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Baumwollweber#

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"Heimatlexikon - Unser Österreich"
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Spinnmaschinen
Selbsttätige Spinnmaschinen. Um 1910. Handkoloriertes Glasdiapositiv
© Ch. Brandstätter Verlag

Baumwollweber entwickelten sich vor allem in jenen Gebieten, wo die Baumwollverarbeitung durch die Barchentweberei schon bekannt war, und webten ein reines Baumwollgewebe. Die Arten und Namen der baumwollenen Gewebe (Zeuge) folgten natürlich den Gesetzen der Mode und waren nahezu unerschöpflich. Es gab glatte Stoffe wie Kattun (’ Kattundrucker), Kitay (Kattun von geringer Breite), Nanking (Kattun von bräunlichgelber Farbe), Kammertuch (feiner als Kattun), Baumwollbatist, Perkal, Kaliko (steht in der Feinheit zwischen Kammertuch und Perkal), Musselin (lockerer als Perkal gearbeitet), Vapeur (feiner als Musselin) und Rips; geköperte Stoffe nannte man Croisé oder Köper, Cretonnes (bedruckter Köper), Drill, Jeans und baumwollenen Merino; die atlasbindigen Stoffe hießen Satin (auch Oriental genannt), Baumwollmolton, Englisch Leder (Moleskin und Biber). Erwähnenswert erscheinen noch gemusterte und samtartige Stoffe aus Baumwolle.

Die Baumwolle wurde seit dem 13. Jahrhundert aus dem östlichen Mittelmeerraum über Italien (Venedig) nach Norden importiert und war wesentlich teurer als Flachs. Sie musste, da sie in zusammengepressten Ballen transportiert wurde, zunächst aufgelockert, gereinigt und auf der Karde, einer Art Striegel, von den pfefferkorn- bis erbsengroßen Samen befreit und gestrichen werden. Durch die geringe Faserlänge (Stapel) der Baumwolle besaß der gesponnene Faden keine allzu hohe Festigkeit und konnte lange Zeit nur als Schussgarn für Barchent verwendet werden. Baumwolle ließ sich auch zunächst nicht wie Flachs oder Wolle auf dem Tretrad mit Flügelspindel (Verdrehen und Aufwickeln zur gleichen Zeit) spinnen, sondern musste auf dem Hand rad (Spinnen, Aufwickeln, Spinnen, Aufwickeln usw.) verdreht werden.

Ein entscheidendes Moment für die technische Weiterentwicklung war der Produktivitätsunterschied von Spinn- und Webverfahren. Alle seit dem Mittelalter gebräuchlichen Spinnverfahren konnten nicht gewährleisten, dass ein Spinner allein einen Weber mit Garn versorgen konnte. Damit der Weber den ganzen Tag genügend Garn zum Verarbeiten hatte, war er immer auf mehrere Spinner angewiesen. Die Garnmisere wurde noch verschärft, als 1733 der Engländer John Kay ein »fliegendes Weberschiffchen« erfand, mit dem die Weber in der gleichen Zeit etwa doppelt so viele und breitere Stoffe weben konnten als bisher. Dem »Garn hunger« versuchte man in allen europäischen Ländern mit verschiedenen Maßnahmen beizukommen.

In Preußen wurden regelrechte Spinnerdörfer (vor allem für Wolle) eingerichtet; Spinn- oder auch industrieschulen entstanden, in denen Lehrer Kinder hauptsächlich zum Spinnen anleiteten; in Waisen- und Strafanstalten wurde Spinnen als Zwangsarbeit befohlen, und sogar die preußischen Soldaten mussten einen Teil ihrer Dienstzeit aufs Spinnen verwenden. Dann, um 1764, gelang James Hargreaves, einem Weber aus Stanhill bei Blackburn, mit der Erfindung eines von Hand angetriebenen Spinnapparates ein durchschlagender Erfolg. Auf der berühmten »Spinning Jenny« konnten zunächst acht, später sehr viel mehr Fäden gleichzeitig gesponnen werden. Die handbetriebene »Jenny« wurde die Maschine der Hausindustrie.

Mit der Erfindung der »Jenny« und der nachfolgenden Mechanisierung nahm die reine Baumwollweberei ihren großen Aufschwung, zuerst in England, dann in Frankreich und Deutschland. Es entstanden Spinn- und Webfabriken, mit deren Massenproduktion die Textilhandwerker nicht mehr konkurrieren konnten. Innerhalb von sechzig Jahren wurde eine jahrhundertealte Technik mechanisiert und automatisiert, wodurch viele der Spinner und Weber in große materielle Not gerieten.

Das wohl berühmteste und über den ganzen Erdball verstreute Produkt aus Baumwolle ist ohne Zweifel eine Hose. 1873 ließ in San Francisco ein Einwanderer aus dem bayerischen Buttenheim namens Levi (Löb) Strauss einen Köper aus dem französischen Nîmes namens Denim indigoblau färben und nach dem Muster einer Genueser Matrosenhose zu Arbeitshosen (die »Genes«) schneidern. Einem Schneider aus Reno, Jakob W. Davis, kaufte Strauss das Patent ab, die gefährdeten Stellen einer Hose mit Kupfernieten zu sichern. Die legendären Bluejeans waren geboren.

Quellen#

  • Verschwundene Arbeit, R. Palla, Christian Brandstätter Verlag, 2010


... mit freundlicher Genehmigung des Christian Brandstätter Verlags.