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!!!Lumpensammler

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[{Image src='lumpensammler01.jpg' class='image_left' caption='»Lumpensammlerin, Haderlump’, Haderlump’«. 1873–1875. Photographie\\© Ch. Brandstätter Verlag' alt='Beruf: Lumpensammlerin' height='300' width='213'}]

Lumpensammler (auch Hödel, Hodeler) traten vermutlich in Erscheinung, als Papier durch Verfilzung aus Gewebeabfällen
(Lumpen, Hadern, Strazzen) hergestellt wurde. In der Regel waren es arme, invalide, arbeitsunfähige, teils aus Randgruppen stammende Menschen, die diesem Gewerbe nachgingen. Bei den Lumpensammlern, aber auch im Lumpenhandel waren viele Juden vertreten, besonders in der österreichischungarischen Monarchie. In Nürnberg war das Sammeln von Lumpen von Frühzeit an das Vorrecht von Frauen, auch in Wien sind Frauen als Lumpensammlerinnen überliefert, während im allgemeinen der Anteil der Frauen an diesem Gewerbe erst im 19. Jahrhundert wuchs. Das Erscheinungsbild der in ihrem »Reich« herumziehenden Lumpensammler war meist erbärmlich; ihre Gesichter und Hände waren von Dreck und Staub geschwärzt, und ihre abgetragene, zerschlissene Kleidung ähnelte mitunter mehr der zusammengetragenen Lumpenfracht, die sie auf Karren hinter sich herzogen oder von vorgespannten Hunden ziehen ließen. Ihre Tätigkeit wurde lange Zeit als unehrliches Gewerbe diskriminiert, man beschimpfte sie als Haderlumpen und überschüttete sie mit unflätigen Worten, wenn sie beispielsweise ihre stinkenden Hadern irgendwo zum Trocknen ausbreiteten. Sie standen unter den Lumpenreissern an letzter Stelle der Papiermacherhierarchie und gehörten eigentlich gar nicht zum Handwerk, obwohl sie eine so wichtige Tätigkeit ausübten. Denn die ausreichende Versorgung der Papiermühlen mit dem begehrten Rohstoff war durch den stetig steigenden Bedarf an Papier seit der Erfindung des Buchdrukkes zu jeder Zeit problematisch, ja es herrschte sogar hin und wieder eine regelrechte Lumpennot.

Zu jeder Papiermühle gehörte damals ein bestimmter Lumpensammelbezirk, der durch die Erteilung eines Lumpensammelprivilegs geschützt wurde. Die Lumpensammler konnten auf eigene Rechnung tätig oder von Lumpenhändlern oder Papiermüllern (Papiermacher) ver pflichtet werden. Vom Konzessionsinhaber des Lumpensammelbezirkes bekamen sie Berechtigungsscheine, die bei Nachfrage vorzuweisen waren. Meist mussten sie noch zusätzlich einen Eid ablegen, dass sie die Lumpen ordnungsgemäß beim Konzessionsinhaber abliefern und auch nicht betrügerisch handeln würden. Die Lumpenausfuhr
war infolge der ständigen Rohstoffknappheit in den meisten Ländern streng verboten, für den einträglichen Lumpenschmuggel wurden harte Strafen angedroht. Sogar die Pfarrer forderten in eigenen »Lumpen-Predigten« die Gläubigen auf, ihre Lumpen sorgfältig aufzubewahren und sie nur den befugten Lumpensammlern zu geben.


[{Image src='lumpensammler02.jpg' class='image_right' caption='»Haderlumpweib«. Kolorierter Stahlstich von Carl Mahlknecht nach Zeichnung von Wilhelm Böhm. Aus: Adalbert Stifter. »Wien und die Wiener«. Pest 1844\\© Ch. Brandstätter Verlag' alt='Beruf: Lumpensammlerin' height='300' width='191'}]


Häufig wurden die Lumpen nicht bezahlt, sondern gegen Naturalien wie Bänder, Papier, Nadeln eingetauscht, was sich aber nachteilig auf die Qualität der Lumpen auswirkte. Also ging man dazu über, die Bevölkerung durch Bezahlung zur Abgabe von besseren und mehr Lumpen zu animieren, und verbot ferner, feine, aber auch grobe, leinene und wollene Lumpen zu verbrennen oder auf den Mist zu werfen. Allein die Lumpenqualität entschied darüber, welche Papiersorten gefertigt werden konnten. Feine Lumpen lieferten feines Papier. So ergab Batist, Nesseltuch und holländische Leinwand Postpapier,
schon etwas gröbere Lumpen aus feiner Leinwand Herrenpapier, mittlere Leinwand und Kattun Druckpapier, Bauernhemden oder Leinenlumpen mittlerer Qualität Konzeptpapier; aus groben Leinenhadern wurde Makulatur- und Packpapier gefertigt, aus wollenen Lumpen Löschpapier.


Der Umgang mit den alten Hadern und Lumpen war im höchsten Maße der Gesundheit abträglich. Der bekannte italienische Arzt Bernardino Ramazzini schrieb in seinem Handbuch über die Krankheiten der Künstler und Handwerker (De morbis artificum diatribe erschien erstmals 1700 in Modena) über die Lumpensammler: »Nachgehends aber werfen sie solche garstige Lumpen in ihren Häusern über einen großen Haufen zusammen. Man muss sich aber wundern, und ist fast unglaublich, wie garstig es stinket, wenn sie diese alten Haufen aufreißen und große Säcke davon anfüllen, um diese unsaubere Ware denen Papyrmühlen zuzuführen. Bei dieser Verrichtung nun werden sie mit Husten, Keuchen, Ekel und Schwindel befallen. Denn was kann man sich wohl garstiger, ja, was kann man sich mehr abscheulicheres denken, als einen von allem Unflat zusammen gesammelten Haufen von unsauberen Lumpen der Menschen, Weiber und Leichen.« Die Lebenserwartung in diesem Beruf war nicht hoch. Der Lumpenstaub und die in den Lumpen enthaltenen Krankheitserreger verursachten oder begünstigten Infektionskrankheiten wie Blattern, Krätze, Rotlauf, Typhus und Cholera. Die häufigste, als Hadernkrankheit bezeichnete Infektion aber war der Milzbrand und insbesondere der Lungenmilzbrand, der mit starkem Hustenreiz, blutigem Auswurf und Atemnot zum raschen Tod führte.


Im 19. Jahrhundert entdeckte die Dichtkunst das jämmerliche, meist kurze Leben der Lumpensammler und brachte es in romantisierender Form mit Titeln wie Der Lumpensammler von Paris oder Der Abenteurer und die Lumpensammlerin auf die Bühne. Die Lumpensammler von Paris, Chiffonniers genannt, übten allerdings auch den Aufstand, und Heinrich Heine berichtete darüber am 19. April 1832 in der Augsburger Allgemeinen Zeitung. Es wütete gerade die Cholera in Paris, und eine Commission sanitaire verfügte, dass der Unrat nicht länger auf den Straßen liegenbleiben dürfe, sondern auf Karren verladen zur Stadt hinausgebracht werden müsse. Das brachte die Chiffonniers, »die den öffentlichen Schmutz als ihre Domäne betrachten«, so in Wut, dass sie gewalttätig die Reinigungsreform zu hintertreiben suchten, indem sie die neuen Karren zerschlugen und in die Seine warfen.

!Quellen
* Verschwundene Arbeit, R. Palla, Christian Brandstätter Verlag, 2010

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''... mit freundlicher Genehmigung des Christian Brandstätter Verlags.''
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