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Niklasdorf#

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An alten Bauernhöfen beeindruckt uns oft die Jahreszahl ihrer Errichtung, meist an einem uralten Holzbalken sichtbar, sei es z.B. 1722 oder gar 1684. Manche dieser Höfe haben noch Vorgängerbauten, einige wenige reichen in ihrer Siedlungskontinuität sogar zurück bis zur Zeit der Landnahme durch die Slawen, später durch bairische Siedler.

In Niklasdorf nun, vermuten Historiker, könnten gleich mehrere Bauernhöfe auf eine mehr als 1000 Jahre alte Geschichte verweisen. Darüber hinaus hält man es sogar für möglich, dass es sich dabei um ehemalige Herrenhöfe des Königs handeln könnte! Die bairischen Siedler, die zwischen 760 und 800 ins Murtal kamen, errichteten hier als erste Stützpunkte große Gutshöfe. Von diesen Höfen aus, "curtes" genannt, wurde nicht nur die weitere Besiedlung organisiert und gelenkt, sondern auch die Missionierung der heidnischen Alpenslawen begonnen. Solche karolingische Urhöfe wandelten sich im Lauf der Zeit zu gewöhnlichen, wenn auch großen Bauernhöfen, sog. Moar-Höfen. Der Name ergibt sich vom Verwalter des alten Gutshofes, dem "Meier" oder "Moar". Allen Hobbyhistorikern sei allerdings zur Vorsicht geraten: Nicht jeder Moarhofname ist echt! Viele wurden erst im Nachhinein so genannt.

Alte Ansicht von Niklasdorf
Alte Ansicht von Niklasdorf

Moarhöfe zeichnen sich durch großen, blockartigen Grundbesitz aus, was auch bei den Ortschaften der heutigen Gemeinde Niklasdorf zu beobachten ist. Der LINDMOAR, LANZMOAR, KOHLMOAR und GSTATTMOAR in Waltenbach sowie der KIRCHMOAR, KROTTMOAR und STRASSMOAR in Niklasdorf selbst, vielleicht gehen sie auf solche karolingische Urhöfe zurück, die im Machtvolumen nach der Zerschlagung des Römischen Weltreiches wieder erste Herrschaftszentren bildeten.

Niklas oder Michel#

Die erste Nennung von Niklasdorf erfolgte im Jahre 1148. In einer Urkunde vom 13. April dieses Jahres ist "Michilindorfr" erwähnt. Nun mag der Leser gleich zweifach verwundert sein: Was heißt "-dorfr" und wieso ist nicht von Niklasdorf die Rede? Das seltsamer am Wortende taucht in einer Urkunde 1230 wieder auf, es wird sich also wohl um keinen Rechtschreibfehler gehandelt haben. Es ist zu überlegen, ob mit "Michilindorfr" nicht "Micheldörfer" gemeint sind. Wenn wir wissen, dass im Mittelalter mit dem Wort "Dorf" oft auch ein "Hof" bezeichnet wurde und "michel" so viel wie "groß" bedeutete, erhellt sich die Sache zusehends. Könnten nicht jene Höfe gemeint sein, von denen schon oben die Rede war, den "Moarhöfen", die allein durch ihre Größe schon fast ein Dorf ausmachten?

Jedenfalls wurde das heutige Niklasdorf bis ins 18. Jahrhundert hinein noch als Micheldorf bezeichnet. Erst dann gewann der Pfarrpatron, der heilige Nikolaus, die Oberhand und verdrängte die alte Ortsbezeichnung.

Pfarrkirche St. Nikolaus#

Alte Pfarrkirche von Niklasdorf
Alte Pfarrkirche von Niklasdorf
Nicht zufällig wählte man den hl. Nikolaus, den Patron der Flößer und Schiffsleute, zum Patron der Niklasdorfer Kirche. Gerade hier, wo die Mur eine starke Biegung macht, sollte er wohl Schutz vor Schiffbruch bieten. Die viel befahrene Strecke war zur Zeit der Murflößer nicht ohne Tücken, denn wenig weiter, in Bruck/Mur, wachte die nächste, ebenfalls dem Heiligen Nikolaus geweihte Kirche, wieder an einer kritischen Stelle gelegen, über die Schiffsleute.

Im Jahre 1087 wurden die Gebeine des Heiligen von Myra aus Kleinasien nach Bari in Italien gebracht, von wo aus sich der Kult auch bis in unseren Raum verbreitete.

Die Kirche selbst wurde, genauso wie Micheldorf/Niklasdorf, in einer Urkunde des Jahres 1148 erstmals erwähnt. Wir wissen nicht, wie sie aussah, denn 1480 wurden die durchziehenden Türken ihrem Beinamen "Renner und Brenner" gerecht und steckten auch die Kirche in Brand, als sie das ganze Tal verwüsteten.
Die alte Pfarrkirche, wie sie sich uns heute präsentiert, geht in ihren Grundzügen auf das Jahr 1499 zurück, als sie wieder aufgebaut, erneut als Pfarrkirche diente. Als im Jahre 1971 die alte Kirche mit der Weihe der neuen Kirche exsekriert wird, wandert auch das Nikolaus-Patrozinium zur neuen Pfarrkirche. Auch das Hoch-altarbild des heiligen Nikolaus, dargestellt als Bischof mit Stab, Mitra und Buch, fand im neuen Haus Platz, ebenso die meisten Heiligenfiguren und Heiligendarstellungen.

Die Papierfabrik Brigl & Bergmeister#

Stellen wir uns einmal vor: Man schreibt das Jahr 1889. Zwei Südtiroler, ein Weinhändler und ein Apotheker, beschließen, ihre kleinen Familienunternehmen aufzugeben, und träumen von einer Zukunft als Industrielle. Sie haben auch schon eine Idee, heute sagt man wohl ein Konzept, es soll eine Zellulosefabrik sein, die sie zur Verwertung des in den habsburgischen Kronländern reichlich vorhandenen Fichtenholzes zu erwerben gedenken. Nur eines fehlt den beiden Großindustriellen in spe noch: ein geeigneter Standort. Der Name der beiden Herren: Leonhard Brigl und Julius Bergmeister.

Niklasdorf ist das Tor zur Eisenstraße, symbolisch dieser Schlüssel bei einem alten Geschäftshaus.
Niklasdorf ist das Tor zur Eisenstraße, symbolisch dieser Schlüssel bei einem alten Geschäftshaus.

Pontebba in Friaul, Scheifling, St. Michael und Judenburg wurden besichtigt und als mögliche Standorte wieder ausgeschieden. Schließlich sitzt Leonhard Brigl auf der Rückfahrt von Wien nach Bozen im Zug und lässt beim Blick aus dem Zugfenster die Landschaft an sich vorüberziehen. Just, als er in Niklasdorf vorbeifährt, nimmt er wahr, dass hier eine Hochofenanlage demontiert wird. Gleich in Leoben steigt er aus, nimmt das Areal unverzüglich in Augenschein und stellt fest, dass er gefunden, was er gesucht hat: ein Gelände für die "Sulfitzellulosefabrik Brigl & Bergmeister"!

Für die Niklasdorfer war das ein wahrer Glücksfall, denn als Industriestandort standen sie vor einer Pleite. Wohl hat die Vordernberger Radmeistercommunität in den Jahren 1871 -1876 hier einen Kokshochofen errichtet. Dieser wurde allerdings nie in Betrieb genommen, da sich schon während der Bauzeit abzeichnete, dass die steirischen Stahlwerke vermehrt billiges Koksroheisen aus dem Ausland importierten. Gerade, als man die Industrieruine demontieren und verschrotten wollte, kamen als Retter in letzter Minute Brigl und Bergmeister.

So vollzog sich in Niklasdorf der Wandel vom Bauerndorf zum Industriestandort und innerhalb weniger Jahrzehnte veränderte sich das soziale Gefüge vollkommen.

Der Zuzug der Arbeiterschaft seit der Jahrhundertwende ließ die Bevölkerung rasch anwachsen, der Bau von Wohnhäusern und Eigenheimen tat das seine, um das Ortsbild gründlich zu verändern.

Der 1952 fertig gestellte Wasserturm der Papierfabrik wurde zum "Wahrzeichen" von Niklasdorf. Wo noch bis 1938 durch Flößerei auf der Mur das Holz zum Firmengelände gebracht wurde, steht heute eine der modernsten und bestausgestatteten Werke für Papierproduktion überhaupt. Und das alles, weil ein gewisser Herr Brigl in seinem Zugabteil einen Fensterplatz hatte!


© Bild und Text Fritz Bayerl, Karl und Inge Friedl