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vom 10.07.2020, aktuelle Version,

Valie Export

Valie Export, 2013

Valie Export (* 17. Mai 1940 in Linz), mit bürgerlichem Namen Waltraud Stockinger,[1] ehemals Waltraud Höllinger,[2] geb. Waltraud Lehner,[3] ist eine österreichische Medienkünstlerin, Performancekünstlerin und Filmemacherin.[4]

Leben

Waltraud Lehner wuchs in Linz mit zwei Schwestern als Tochter einer Kriegswitwe auf und ging in eine Klosterschule.[5] Von 1955 bis 1958 besuchte sie die Kunstgewerbeschule ihrer Heimatstadt. Mit 18 Jahren heiratete sie und bekam im selben Jahr ihre Tochter Perdita.[6] Nach der Trennung von ihrem Ehemann ging sie 1960 nach Wien und besuchte bis 1964 die Höhere Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt für Textilindustrie.[2] Nach ihrem Diplom im Bereich Design ging sie in die Filmbranche und arbeitete als Script Girl, als Filmeditorin sowie als Komparsin.

Werk

Ab 1965 wendete sie sich vermehrt dem Medium Film zu und verfasste 1966 ein Drehbuch mit dem Arbeitstitel „AUS ALT MACHT NICHT NEU – ein versuch der sinnlosigkeit. metaphorische bildassoziation, Projekt“.[7] 1967 nahm sie ihren Künstlernamen VALIE EXPORT als künstlerisches Konzept und Logo an, mit der Vorgabe, ihn nur in Versalien zu schreiben.[8]

Expanded Cinema

Die frühen Arbeiten von Valie Export zeichnen sich insbesondere durch die Auseinandersetzung mit Feminismus, Aktionskunst und dem Medium Film – insbesondere Ende der 1960er Jahre mit der Bewegung des Expanded Cinema – aus. Eine ihrer bekanntesten Aktionen war das Tapp- und Tastkino. Gemeinsam mit ihrem neuen Partner Peter Weibel, dessentwegen sie ein Verhältnis mit Friedensreich Hundertwasser beendet hatte,[6] realisierte sie es erstmals im Rahmen des 1. Europäischen Treffens der Unabhängigen Filmemacher in München. Bei dieser Performance auf öffentlichen Plätzen trug Export eine lockige Perücke, war geschminkt und trug über ihren nackten Brüsten einen Kasten mit zwei Öffnungen. Der restliche Oberkörper war mit einer Strickjacke bedeckt. Peter Weibel warb durch ein Megafon und lud die Schaulustigen zum Besuch ein. Diese hatten 33 Sekunden lang Zeit,[9][10] mit beiden Händen durch die Öffnungen zu strecken und die nackten Brüste der Künstlerin zu berühren.[11][12]

Valie Export sagte später zu dieser Aktion: „(…) das Tapp- und Tastkino – das war Straßenaktion, es war Feminismus, es war Expanded Cinema, es war Film; ich nannte das Tapp- und Tastkino damals auch Tapp- und Tastfilm. (…), denn ich sagte damals, jeder Mensch kann diese Filmaktion durchführen, Filminstallation ausführen, es gibt kein Original.“[13] Sie sah diese Aktion als „erweitertes Kino, das Filmzuschauer mit dem konfrontiert, was im abgedunkelten Saal als normal angesehen wird: der voyeuristische Blick auf Frauenkörper.“

Wiener Aktionismus

Obwohl sie durch ihre persönlichen Beziehungen direkten Kontakt zu den „Wiener Aktionisten“ hatte, betonte Export immer wieder die Unterschiede zu den Aktionen der Gruppe. Später sagte sie in einem Interview: „Ein Teil meiner Arbeiten ist sicherlich mit dem Wiener Aktionismus verbunden, obwohl es gravierende Unterschiede gibt. Ich fühle mich der ganzen Richtung des Aktionismus zugehörig, ich sehe mich, neben meiner Arbeit als Medienkünstlerin oder Filmemacherin, vor allem als Aktions- und Performancekünstlerin. Das würde ich aber nicht mit dem Wiener Aktionismus vergleichen, weil er von meinen Formen der Arbeit ästhetisch, inhaltlich und formal unterschieden war.“[14]

1970 wurde ihr die Sorge für ihre Tochter Perdita aberkannt.[15] Die Entstehung von Valie Export markierte die Künstlerin im selben Jahr in der Arbeit VALIE EXPORT – Smart Export durch die teilweise Überklebung einer Zigarettenpackung der zu jener Zeit sehr populären österreichischen Marke Smart Export mit dem Namenszug „VALIE“ und ihrem Porträt.[16][A 1] Dieses wollte sie als feministische Kritik an patriarchal-kapitalistischen Zuschreibungspraktiken verstanden wissen: Bevor ein Eigenname die individuelle Einspeisung ins Marktgeschehen verdecke, werde er besser durch ein Logo ersetzt.[17] Auch 1970 machte sie ihren Körper für die Arbeit „Body Sign Action“ zur Leinwand und ließ sich von dem Tätowierer Horst Streckenbach ein Strumpfband auf den Oberschenkel tätowieren.[18] 1971 rollte sie nackt über Glasscherben, um „dem männlichen Blick auf eine nackte Frau eine andere Perspektive entgegenzusetzen.“[19] 1972 trennten sich Peter Weibel und sie.[6]

Mitte der 1970er Jahre bis heute

Landschaftsmesser in Allentsteig.
Der von Valie Export gestaltete und 2011 erstmals vergebene Österreichische Filmpreis

1977 nahm sie an der documenta 6 in Kassel teil. 1980 vertrat sie gemeinsam mit Maria Lassnig Österreich auf der Biennale in Venedig.[20] 1985 wurde ihr Spielfilm Die Praxis der Liebe in der Kategorie Buch und Regie für den Goldenen Bären der Internationalen Filmfestspiele von Berlin nominiert. 1992 wurde ihr Werk im Rahmen einer Retrospektive in der Landesgalerie des Oberösterreichischen Landesmuseums in Linz erstmals in einer Einzelausstellung präsentiert, der viele weitere folgten.[20] Gleichzeitig nahm seitdem die öffentliche Wahrnehmung ihrer künstlerischen Arbeit ab.[21]

Von 1989 bis 1992 war Valie Export Full Professor an der University of Wisconsin–Milwaukee, School of Fine Arts, 1991 bis 1995 Professorin im Fachbereich Visuelle Kommunikation an der Universität der Künste Berlin. In dieser Zeit lernte sie auch ihren späteren zweiten Ehemann Robert Stockinger kennen.[22] Von 1995/1996 bis 2005 war sie Professorin für Multimedia-Performance an der Kunsthochschule für Medien Köln. 2007 beteiligte sie sich mit Arbeiten sowohl am Rahmenprogramm der documenta 12 als auch an dem der Biennale in Venedig,[4] wo sie zudem 2009 Co–Kommissärin des österreichischen Pavillons war.

Valie Export lebt in Wien.[4]

Die Stadt Linz erwarb 2015 ihr Archiv und eröffnete am 11. November 2017 in der Tabakfabrik Linz das Valie Export Center. Ihr Vorlass gelangt damit in eine ehemalige Produktionsstätte des Unternehmens, dessen Marke Smart Export sie ihren Künstlernamen entnommen hat.[23]

Im Juli 2020 berichtet orf.at, dass Valie Export ihr gesamtes filmisches Werk dem Österreichischen Filmmuseum in Wien schenkt.

Auszeichnungen

Ausstellungen (Auswahl)

Literatur

  • Peter Assmann (Hrsg.): VALIE EXPORT. Oberösterreichische Landesgalerie, Linz 1992, ISBN 3-900746-48-6.
  • Robert Kudielka, Michael Schoenholtz, Inge Zimmermann (Vorw.): aus. gezeichnet. zeichnen. Eine Ausstellung der Sektion Bildende Kunst. Akademie der Künste, 25. April bis 14. Juni 2009, ISBN 978-3-88331-127-2.
  • Roswitha Mueller: VALIE EXPORT – Bild-Risse. Passagen-Verlag, Wien 2002, ISBN 3-85165-354-8.
  • Anita Prammer: VALIE EXPORT, eine multimediale Künstlerin. Wiener Frauenverlag, 1988, ISBN 3-900399-25-5.
  • Thomas Trummer (Hrsg.): VALIE EXPORT: Serien. Revolver Archiv für aktuelle Kunst, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-86588-050-9.
  • Andrea Zell: VALIE EXPORT. Inszenierung von Schmerz: Selbstverletzung in den frühen Aktionen. Reimer, Berlin 2000, ISBN 3-496-01224-2.
Commons: Valie Export  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Photo

Einzelnachweise

  1. VALIE EXPORT Filmproduktionsgesellschaft m.b.H. – Firmenbuch-Meldung 4478821 vom 7. August 2013. Auf moneyhouse.at
  2. 1 2 Jessica Rosenbrock: Analyse aktueller Werkbeispiele der Medienkunst (VALIE EXPORT und Cindy Sherman) hinsichtlich der Relevanz medienspezifischer Aspekte. Examensarbeit, 2006, S. 3 (als Auszug online)
  3. Matthias Dusini: Sex, Lügen & Videos. In: Falter. Nr. 05/2005. (online)
  4. 1 2 3 Lt. eigener Angabe in: Biografie. Auf: valieexport.at
  5. Katja Nicodemus: Sie zeigt es uns. In: Die Zeit. Nr. 46 am 11. November 2010, S. 71 (online als PDF (Memento vom 8. Juli 2015 im Internet Archive) ca. 14 MB)
  6. 1 2 3 Werner DePauli-Schimanovich: Europolis. Band 4: Kultur, Politik, Musik, Revolutionäres, Historisches, Literarisches. Novum Verlag, Wien 2007, ISBN 978-3-902514-89-9, S. 448–450 (online)
  7. VALIE EXPORT. Auf: wien.gv.at
  8. Andrea Zell: Valid Export. Inszenierung von Schmerz: Selbstverletzung in den früheren Aktionen. Berlin 2000, S. 15.
  9. tagesspiegel.de: Die Jungen müssen eigene Formen finden
  10. Metropolis auf ARTE am 4. Feb. 2018
  11. Medien Kunst Netz: Medien Kunst Netz | Export, Valie: Tapp- und Tastkino. 10. Juli 2020, abgerufen am 10. Juli 2020.
  12. Andrea Zell: VALIE EXPORT. Inszenierung von Schmerz: Selbstverletzung in den früheren Aktionen. Berlin 2000, S. 35.f.
  13. Gerald A. Matt und Österreichisches Parlament (Hrsg.): Österreichs Kunst der 60er-Jahre. Gespräche. 2011, S. 92.
  14. Andrea Zell: Valid Export. Inszenierung von Schmerz: Selbstverletzung in den früheren Aktionen. Berlin 2000, S. 18.
  15. Susanne Weingarten: Heimkehr der verlorenen Tochter. In: Der Spiegel. Nr. 18/1997 am 28. April 1997 (online)
  16. VALIE EXPORT. Auf: pomeranz-collection.com, abgerufen am 31. August 2014.
  17. Ines Kappert: Die Mechaniken des Blicks. VALIE EXPORT hat die Medienkunst miterfunden und geprägt. In: Jungle World. Nr. 6 am 29. Januar 2003 (online) (Memento des Originals vom 2. Mai 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.jungle-world.com
  18. Thomas Trenkler: VALIE EXPORT: “Ich wollte raus”. Am 14. April 2015 auf thomastrenkler.at (Auszug aus Ich fiel in eine Welt – Gespräche über die Kunst und das Leben. Brandstätter Verlag, Wien 2013, ISBN 978-3-85033-607-9)
  19. Anne Goebel: Wie befreit. Warum die Wiener Aktionskünstlerin Valie Export gerade neue entdeckt wird. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 26./27. Januar 2019, Nr. 22, S. 47.
  20. 1 2 VALIE EXPORT. Auf: basis-wien.at
  21. 1 2 VALIE EXPORT. Auf: wien.gv.at
  22. Colette M. Schmidt: VALIE EXPORT: Porträt einer Rebellin. auf: derstandard.at, 18. Mai 2015
  23. Leben im Zeichen der Radikalität : Smart Import für Linz orf.at, 11. November 2017, abgerufen 12. November 2017.
  24. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF; 6,9 MB)
  25. http://www.valieexport.at/de/biografie/biografie/ Yoko Ono Lennon Courage Awards for the Arts 2014.
  26. Frauen-Lebenswerk-Preis 2015 für Valie Export. Käthe-Leichter-Staatspreis an Politikwissenschafterin Birgit Sauer auf: derStandard.at, APA-Meldung vom 19. Oktober 2015, abgerufen am 19. Oktober 2015.
  27. Charim Galerie Wien. Auf: basis-wien.at
  28. Rückschau. Auf: charimgalerie.at
  29. s. Mechtild Widrich: Location and dislocation – The media performances of VALIE EXPORT. (Auszug auf deepdyve.com)
  30. Internetseite ZKM
  31. Verbund Kunstsammlung