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Kokoschka, Oskar #


* 1. 3. 1886, Pöchlarn (Niederösterreich)

† 22. 2. 1980, Villeneuve bei Montreux (Schweiz)


Maler, Graphiker, Dichter

Kokoschka, Oskar
Oskar Kokoschka. Foto
© Bildarchiv d. ÖNB, Wien, für AEIOU

Oskar Kokoschka wurde am 1. März 1886 als Sohn des Handelsreisenden Gustav Josef Kokoschka in Pöchlarn an der Donau geboren.

1887 übersiedelte die Familie nach Wien, wo er später auch die k.k. Staatsrealschule besuchte. Ab 1905 bis 1909 studierte an der Wiener Kunstgewerbeschule (bei Anton von Kenner, Carl Otto Czeschka und Bertold Löffler, sein Kontakt zu Adolf Loos verhalf ihm zu seinen ersten Porträtaufträgen.

Um 1910 entstanden zahlreiche "psychologische" Porträts bekannter Persönlichkeiten, u. a. von Adolf Loos, Peter Altenberg und Karl Kraus.

Bei seinem Aufenthalt 1910 in Berlin lernt er Herwarth Walden, den Herausgeber der expressionistischen Zeitschrift "Der Sturm" kennen, für den er Zeichnungen und Texte machte und wo er sein selbstillustriertes Drama "Mörder, Hoffnung der Frauen" veröffentlichen konnte.

Nach Wien zurückgekehrt, war er von 1911 bis 1914 Assistent an der Wiener Kunstgewerbeschule und hatte eine Beziehung zu Alma Mahler.

1914 leistete er freiwilligen Kriegsdienst in der Kavallerie und wurde 1916 aufgrund einer schweren Verwundung entlassen.

1916 übersiedelte er nach Dresden, wo er von 1919 bis 1924 als Professor an der Kunstakademie tätig war, 1922 wurden seine Bilder auf der Biennale in Venedig gezeigt.

Ab 1924 unternahm er ausgedehnte Reisen durch Europa, Nordafrika und den Nahen Osten, auf denen Stadtansichten und Landschaften entstanden.

1931 kehrte er wieder nach Wien zurück und übersiedelte 1934 - nach dem Tod seiner Mutter und unter dem Eindruck rechtsradikaler Bestrebungen - nach Prag. Oskar Kokoschka war von 1934 bis 1938 in Prag tätig; 1937 wurde er von den Nationalsozialisten als "entarteter Künstler" diffamiert und 417 seiner Werke aus deutschen Museen beschlagnahmt.

1938 emigrierte er nach London, wo er 1947 die englische Staatsbürgerschaft annahm.

1953 gründete Kokoschka in Salzburg die "Schule des Sehens" als internationale Sommerakademie und ließ sich schließlich in Villeneuve am Genfer See nieder.

Am 22. Februar 1980 starb Oskar Kokoschka in Montreux.


Oskar Kokoschka zählt mit Egon Schiele, Richard Gerstl und Max Oppenheimer zu den bedeutendsten Vertretern des Expressionismus in Österreich. Er wandte sich früh vom Jugendstil ab und entwickelte einen eigenständigen expressionistischen Malstil.

In seinem Frühwerk war Oskar Kokoschkas Werk geprägt vom linearen Stil der Wiener Secession ("Die träumenden Knaben", Versdichtung 1908 mit eigenen Farblithographien). Aufgrund seiner Mitarbeit am "Sturm" erlangte er bereits früh internationale Anerkennung als bedeutender Vertreter des Expressionismus (Porträt von A. Loos, Windsbraut).

Linzer Landschaft
Linzer Landschaft. Gemälde, 1955
© Neue Galerie, Linz, für AEIOU
Die Farbe, die in seiner Dresdner Zeit als bestimmender Ausdrucksträger in den Vordergrund tritt ("Macht der Musik", "Selbstbildnis mit gekreuzten Armen"), wird in den auf den Reisen entstehenden Stadtansichten wieder zurückgenommen.

Der große Zyklus von Städtebildern und Landschaften, die immer starke Aufsicht mit weiter Fernsicht verbinden ("Weltlandschaften"), kann als einzigartig in der Kunst des 20. Jahrhunderts angesehen werden.

In seinen Porträts, Stadtansichten sowie seinen (oft politischen) Allegorien - Inhalte und Themen, die auch sein Spätwerk bestimmen - leben barocke Gestaltungsprinzipien (besonders F. A. Maulbertsch) nach.

In literarischer Hinsicht gilt Kokoschka als Wegbereiter des expressionistischen Dramas (Sphinx und Strohmann; Der brennende Dornbusch; Orpheus und Eurydike). Der Einsatz von starken Effekten und pathetischer Sprache sind dafür ebenso kennzeichnend wie der Verzicht auf eine zusammenhängende Handlung und das Überschreiten der traditionellen Form durch Einbeziehung von Tanz und Pantomime.

Im Gegensatz dazu sind die späteren Prosawerke in einem betont nüchternen Stil verfasst, Realität und Traumwelt gehen darin eine Verbindung ein ("Mein Leben", Autobiographie 1971).

Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

  • Großer Österreichischer Staatspreis, 1954
  • Im Archiv der Hochschule für angewandte Kunst in Wien gibt es das Oskar-Kokoschka-Zentrum

Werke (Auswahl)#

Gemälde
  • Porträt von A. Loos, 1909
  • Die Windsbraut, 1914
  • Macht der Musik, 1920
  • Selbstbildnis mit gekreuzten Armen, 1922/23)
  • Weltlandschaften, großer Zyklus von Städtebildern und Landschaften

Literatur

  • Die träumenden Knaben, Versdichtung 1908 mit eigenen Farblithographien

Dramen

  • Sphinx und Strohmann, 1907 (unter dem Titel "Hiob", 1917)
  • Mörder, Hoffnung der Frauen, 1909, vertont von P. Hindemith 1921)
  • Der brennende Dornbusch, 1911
  • Orpheus und Eurydike, 1915, vertont von E. Krenek
  • Essays und Gedichte
  • Autobiographie "Mein Leben", 1971

Sonderpostmarke 1986
100. Geburtstag von Oskar Kokoschka

Literatur#

  • H. M. Wingler und F. Welz, O. Kokoschka. Das druckgraphische Werk, 2 Bände, 1975-81
  • W. J. Schweiger, Der junge Kokoschka. Leben und Werk 1904-14, 1983
  • K. A. Schröder und J. Winkler (Hg.), O. Kokoschka, Ausstellungskatalog, Kunstforum, Wien 1991
  • A. Strobl und A. Weidinger, O. Kokoschka. Das Frühwerk (1897/98-1917). Zeichnungen und Aquarelle, 1994
  • J. Winkler und K. Erling, O. Kokoschka, Die Gemälde, Band 1, 1995.
  • Ausgabe: O. Kokoschka. Das schriftliche Werk, herausgegeben von H. Spielmann, 4 Bände, 1973-76.


Text aus dem Buch "Große Österreicher":#

Oskar Kokoschka (1886-1980)

Als Einundzwanzigjähriger bemalte er für die Wiener Werkstätten Fächer, wie sie die Damenwelt zu Beginn unseres Jahrhunderts liebte. Ein Jahr später löste seine erste größere literarische Arbeit, das Bühnenstück »Mörder, Hoffnung der Frauen«, einen handfesten Theaterskandal in Wien aus, und er war prompt seine Stelle als Assistent an der Kunst- und Gewerbeschule los. Der Erzherzog-Thronfolger war über die Kunst dieses jungen Mannes namens Oskar Kokoschka so wütend, daß er meinte, man solle »dem Kerl die Knochen im Leib zerbrechen«; einer der namhaftesten Kritiker jener Zeit nannte ihn einen »Oberwildling«. 50 Jahre später würdigten ihn Staatsoberhäupter, regnete es Auszeichnungen und Ehrungen. Schon lange vorher war sich die Kulturwelt einig, daß dieser in Pöchlarn geborene Sohn eines Prager Goldschmieds der größte österreichische Maler unseres Jahrhunderts war und es wohl bleiben würde, daß er darüber hinaus alles revolutioniert hat, was mit der Darstellung des Menschen, mit der Auffassung vom Menschen zu tun hat. Ursprünglich hatte der Bub, der in Wien ins Gymnasium ging, Chemiker werden wollen. Man erzählt sich, ein Blick auf den barocken Himmel in der Wiener Piaristenkirche, wo er im Chor sang, habe sein Interesse für die Malerei geweckt. Sein Entdecker und erster Förderer war jedenfalls Adolf Loos, erste Einflüsse kamen von Gustav Klimt, aber sehr bald lehnte er sich auf gegen die Ornamentik des Jugendstils und wurde zu einem Vorkämpfer des leidenschaftsgeprägten Expressionismus. Die Wiener haben ihn lange nicht verstanden - aber sie drängten sich, seine Bilder zu sehen, »um sich den Buckel voll zu lachen«, wie Loos 1908 konstatierte. Zwei Jahre später kehrte Kokoschka der Donaumetropole den Rücken, wurde in Berlin Mitarbeiter der Zeitschrift »Sturm«, fand auch Kontakt zum Münchner »Blauen Reiter«. Aber er blieb nicht lang in der Fremde, es zog ihn zurück nach Wien, in die Stadt, mit der ihn ein ambivalentes Verhältnis verband: »Wir haben uns geliebt, und wir haben uns gerauft«, sagte er noch nach vielen Jahren, gerade zum Ehrenbürger von Wien geworden.

Ebenso entscheidend wie turbulent waren die drei Jahre seiner Beziehung zu Alma Mahler, der Witwe des Komponisten und späteren Frau Franz Werfels: eine große Liebe zweier Menschen, die doch nicht miteinander leben konnten. Eines der berühmtesten Kokoschka-Bilder, »Die Windsbraut«, ist künstlerisches Denkmal jener Tage - für das Gemälde kaufte er sich übrigens ein Pferd, das er mitnahm, als er sich nach Kriegsbeginn 1914 freiwillig zur Kavallerie meldete. Eine Verwundung brachte ihn in ein Lazarett in Dresden, wo er künstlerischen Anschluß an die dortige Akademie fand; dort entstand seine bekannte lebensgroße Puppe. Jahre des Wanderns und Reisens folgten: Europa, der Orient, Nordafrika, dann wieder eine Heimkehr nach Wien, während Hitlers Deutschland ihn als Vertreter der »entarteten Kunst« gebannt und verboten hatte. In Prag machte er die Bekanntschaft seiner späteren Frau, Olda Palkovská.

Der Einmarsch Hitlers vertrieb ihn nicht nur aus Prag, sondern hatte ihm auch die österreichische Heimat genommen -er ging nach London, wurde 1947 britischer Staatsbürger und blieb es bis 1974, als er - wiewohl endgültig im schweizerischen Villeneuve ansässig - wieder Österreicher wurde. Sein Bild der Wiener Staatsoper, nach der Wiedereröffnung im Staatsvertragsjahr in üppigem Fahnenschmuck, zeugt von der Bindung an die Stadt seiner Jugend.

Die Beziehung zu Österreich war freilich zu dieser Zeit eher auf Salzburg konzentriert, wo er die weltberühmte »Schule des Sehens« gegründet hatte und leitete. »Er atmet durch die Augen«, sagte man schon früher von ihm, und er versuchte, diese Fähigkeit auch anderen zu vermitteln. Kokoschka war freilich eher Einzelgänger als Lehrer, gar Oberhaupt einer Künstlerschule. Er wollte nicht das Malen lehren, schon gar nicht einen Stil weitergeben, sondern eben »das Schauen lehren«.

Sein Stil war bei aller stürmischen Entwicklung und Wandlung immer unverkennbar, zugleich frei von Formelhaftem. Thematische Festlegung war ihm suspekt. Seine Stilleben, seine Städtebilder und seine Porträts gehören zusammen, wenn auch in den verschiedenen Phasen seines Schaffens auf verschiedene Weise. Auch sein schriftstellerisches (Euvre läßt sich nicht trennen von der malerischen Expression, der »Hiob« ebensowenig wie »Orpheus und Eurydike«, »Die träumenden Knaben« oder das Schauspiel »Comenius«, das er 1935 in Prag begonnen und 1972 für das Fernsehen neu bearbeitet hat. Sein Zugang zum Bühnenbild - im Wiener Burgtheater wie in Salzburg verwirklicht - war durch das Dichterische in seinem Wesen mitgeprägt.

Vor allem der späte Kokoschka fand auf seine eigene Weise zugleich Zeitnähe und Überzeitlichkeit. 1945 wurde sein Gekreuzigter, der sich den leidenden Kindern zuneigt, ein Symbolausdruck, der um die Welt ging; sein Berliner Städtebild schuf er zum fünften Jahrestag der Errichtung der Mauer. Seine Porträts waren immer auch Seelenbilder der Dargestellten: Pius XII., Theodor Heuss, Tomáš Masaryk, Karin Michaelis und vor allem Konrad Adenauer, den er auch in einem Essay über die Begegnungen in Cadenabbia skizzierte: »Wir verstanden uns sofort.« Die großen Themen der antiken Sagenwelt haben ihn vor allem in der zweiten Hälfte seines Lebens nie mehr losgelassen, ihnen widmete er so manchen graphischen Zyklus, vom »Bekenntnis zu Hellas« bis zu Aristophanes. Bei kaum einem Künstler unseres Jahrhunderts aber sind Zeichnung und Malerei in seinen Werken so weit voneinander entfernt, so stark voneinander, ja gegeneinander abgesetzt.

Kritiker hatten immer Probleme, Kokoschka einzuordnen. Und er hatte Probleme, sich einem größeren Publikum mitzuteilen. Aber er konnte sowohl in großen Vorträgen wie in spontanen Äußerungen seine Zuhörerschaft faszinieren, so am Karfreitag 1974, als er in der Hamburger Nikolai-Kirche, für die er das Mosaik einer Kreuzigung geschaffen hatte, eine Kanzelrede hielt, die mit den Worten endete: »Zeigen Sie es zum Ostersonntag: Ich bin ein Optimist, ein Mensch, der beitragen will zum Wohl der Menschheit.«

Wollte Kokoschka selbst wirklich beitragen zum Wohl der Menschheit? Eher doch zum Guten im einzelnen - und Kunst war für ihn das Gute schlechthin, weil in ihr Gestalt annimmt, was im Grunde unverwirklichbar ist. Und welch ein Mensch war dieser Oskar Kokoschka? Ein unkonventioneller zweifellos, was sich an so kleinen Seltsamkeiten zeigte wie der Tatsache, daß seine Frau ihn mit Sie anredete und stets nur »OK« nannte. Äußerlichkeiten waren ihm einerseits gleichgültig - aber er genoß es durchaus, elegant zu wohnen und elegant gekleidet zu sein. Er hatte das Format eines Klassikers, aber er war auch mit Dreiundneunzig (er starb am 22. Februar 1980 in Villeneuve) zu stürmisch, um als solcher bezeichnet zu werden. »Ich halte die Augen offen. Ich versuche, sie so lange offenzuhalten, wie ich kann«, schrieb er einmal als Greis, aber auch: »Ich habe den Kontakt mit dem Unendlichen nie ganz verlieren können.«

Quellen#

Weiterführendes#


Redaktion: I. Schinnerl