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Eine EU für Gemeinwohl, Sicherheit und Demokratie #

Aus: "Der Standard" KOMMENTAR DER ANDEREN 13. Februar 2017, 12:29 209 POSTINGS

Wir, die europäischen Bürgerinnen und Bürger, sind besorgt und verängstigt. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat viele von uns verarmt. Die hohe und steigende Jugendarbeitslosigkeit droht eine verlorene Generation heraufzubeschwören. Die soziale Ungleichheit wächst und bringt somit die soziale Kohäsion in Gefahr. Die EU ist umringt von Krieg und Instabilität, von der Ukraine bis zur Türkei, dem Nahen Osten und Nordafrika. Die Flüchtlings- und Migrationsbewegung ist ein Strukturmerkmal geworden, das wir zusammen in einer menschlichen und zukunftsorientierten Weise angehen müssen.

In vielen Mitgliedstaaten beobachten wir autoritäre Tendenzen und den Aufstieg von nationalen und xenophoben Kräften. Demokratie und die Kernwerte der europäischen modernen Zivilisation werden angegriffen. Die EU selbst ist infrage gestellt, obgleich sie Frieden, Demokratie und Gemeinwohl über Jahrzehnte gewährleistet hat.

Wir, die europäischen Bürger, haben genug von nationalen Politikern. Sie kümmern sich nur um ihre nächsten Wahlen. Sie fordern europäische Lösungen für europäische Probleme, welche sie jedoch anschließend als unmöglich oder ineffizient abtun. Sinnvolle Vorschläge der Kommission werden von ihnen missachtet oder bereits erfolgte Beschlüsse, sogar wenn sie von allen Mitgliedern Zustimmung erhalten haben, werden von ihnen nicht implementiert. Sie behaupten an einem Tag, dass sie für Europa handeln, und protestieren am darauffolgenden Tag gegen die Handlungen Europas.

Darum bitten wir nationale Politiker und Medien es zu unterlassen, Integration als ein Nullsummenspiel darzustellen und auf diese Weise Nationen gegeneinander auszuspielen. In einer interdependenten Welt kann keine Nation alleine alle Grundbedürfnisse ihrer Bürger befriedigen und soziale Gerechtigkeit gewährleisten. In diesem Kontext sind Integration und eine supranationale Regierung eine Win-win-Situation. Das Funktionieren unseres europäischen Sozialmodells, das auf einer liberalen Demokratie und einer sozialen Marktwirtschaft beruht, kann nur in einem Mehrebenensystem mit einer Regierung, auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips, gewährleistet werden.

Wir, die europäischen Bürger, sind uns dessen bewusst, dass die Globalisierung unsere Welt verändert. Wir benötigen eine europäische Regierung, um unsere gemeinsamen Werte zu pflegen und zu einer Lösung für die globalen Probleme, die unsere gegenwärtige Gesellschaft bedrohen, beizutragen. Die Welt bedarf eines weltoffenen Europas, das die Errichtung einer effizienten und demokratischen Weltordnungspolitik unterstützt, um Klimawandel, Frieden, globale Armut und den Übergang zu einer umweltfreundlichen und sozial nachhaltigen Wirtschaft zu bewältigen.

Unvollständige Res publica #

Wir, die europäischen Bürger, verstehen die Europäische Union als eine unvollständige Res publica. Sie besitzt ein lächerliches Budget (0,9 Prozent des BIP) und keine finanzielle Autonomie von den Mitgliedstaaten. Um erfolgreich auf die Herausforderungen der aktuellen Krisen reagieren zu können, ist ihre aktuelle Ausrichtung, wie die föderale Gliederung in Legislative, Judikative und eine Zentralbank, zu veraltet. Demokratie repräsentiert aber für Bürger die Möglichkeit, eine Regierung zu wählen und ihr Verantwortung zu übertragen. Demokratische Entscheidungen, einschließlich Budget-, Außen- und Verteidigungspolitik sowie der Reform der Abkommen, sollten primär von einer qualifizierten Mehrheit, die den Mehrheitswillen der europäischen Bürger und Mitglieder repräsentiert, durchgeführt werden. Die Kommission sollte sich zu einer vollständigen Regierung entwickeln, die ein politisches Programm, legitimiert durch die Wahlen, etabliert und fördert. Europäische Parteien sollten ihre Kandidaten für die Wahl einer europäischen Präsidentschaft vorstellen. Die Alternative ist ein/e direkt gewählte/r Präsidentin oder Präsident der EU, die oder der die Vorsitze der Kommission und des Rates vereint. Am 14. Februar 1984 nahm das Europäische Parlament einen Vertragsentwurf zur Gründung einer EU in Form einer politischen Union, das Spinelli-Projekt, an. Jedoch wurde dieses Vorhaben von den Mitgliedstaaten missachtet. Am 14. Februar 2017 fordern wir das Europäische Parlament, das einzig direkt gewählte Gremium der Union, auf, eine neue Initiative zu ergreifen, um die EU anzukurbeln und die demokratische Basis zu stärken. Diskussionen über eine Banken-, Fiskal-, Wirtschafts-, Energie-, Sicherheits-, Verteidigungs- und politische Union ergeben nur Sinn mit einer echten demokratischen EU, die all diese Bereiche in einer europäischen Regierung zusammenführt. Am 25. März 2017 werden die Staats- und Regierungschefs die Römischen Verträge zelebrieren, auf deren Basis die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Euratom 1957 gegründet wurden. Wir fordern sie auf, die Visionen der Gründungsväter zu verwirklichen. Sie sollten den Weg ebnen für eine Wiedergründung der EU anhand eines Vorschlages des Europäischen Parlaments und unverzüglich die Instrumente der Lissabonner Verträge ausnutzen, um die Institutionen und Politikbereiche der EU, im Speziellen die Außen-, Sicherheits-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, zu stärken. Wir fordern die europäische Jugend, die Zivilgesellschaft, Arbeiter, Unternehmer, die Intellektuellen, die lokalen Regierungen und europäische Bürger auf, am "Marsch für Europa" am 25. März in Rom teilzunehmen. Gemeinsam sollen wir den politischen Entscheidungsträgern Kraft und Mut zusprechen, um die EU zu einem Neuanfang zu treiben. Die europäische Einigung ist der Schlüssel, um unsere gemeinsamen Probleme zu lösen, um unsere Werte zu leben sowie unser Gemeinwohl, unsere Sicherheit und unsere Demokratie voranzutreiben und zu sichern.

Dieser Aufruf erscheint in großen europäischen Blättern und wurde von dutzenden Intellektuellen unterzeichnet, darunter Giuliano Amato, Enrique Báron Crespo, Roberto Castaldi, Anthony Giddens, Ulrike Guérot, Robert Menasse, Saskia Sassen und Javier Solana.

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