Bundesheer#
Nach dem Ende des Heerwesens der Monarchie bestand von November 1918 bis Ende 1919 als bewaffnete Macht der jungen Republik Deutsch-Österreich die Volkswehr, deren Formationen (1 Bataillon pro politischem Bezirk) neben Wach- und Sicherungsaufgaben auch Kampfeinsätze im Kärntner Abwehrkampf und bei der Niederschlagung der zwei Wiener Kommunistenputsche von 1919 durchführten, womit sie Wien das Schicksal einer Räterepublik, wie sie sich in München und Budapest etablierte, ersparten.
Im Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye 1919 wurde Österreich nur ein Berufsheer in der Stärke von 30.000 Mann mit eingeschränkter Bewaffnung erlaubt. Bis 1935 war das Bundesheer in 6 Infanteriebrigaden gegliedert.
1936 wurde mit stiller Duldung der Westmächte die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt und eine Neuorganisation beschlossen, die 1938 aus 7 Infanteriedivisionen, einer Schnellen Division, einer Brigade sowie schwachen Luftstreitkräften bestand.
Das Bundesheer war in der 1. Republik auch ein innenpolitisches Instrument und wurde von der Regierung in den bewaffneten Auseinandersetzungen des Jahres 1934 gegen die paramilitärischen Formationen von Sozialdemokraten und Nationalsozialisten eingesetzt (Februarkämpfe 1934, Juliputsch 1934).
Auf Befehl der Regierung leistete das Bundesheer beim Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Österreich im März 1938 keinen Widerstand (Anschluss). Bis Herbst 1938 wurde der Großteil der Offiziere und Soldaten in die deutsche Wehrmacht übernommen, 2 Wehrkreise (XVII, Wien, und XVIII, Salzburg) wurden auf ehemals österreichischem Gebiet gebildet. Von den mehr als 1,25 Millionen Österreichern, die im Zweiten Weltkrieg in der deutschen Wehrmacht dienten, ist ein Fünftel (247.000 Soldaten) nicht aus dem Krieg zurückgekehrt.
Nach dem zweiten Weltkrieg gab es trotz einiger Planungen in der Provisorischen Regierung Renner zwischen 1945 und 1955 kein Bundesheer, sondern lediglich die sogenannte B-Gendarmerie als Vorläuferorganisation des Heeres in den westlichen Besatzungszonen. Wenige Wochen nach Abschluss des Staatsvertrags von Wien wurden im Juli 1955 die Gendarmerieschulen in diesen Zonen in Provisorische Grenzschutzabteilungen umbenannt. Sie unterstanden dem 1945 geschaffenen Amt für Landesverteidigung bzw. seit 15. 7. 1956 dem Verteidigungsministerium. Das Wehrgesetz im Verfassungsrang vom 7. 9. 1955 regelt den Oberbefehl und die Aufgaben des Bundesheers und legt die Ergänzung durch die allgemeine Wehrpflicht fest (ursprüngliche Dauer des Präsenzdienstes 9 Monate, für Einjährig-Freiwillige 12 Monate). Die erste Einberufung von Wehrpflichtigen erfolgte am 15. 10. 1956. Seit 1975 besteht die Möglichkeit zur alternativen Ableistung eines Zivildienstes (bis 1991 mit Gewissensprüfung).
Das Bundesheer hat, der Bundesverfassung und dem Wehrgesetz entsprechend, die Aufgabe der militärischen Landesverteidigung, daneben dient es dem Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen, der Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit im Inneren und wird zur Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Katastrophen herangezogen. Die militärischen Angelegenheiten in Gesetzgebung und Vollziehung sind Bundessache. Den Oberbefehl über das Bundesheer führt der Bundespräsident; das Verfügungsrecht und die Geschäfte der obersten Bundesverwaltung sind dem Bundesministerium für Landesverteidigung und der Bundesregierung übertragen. Die Befehlsgewalt über die Kommanden, Truppen, Behörden, militärische Dienststellen und Heeresanstalten übt der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport durch die Kommandanten und Leiter aus. Der dem Bundeskanzleramt beigeordnete Landesverteidigungsrat besteht aus Mitgliedern der Bundesregierung, der militärischen Führung und aus Vertretern der politischen Parteien; er ist in Verteidigungsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu hören und hat Besuchsrecht bei allen militärischen Einrichtungen. Der Generaltruppeninspektor war lange engster militärischer Berater des Ministers, wurde jedoch 2002 durch die Funktion eines Generalstabschefs (derzeit interimistisch besetzt) ersetzt.
Das Bundesgebiet war bis 1974 in 3 Gruppenbereiche (Wien, Graz, Salzburg) mit 7 Einsatzbrigaden (bis 1962: 9) eingeteilt (Kommanden in Eisenstadt, Krems, Hörsching, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Götzendorf). Gruppe I befehligte 3 Brigaden, Gruppe II und III je 2 Brigaden. Jede Gruppe verfügte außerdem über ein Ausbildungsregiment, ein Telegraphenbataillon, ein Panzer- und ein Pionierbataillon sowie ein Versorgungsregiment. Bei jeder Brigade bestand ein Ausbildungsbataillon.
Das Debakel des Grenzsicherungseinsatzes des Heeres im August 1968 - das Heer durfte nur dreißig Kilometer hinter der Grenze sichern, was großen Unmut der betroffenen Bevölkerung auslöste - und die auch daraus resultierenden innenpolitischen Veränderungen in Österreich ab 1970 - die Sozialdemokraten wurden stärkste Partei - erforderten eine weitere Reform des Bundesheers, die von Kanzler Bruno Kreisky initiiert wurde. Dabei wurde das Bundesheer nach den Vorschlägen der von ihm eingesetzten Bundesheer-Reformkommission unter der Leitung von General Emil Spanocchi ab Sommer 1971 völlig neu organisiert. Im Juli 1971 wurde die Dauer des Wehrdienstes auf 6 Monate und 60 Tage Truppenübungen verkürzt.
Die Änderung des Konzepts von der Grenzverteidigung zur wesentlich nachhaltigeren Raumverteidigung bedingte eine völlige Neugliederung des Bundesheers: Die Bereitschaftstruppe (30 Bataillone) sollte schnell zur Verfügung stehen; die Milizstruktur des Bundesheers wurde ausgebaut (von Reserveoffizieren geführte mobile Landwehr mit 8 Jägerbrigaden und raumgebundene Landwehr mit 30 Landwehrregimentern sowie zahlreiche Wach- und Sicherungskompanien).
Die massiven politischen Veränderungen in Europa nach 1989 führten neben budgetären und personellen Überlegungen zu einer neuerlichen Heeresreform ab 1991 ("Heeresgliederung neu 1995"). Das Armeekommando wurde aufgelöst, dafür aus dem Kommando der 1. Panzergrenadierdivision ein III. Korps gebildet. Die neue Struktur des Heeres umfasste in der Friedensorganisation 3 Panzergrenadierbrigaden und 13 aus den 30 Landwehrstammregimentern gebildete Jägerregimenter. Die Einsatzorganisation sah damit 16 Brigaden mit einem Mobilmachungsstand von 150.000 Mann (einschließlich Reserven) vor. Damit verbunden war das Abgehen vom Konzept der Raumverteidigung und der Übergang zu einer grenznahen Einsatzdisposition.
1994 trat Österreich der sogenannten Nato-Partnerschaft für den Frieden bei, wobei die österreichische Neutralität aber die Einsatzmöglichkeiten des Heeres limitiert.
Für 1998-2000 wurde vom Ministerrat eine neue Heeresstruktur beschlossen: Das Korpskommando III wurde ersatzlos aufgelöst; das Bundesheer ist (ähnlich wie 1973-95) wieder in 2 Korps gegliedert: Dem I. Korps (Kommando in Graz für Steiermark, Niederösterreich, Burgenland und Kärnten) unterstehen die 1. und 7. Jägerbrigade (die 1. mit Pandur-Radpanzern, die 7. luftbeweglich) sowie die 3. Panzergrenadierbrigade, dem II. Korps (Kommando in Salzburg für Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg) die 4. Panzergrenadierbrigade und die 6. Jägerbrigade (gebirgsbeweglich); dazu kommen jeweils Korpstruppen und andere. Dem Verteidigungsministerium unmittelbar nachgeordnet sind die Fliegerdivision, das Militärkommando Wien sowie Ämter, Akademien und Schulen. Der Mobilmachungsstand wurde auf 120.000 Mann reduziert.
Seit 1998 besteht die Möglichkeit eines freiwilligen Wehrdienstes für Frauen (Laufbahn als Berufsoffizier bzw. Berufsunteroffizier); im Rahmen von Auslandseinsätzen waren Frauen schon früher als Vertragsbedienstete eingesetzt.
2002 wurden das Verteidigungsministerium und die unmittelbar nachgeordneten Dienstellen neu gegliedert. Es wurde 3 Sektionen (Zentralsektion, Kontrollsektion, Generalstab) eingerichtet. Die Korpskommanden wurden aufgelöst, das Kommando Landstreitkräfte (Salzburg) wurde gegründet.Die Aufgaben der Luftstreitkräfte wurde im Kommando Luftstreitkräfte, die Auslandseinsätze im Kommando Internationale Einsätze (Graz) und die Spezialeinsätze im Kommando Spezialeinsatzkräfte (Wr. Neustadt) zusammengefasst.
Die Dauer des Präsenzdienstes wurde mit lediglich sechs Monaten festgesetzt und die Generalsdienstgrade dem Nato-System angepasst.
Seit 1960 haben sich fast 60.000 Angehörige des Bundesheers an sogenannten "friedenserhaltenden Operationen" der Vereinten Nationen beteiligt (UN-Einsätze). Aufgrund der erhöhten Beteiligung an internationalen Friedensoperationen und humanitären Einsätzen wird in der wehrpolitischen Diskussion dem Kaderpersonal ein höherer Stellenwert zugemessen als dies im traditionellen Milizsystem der Fall war, obwohl gerade die Reservisten und die auch zivil sehr gut qualifizierten Reserveoffiziere (zum Großteil Akademiker) durch Einbringen ihrer Fähigkeiten (Medizinische Kenntnisse, Sprachen und vor allem auch technische Kenntnisse) entscheidend zum Erfolg beigetragen haben.
Im Rahmen eines Assistenzeinsatzes hat das Bundesheer zur Unterstützung der Exekutive seit 1990 bis Dezember 2011 die österreichische Grenze zu Ungarn überwacht.
Quellen#
- www.bmlv.gv.at
- AEIOU
- Glaubauf, Karl: Die Volkswehr 1918-20 und die Gründung der Republik, Wien 1993.
- Jedlicka, Ludwig: Ein Heer im Schatten der Parteien, Wien 1955.