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vom 02.05.2020, aktuelle Version,

Vincenz Prießnitz

Vincenz Priessnitz 1799–1851
Vincenz Prießnitz
Vincenz Priessnitz, Lithographie von Andreas Staub, ca. 1830

Vincenz Prießnitz, gelegentlich auch Vincenz Prisnitz oder Vincenz Prißnitz, (* 4. Oktober 1799 in Gräfenberg bei Freiwaldau; † 28. November 1851 ebenda) war ein deutscher Landwirt und autodidaktischer Naturheiler aus Österreichisch-Schlesien. Er gilt (nach den „Wasserhähnen“ Siegmund Hahn und Johann Siegmund Hahn) als Erneuerer der Kaltwasserkur in Österreich und Deutschland.

Leben

Vincenz Prießnitz wurde als das jüngste von sechs Kindern des Landwirts Franz Prießnitz (1753–1836) und dessen Ehefrau Theresia Kappel (1759–1825) in Freiwaldau-Stadt, Haus Nr. 175[1] geboren. Da der Vater erblindete und der älteste Bruder früh starb, musste Prießnitz schon nach kurzer Zeit die Schule verlassen und auf dem elterlichen Hof mitarbeiten. Er konnte nur eingeschränkt lesen und schreiben, war also funktionaler Analphabet. Mit 17 Jahren brach sich Prießnitz zwei Rippen, als er auf dem Weg zum Feld von seinem scheuenden Pferd zu Boden geschleudert und anschließend vom angehängten Wagen überrollt wurde. Er half sich, indem er die verletzten Rippen mit einem in kaltes Wasser getauchten Umschlag fixierte und darüber mehrere eng anliegende Tücher band. Dies war die Geburtsstunde des Prießnitz-Umschlages („Prießnitz-Wickel“). Die Rippen verheilten, und sehr schnell hatte der junge Prießnitz im weiten Umkreis den Ruf, ein Wasserdoktor zu sein.[2]

Kapelle und Grabmal von Prießnitz in Gräfenberg

1828 heiratete Prießnitz Sophie, eine Tochter des Gemeindevorstehers von Böhmischdorf bei Freiwaldau. Mit ihr hatte er einen Sohn und sechs Töchter. Seine Wasserkuren verhinderten nicht, dass er 1848 einen Schlaganfall erlitt und danach laut ADB an „Leberschrumpfung und Wassersucht“ litt[3] und demnach mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zuletzt ein Leber- und Nierenversagen hatte.[4] Im Alter von 52 Jahren starb Vincenz Prießnitz am 28. November 1851 in Gräfenberg. Das von ihm hinterlassene Vermögen wurde auf stattliche 10 Millionen Gulden geschätzt. Da sein Sohn zum Zeitpunkt seines Todes noch ein Kind war, wurde die Wasserheilanstalt von einem Schwiegersohn übernommen.

Wirken

Im Jahr 1826 kamen die ersten Kranken von außerhalb zu Prießnitz. Er richtete ein Badehaus ein, in dem er mit Wasser behandelte, wurde aber 1829 von mehreren Ärzten als Kurpfuscher angeklagt. Der Prozess endete mit einem Freispruch für Prießnitz, da er nicht mit Medikamenten, sondern ausschließlich mit Wasser therapierte. 1830 bekam er die Genehmigung der österreichischen Regierung zur Errichtung und Führung einer Kaltwasser-Heilanstalt. Im Badehaus wurde ein großes Becken von zehn Meter Durchmesser installiert, in dem die Patienten auch schwimmen konnten. Außerdem enthielt es einen Brunnen. Bereits 1832 wurde ein zweites Anstaltsgebäude gebaut mit 18 Zimmern und einem Saal. Insgesamt konnten in der Heilanstalt gleichzeitig etwa 100 Kranke untergebracht werden. Bis zu seinem Tod behandelte der Wasserdoktor hier etwa 36.000 Patienten. Die Prießnitz’sche Kaltwasser-Heilanstalt wurde seit 1853 vom Arzt Josef Schindler (1814–1890) und seinem Schwiegersohn Johann Ripper (1830–1912), der die Tochter Maria Anna Prießnitz geheiratet hatte, weitergeführt. Bis heute existiert die von ihm gegründete Kuranstalt in Bad Gräfenberg (Lázně Jeseník).

Prießnitz entwickelte keine neue medizinische Theorie, machte aber mit seinen Wasserkuren und Luftbädern die Hydrotherapie populär. Innere Krankheiten führte er auf „schlechte Säfte“ zurück, die aus dem Körper herausgebracht werden müssten. Er wandte kaltes Wasser und kalte Kompressen bei den verschiedensten Krankheiten an, verordnete aber auch Bewegung und Diät (Wasser, Milch und kalte ungewürzte Speisen). Außerdem setzte er auf Abhärtung, vorzugsweise durch eiskaltes Duschen, wobei sich das Wasser aus einer Höhe von mehreren Metern auf die Patienten ergoss. Weitere Behandlungselemente waren Trinkkuren, Klistiere, Bäder und Schwitzkuren.

Er veröffentlichte nichts, diktierte aber 1847 seiner Tochter Hedwig das Vinzenz Prießnitz’sche Familien Wasserbuch, das bis heute im Institut für Geschichte der Medizin der Universität Wien aufbewahrt wird.

Brunnen zum Gedenken an Vincenz Prießnitz im Wiener Türkenschanzpark

1846 wurde Prießnitz im Namen des österreichischen Kaisers die große goldene Verdienstmedaille für seine Leistungen verliehen. Im Stadtpark von Jeseník und im Türkenschanzpark in Wien erinnern bis heute Denkmäler an Vincenz Prießnitz. In Leipzig, im heutigen Kleingärtnerverein Priessnitz-Morgenröte e. V., erinnert ebenfalls ein Denkmal an ihn. Im Jahr 1909 wurde in Wien-Floridsdorf (21. Bezirk) die Prießnitzgasse nach ihm benannt.

Seit 1960 verleiht die Deutsche Heilpraktikerschaft eine Prießnitz-Medaille.

Trivia

Prießnitz hat Eingang in die polnische Sprache gefunden, in der er durch seine Leistung verewigt wurde. So heißt Dusche auf Polnisch prysznic,[5] eine polonisierte Form seines Familiennamens.

Siehe auch

Literatur

  • Max Rumpler: Vincenz Prießnitz. Zum hundertjährigen Geburtstage. In: Deutscher Hausschatz. Band 26, Nr. 5, 1899/1900, Nr. 5, S. 87–88 und 90.
  • Ernst von Held-Ritt: Prißnitz auf Gräfenberg oder treue Darstellung seines Heilverfahrens mit kaltem Wasser. Ein Handbuch für Alle, welche Gräfenberg besuchen, und die Wasserkur dort oder in der Heimath brauchen wollen, so wie für Jene, welche dort Heilung fanden. Mörschner und Jasper, Wien 1837. Volltext online; Nachdruck, mit einer Einleitung zur Geschichte der Hydrotherapie und der Biographie von Prißnitz sowie mit Erläuterungen und Anmerkungen hrsg. von Christian Andree, Bergstadtverlag W. G. Korn, Würzburg 1988.
  • Carl Munde: Die Gräfenberger Wasserheilanstalt und die Prießnitzische Curmethode. Ein Handbuch […] für alle Kranke, die gesund werden und für Gesunde, die es bleiben wollen. Vierte, ganz umgearbeitete und vermehrte Auflage. Frohberger, Leipzig 1840. – Volltext online: archive.org; 5. Auflage ebenda 1841.
  • Constantin von Wurzbach: Prießnitz, Vincenz. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 23. Theil. Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1872, S. 290–295 (Digitalisat).
  • Julius Leopold Pagel: Prießnitz, Vincenz. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 26, Duncker & Humblot, Leipzig 1888, S. 589 f.
  • Philo vom Walde: Vincenz Prießnitz. Sein Leben und sein Wirken. Zur Gedenkfeier seines hundertsten Geburtstages dargestellt. W. Möller, Berlin 1892.
  • Philo vom Walde: Vincenz Priessnitz als Begründer des Wasser- und Naturheilverfahrens. Berlin 1898.
  • Robert Hohlbaum: Der Kurfürst. Eine Vinzenz-Prießnitz-Novelle. Reclam, Leipzig 1940.
  • Alfred Brauchle: Der erste Höhepunkt in der Entwicklung der Wasserheilkunde und der Welterfolg. Der Bauer Vincenz Prießnitz. In: derselbe: Geschichte der Naturheilkunde in Lebensbildern. 2. erw. Aufl. von Große Naturärzte. Reclam-Verlag, Stuttgart 1951, S. 77–117.
  • Heinz Röhrich: Vinzenz Prießnitz’sche Kaltwasserkuranstalt in Gräfenberg. In: Mährisch-Schlesische Heimat, 14.1969, S. 276–290.
  • Hugo Scholz: Heilendes Wasser. Lebensroman des „Wasserdoktors“ Vinzenz Priessnitz, Leopold Stocker Verlag, Graz und Stuttgart 1978, ISBN 3-7020-0324-X.
  • Priessnitz Vinzenz. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 8, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1983, ISBN 3-7001-0187-2, S. 278.
  • Horst Prignitz: Wasserkur und Badelust. Eine Badereise in die Vergangenheit. Koehler und Amelang, Leipzig 1986, ISBN 3-7338-0011-7.
  • Bohumila Tinzova: Vinzenz Prießnitz (1799–1851). Almanach k 200. výrocí narození. Priessnitzovy Lécebné Lázne, Jesenik 1999.
  • Manfred Skopec: Prießnitz, Vincenz. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, ISBN 3-428-00201-6, S. 720 (Digitalisat).
  • Jürgen Helfricht: Vincenz Prießnitz (1799–1851) und die Rezeption seiner Hydrotherapie bis 1918. Ein Beitrag zur Geschichte der Naturheilbewegung. Matthiesen Verlag, Husum 2006, ISBN 978-3-7868-4105-0 (Abhandlungen zur Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften, Heft 105).
  • Hubertus Averbeck: Von der Kaltwasserkur bis zur physikalischen Therapie. Betrachtungen zu Personen und zur Zeit der wichtigsten Entwicklungen im 19. Jahrhundert. Europäischer Hochschulverlag, Bremen 2012, ISBN 978-3-86741-782-2, S. 152–208.
  • Wasser thuts freilich. In: Die Gartenlaube. Heft 11, 1853, S. 112–116 (Volltext [Wikisource]).
Commons: Vincent Priessnitz  – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Römisch-katholisches Geburtsregister Freiwaldau-Stadt: Band 1792-1831, Seite 48, Reihe 3, Inventar-Nr. 3143, Signatur Je III 5 (Hinweis: Link aufrufen, Button „Fortsetzen“ anklicken, Link erneut aufrufen)
  2. J. E. M. Selinger: Vincenz Priessnitz; eine Lebensbeschreibung. Gerold, 1852, S. 21. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  3. Julius Leopold Pagel: Prießnitz, Vincenz. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 26, Duncker & Humblot, Leipzig 1888, S. 589 f.
  4. Gundolf Keil: Vegetarisch. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 34, 2015 (2016), S. 29–68, hier: S. 42.
  5. prysznic, Eintrag im Słownik języka polskiego, sjpd.pwn.pl

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