serie von Prozessen, die ihn den Großteil seines Vermögens kosteten. Bosel blieb im Wesentlichen nur mehr der Besitz eines Teppichhauses.

Nach dem Anschluss Österreichs wurde Bosel auch als Jude verfolgt. Die gesamte Einrichtung seiner Villa in Wien-Hietzing (Gloriettegasse 17–19) wurde auf Anordnung des Exekutionsgerichtes am 14. und 15. Juli 1938 im Wiener Dorotheum versteigert.

Über Bosels Tod gibt es widersprüchliche Angaben. Das Todesdatum 1945 findet sich im Österreichischen Personenlexikon. Nach anderen Angaben soll der SS-Führer Alois Brunner Bosel im Februar 1942 anlässlich der Deportation der Wiener Juden nach Riga erschossen haben.[2]

Georg Ransmayr berichtet 2016 folgender Sachverhalt[3]

Über den Tod Sigmund Bosels berichtet Georg Ransmayr auf den Seiten 272 bis 274[3] nach Zeugenaussagen von Gertrude Schneider (Mädchenname Traude Hirschhorn):

"...Genau 1004 Juden sind an diesem 6. Februar 1942 an Bord der Waggons (Anmerkung: am Aspang-Bahnhof Wien 3)....Ausnahmsweise fährt Alois Brunner dieses Mal aber selber nach Riga mit...."

Verspätet wird als letzter Passagier der schwerkranke Sigmund Bosel auf einer Bahre im Pyjama zu dem Transport nach Riga gebracht. Pinkas Hirschhorn erkennt seinen Kartenspiel-Partner aus dem Café Brillantengrund....Auf der zweiten Stufe der Plattform des Waggons hatte man Bosel im Freien angekettet.

.."Und dann hat der Alois Brunner begonnen, den Bosel mit den Füßen zu treten."...."Und dann hat der Bosel gesagt: 'Gnade, Gnade' - und beim dritten Gnade hat er (Anmerkung: Brunner) ihn erschossen. Ein Schuss, ein einziger Schuss."

Auf Seite 288 berichtet Ransmayer zum zweiten Todesdatum 1945: Dieses wurde von Amts wegen mit dem Kriegsende 8. Mai 1945 festgestellt, nachdem 1945 keine weiteren Informationen zum Tod Sigmund Bosels vorhanden waren (Vermisstenmeldung).[3]

Rezeption

Angesichts von Bankenskandalen im 21. Jahrhundert wendet sich die sozialwissenschaftliche Forschung auch der Figur des Spekulanten Bosel zu.[4]

Literatur

  • Georg Ransmayr: Der arme Trillionär. Aufstieg und Untergang des Inflationskönigs Sigmund Bosel. Styria, Wien/Graz/Klagenfurt 2016, ISBN 978-3-222-13535-4.
  • Isabella Ackerl, Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik. Ueberreuter, Wien 1992, ISBN 3-8000-3464-6.

Film

Einzelnachweise

  1. 1 2 JMW: Wien, Stadt der Juden (Memento vom 19. März 2005 im Internet Archive)
  2. Claude Lanzmann: Interview mit Gertrude Schneider In: Claude Lanzmann Shoah Collection, United States Holocaust Memorial Museum.
  3. 1 2 3 Georg Ransmayr: Der arme Trillionär. Aufstieg und Untergang des Inflationskönigs Sigmund Bosel. Styria, Wien/Graz/Klagenfurt 2016, ISBN 978-3-222-13535-4.
  4. Der Trillionär von Kaisers Gnaden. In: Die Presse vom 4. Januar 2014