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Auftakt zur zweiten Etappe#

Eine engmaschigere Kontrolle und eine neue Test-Strategie sollen die schrittweise Rücknahme der Maßnahmen begleiten.#


Von der Wiener Zeitung (11. April 2020) freundlicherweise zur Verfügung gestellt

Von

Simon Rosner


Seit Tagen bewegt sich die Wachstumskurve der Corona-Fälle deutlich unter fünf Prozent, sie ist stabil, ebenso die Zahl der hospitalisierten Erkrankten. „Das ist ein wirklicher Erfolg“, sagt Gesundheitsminister Rudolf Anschober, ergänzt aber: „Es ist nur die erste Etappe, nicht das Endergebnis.“ Anschober bat die Bevölkerung eindringlich, am Osterwochenende „nichts zu riskieren. Bleiben Sie zum Abschluss der ersten Phase konsequent.“

Ab Dienstag werden Geschäfte (bis 400 m2 ) wieder öffnen, die Verordnung dazu wurde bereits am Freitag erlassen. Und es wird auch möglich sein, wieder öffentliche Verkehrsmittel für Freizeitzwecke zu nutzen. Allerdings verpflichtend mit Maske wie auch beim Einkaufen. Der Dienstag wird also die zweite Phase einläuten. Es wird der langsame und schrittweise Weg zurück zu einer neuen Normalität.

Österreich ist das erste Land in Europa, dass einige zur Epidemiekontrolle gesetzte Maßnahmen wieder aufhebt. Erfahrungen über die Auswirkungen gibt es nicht. Die Regierung setzt auf eine möglichst genaue Kontrolle, doch es gibt eine grundsätzliche Schwierigkeit dabei. Wenn sich überhaupt Symptome zeigen, dann erst einige Tage nach der Ansteckung. Weitere Zeit vergeht mit dem Test und dessen Auswertung. Daher würde sich ein erneuter Anstieg der Covid-Fälle erst verspätet in der Statistik niederschlagen.

„Unser Kontaktpersonenmanagement muss schneller werden“, sagt Anschober. Das heißt, es soll schneller getestet werden. Auch die (verbesserte) Rote-Kreuz-App, die automatisch und digital Kontakte aufzeichnet, kann dabei helfen. Die neue Test-Strategie der Regierung sieht zudem intensivere Zielgruppentestungen in sensiblen Bereichen vor, das sind Krankenhäuser, Pflegeheime und Supermärkte. Vor allem auf die Pflege wird besonderes Augenmerk gelegt. Künftig werden auch die mobilen Dienste verstärkt getestet.

Spitäler sollen sich vermehrt Nicht-Covid-Fällen widmen#

Schrittweise soll es auch zu einem Hochfahren der Regelversorgung kommen und verschobene Operationen sollen wieder stattfinden. Der Fokus auf Covid hat dazu geführt, dass es im Spital und auch im niedergelassenen Bereich zu einem Rückgang der Inanspruchnahme von medizinischen Behandlungen gekommen ist.

Der von Kardiologen registrierte Rückgang von Herzinfarkten um 40 Prozent mag hier wie eine gute Nachricht klingen, dahinter könnten aber viele nicht behandelte Infarkte liegen, weil sich die Betroffenen nicht in die Spitäler wagten. Das wäre kontraproduktiv und würde die Sterblichkeit dieser Patienten negativ beeinflussen. Auch Allgemeinmediziner berichteten, wenn auch nur anekdotisch, dass viele Patientinnen aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus nur in echten Notfällen die Ordinationen aufsuchen.

Die Spitäler sollen nun wieder mehr akute Nicht-Covid-Patienten behandeln. „Das ist restriktiv gehandhabt worden, wir brauchten die Reserven“, sagt Anschober. Derzeit sind aber allein 20.000 Betten nur für Covid-Patienten frei, und die Modellierungen gehen von keinem Anstieg der hospitalisierten Corona-Fälle aus.

Am Freitag waren offiziell etwas mehr als 7000 Personen aktiv infiziert. Eine Prävalenz-Studie des Meinungsforschungsinstituts Sora hat auch erste Hinweise auf die tatsächliche Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Personen gebracht. Nach einer Zufallstestung von 1544 Personen wurde diese mit 28.500 angegeben. Dies zu einem Zeitpunkt, als 8500 Menschen aktiv infiziert waren.

Erste Schätzung über Zahl der tatsächlich Infizierten#

Als Beleg für die Dunkelziffer aller Infizierten taugt diese Erhebung nicht, es ist nur eine erste Schätzung. Die Bandbreite ist zudem hoch. Sora gibt ein Intervall von 10.012 bis 67.400 Corona-Fällen an, die 28.500 seien demnach das wahrscheinlichste Ergebnis.

Um die Immunität, also vergangene Erkrankungen zu detektieren, wären Antikörpertests notwendig, die auch zukünftig zum Einsatz kommen sollen. Es gibt zwar bereits zahlreiche solcher Tests auf dem Markt, sie sind jedoch noch nicht genau genug. Die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl warnte am Freitag davor, diese Tests im Internet zu erwerben, denn sie seien nicht geprüft und könnten fälschlicherweise eine Immunität anzeigen, wo keine vorliegt.

Da auch anzunehmen ist, dass sich das Coronavirus nicht gleichmäßig in Österreich verteilt hat und etwa in Ischgl viel mehr Personen erkrankt sind als etwa im Waldviertel, sind die Zahlen mit Vorsicht zu konsumieren. Doch weitere Stichprobentest noch im April sollten die Datenlage weiter verbessern und damit das Controlling der zweiten Etappe ergänzen.

Wiener Zeitung, 11. April 2020