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Schüller, Richard#


* 27. 5. 1870, Brünn (Brno, heute Tschechische Republik)

† 1970, Washington D.C., (USA)


Nationalökonom
Wirtschaftspolitiker, Diplomat


Richard Schüller wurde am 27. Mai 1870 als Sohn eines jüdischen Textilfabrikanten in Brünn geboren, wo er aufwuchs und die Schulen besuchte.

Nach der Matura am deutschen Gymnasium in Brünn ging er nach Wien, wo er ein Studium der Nationalökonomie und der Rechtswissenschaften absolvierte, das er 1892 mit der Promotion abschloss.
Während seines Studiums verdiente er sich seinen Lebensunterhalt mit journalistischer Tätigkeit und schrieb ab 1891 für die "Wiener Allgemeine Zeitung", später für die "Neue Revue". 1897 wurde er Sekretär des Niederösterreichischen Gewerbevereins, eine Position, die ihm zum ersten Mal finanzielle Sicherheit brachte.

Sein Interesse hatte sich mehr und mehr auf das Gebiet der Nationalökonomie verlagert - 1899 habilitierte er sich bei Karl Menger als Nationalökonom. Richard Schüller wurde einer von Mengers besten Schülern – er widmete ihm auch sein Werk "Schutzzoll und Freihandel", das heute noch zu den Standardwerken auf diesem Gebiet gehört - und zählt neben Ludwig von Mises und Joseph A. Schumpeter zur Wiener Schule der Nationalökonomie. Er trat durch zahlreiche wirtschaftswissenschaftliche und wirtschaftspolitische Publikationen hervor.

Allerdings blieb ihm wegen seines jüdischen Glaubens eine akademische Laufbahn verwehrt. (Trotzdem wurde er 1903 als Honorarprofessor an die Universität Wien berufen, drei Jahre später immerhin zum außerordentlichen Professor und 1928 zum ordentlichen Professor ernannt.)


So trat er 1898 als Beamter ins Handelsministerium ein, wo er bis 1918 in verschiedenen Verwendungen tätig war; 1917 wurde er Leiter einer Sektion (allerdings ohne offizielle Ernennung zum Sektionsleiter). 1918 wurde er zum Sektionschef der handelspolitischen Sektion im Staatsamt für Äußeres (später Außenministerium) ernannt und wurde bald Regierungsberater – er führte bis 1938 sämtliche handelspolitischen Verhandlungen der Ersten Republik und des Ständestaates und hatte auch in finanzpolitischen Fragen großen Einfluss.

1927 wurde Richard Schüller Mitglied des Wirtschaftskomitees des Völkerbundes, ab 1932 bekleidetet er den Posten eines a.o. Gesandten und bevollmächtigten Ministers der österreichischen Regierung beim Völkerbund in Genf.

Seine Bedeutung und seinen Einfluss kann man u.a. daran erkennen, dass er auch nach Erreichen des Pensionsalters (ab 1933 auf Beschluss des Ministerrates) weiterbeschäftigt wurde und auch mit Beginn des Ständestaats Sektionschef blieb.

Nach dem "Anschluss" Österreichs wurde Richard Schüller pensioniert und emigrierte 1938 über Italien nach Großbritannien und 1940 schließlich in die Vereinigten Staaten.

Er ließ sich in New York nieder, wo er - trotz seines fortgeschrittenen Alters - von 1940 bis zu seiner Emeritierung 1952 lehrend und forschend an der 'New School for Social Research' tätig war.


Richard Schüller war in London, wie auch in New York in verschiedenen österreichischen Exilvereinigungen aktiv, so dem "Free Austrian Movement", dem Military Committee for the Liberation of Austria" (unter der Führung von Otto Habsburg), dem "Austrian National Committee", dem "Austrian Office" und dem "Austrian Institute".

Aus Karl Renners Versuchen, Schüller nach 1945 davon zu überzeugen, in die österreichische Politik zurückzukehren oder ihn als ersten US-amerikanischen Botschafter nach Wien zu holen, wurde nichts – Richard Schüller blieb in den USA, wo er weiterhin mit Aufsichtsratstätigkeiten und Vorträgen aktiv war.

Richard Schüller war verheiratet und hatte drei Töchter. Er starb 1970 - kurz vor seinem 102. Geburtstag - in Washington.


Richard Schüller war einer der bedeutendsten österreichischen Nationalökonomen: er war Mitglied der Nationalökonomischen Gesellschaft und von 1930 bis 1937 Mitherausgeber der "Zeitschrift für Nationalökonomie".

Am bekanntesten wurden seine Ausführungen zum Problem der Freihandelszone: im Buch „Der wirtschaftliche Zusammenbruch Österreich-Ungarns“ trat er bereits vehement für die Schaffung eines europäischen Wirtschaftsgebiets ein und kam mit seinen Vorschlägen durchaus in Richtung einer "Freihandelszone", obwohl sr damals den Begriff noch nicht gab.

Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

  • Franz-Josephs-Orden
  • belgischer Leopold-Orden
  • Honorarprofessor der Universität Wien, 1926
  • Ehrendoktorat, New York 1952
  • Ehrendoktorat Universität Wien, 1970
  • Hayek-Medaille

Werke (Auswahl)#

  • Die Klassische Nationalökonomie und ihre Gegner. Zur Geschichte der Nationalökonomie und Socialpolitik seit A. Smith, 1895
  • Die Wirthschaftpolitik der historischen Schule, 1899
  • Schutzzoll und Freihandel. Die Voraussetzungen und Grenzen ihrer Berechtigung, 1905.
  • Der wirtschaftliche Zusammenbruch Österreich-Ungarns, Die Tragödie der Erschöpfung (mit Gustáv Grátz), 1930
  • Unterhändler des Vertrauens. Aus den nachgelassenen Schriften von Sektionschef Dr. Richard Schüller (Hg. von Jürgen Nautz), 1990

Literatur#

  • Johannes Feichtinger: Wissenschaft zwischen den Kulturen. Österreichische Hochschullehrer in der Emigration 1933-1945 (S. 222-225 ), 2001

Quellen#


Redaktion: I. Schinnerl